Index
41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §1 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des M A E H in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Vinatzer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börsegasse 12, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 3. April 2001, Zl. MA 61/IV-A 213/99, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10
und 11 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab. Der 1961 geborene Beschwerdeführer lebe seit 1984 in Österreich, sei geschieden und zur Zeit als Handelsvertreter berufstätig. Seit 1993 sei er wiederholt straffällig geworden, insbesondere sei er mehrmals wegen Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges ohne erforderliche Lenkerberechtigung verwaltungsbehördlich und zweimal (1997 und 2001) wegen Verletzung der Unterhaltspflicht vom Jugendgerichtshof Wien strafgerichtlich verurteilt worden. Daneben bestünden Übertretungen des Fremdengesetzes bzw. des Meldegesetzes. Es lägen daher "zahlreiche Straffälligkeiten" vor, sodass ungeachtet der für eine Einbürgerung sprechenden Umstände (langer Aufenthalt in Österreich, gute Deutschkenntnisse, persönlicher Einsatz zur Verbrechensbekämpfung) auf Grund des gewonnenen Charakterbildes des Beschwerdeführers einer positiven Ermessensübung nicht näher getreten werden könne. Es diene nämlich nicht dem allgemeinen Wohl und entspreche nicht den öffentlichen Interessen, Fremden, welche die österreichischen Rechtsvorschriften permanent missachteten, die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen; das die öffentlichen Interessen verletzende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers wiege schwerer als der lange Aufenthalt in Österreich und die damit verbundene Integration sowie sein Einsatz im Rahmen der Verbrechensbekämpfung.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat den Verleihungsantrag des Beschwerdeführers nicht etwa deshalb abgewiesen, weil die allgemeinen Einbürgerungserfordernisse des § 10 Abs. 1 Z 1 bis 8 StbG nicht erfüllt seien. Dem angefochtenen Bescheid liegt also insbesondere zugrunde, dass der Beschwerdeführer nach seinem bisherigen Verhalten - ungeachtet der festgestellten "zahlreichen Straffälligkeiten" - Gewähr dafür biete, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentlichen Interessen gefährdet (§ 10 Abs. 1 Z 6 StbG). Die belangte Behörde meinte jedoch, dass sie das ihr in § 10 Abs. 1 StbG eingeräumte freie Ermessen unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte des § 11 leg. cit. nicht zugunsten des Beschwerdeführers üben könne. In der erstatteten Gegenschrift wird dazu ergänzend ausgeführt, dass ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht bestehe.
Wie die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangte, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen habe und kein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliege, ist für den Verwaltungsgerichtshof auf Grundlage des § 12 Z 1 lit. b StbG nicht nachvollziehbar. Diese Vorschrift lautet - in der hier anzuwendenden Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 - wie folgt:
"§ 12. Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er
1. nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 33 oder 34) oder des Verzichtes auf die Staatsbürgerschaft (§ 37) Fremder ist und entweder
a)
... oder
b)
seit mindestens 15 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat und seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist oder
..."
Wie schon erwähnt, ging die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer die allgemeinen Einbürgerungserfordernisse des § 10 Abs. 1 StbG erfülle. Das bedeutet, dass sie ihrer Entscheidung zugrunde legte, dass er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet habe (§ 10 Abs. 1 Z 1 StbG). Zu diesem Tatbestandsmerkmal kann indes lediglich die Feststellung in Bezug gesetzt werden, dass der Beschwerdeführer seit 1984 in Österreich lebe. Das deutet darauf hin, dass er sich nicht bloß auf eine zehn-, sondern auch auf die fünfzehnjährige Wohnsitzfrist des § 12 Z 1 lit. b StbG berufen könne, zumal er im verfahrenseinleitenden Antrag unbestritten vorgebracht hat, er habe in Österreich seit Oktober 1984 seinen Lebensmittelpunkt (vgl. § 1 Abs. 7 MeldeG; siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 98/01/0081). Davon ausgehend und im Hinblick auf die im Verwaltungsverfahren zutage getretenen verschiedenen Indizien für eine besonders ausgeprägte Verankerung des Beschwerdeführers in Österreich hätte sich die belangte Behörde mit dem einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft vorsehenden Tatbestand des § 12 Z 1 lit. b StbG beschäftigen müssen. Bezeichnenderweise spricht die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift selbst von einem hohen Integrationsgrad des Beschwerdeführers. Im Übrigen sind als Beispiel für die zuvor erwähnten Indizien die in den Verwaltungsakten erliegenden Empfehlungsschreiben österreichischer Staatsbürger, die dem Beschwerdeführer "völlige Integration" attestieren, das laut dem im Verwaltungsakt erliegenden Scheidungsurteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 26. Mai 1994 aus der geschiedenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin entstammende minderjährige Kind und weiter die festgestellten guten Deutschkenntnisse (zur Relevanz dieses Umstandes bei Beurteilung der "nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration" vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0277) zu erwähnen. Dass der Beschwerdeführer mehrfach verurteilt worden ist, schließt eine nachhaltige persönliche Integration nicht aus (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0227).
Die fehlende Beurteilung des Verleihungsantrages des Beschwerdeführers in Richtung § 12 Z 1 lit. b StbG - nach dem oben Gesagten hätte sich die belangte Behörde mit dieser Bestimmung auseinander setzen müssen - beruht offenkundig auf einer Verkennung der Rechtslage. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die genannte Verordnung, die gemäß ihrem § 3 im vorliegenden Fall zur Anwendung kommt, sieht in § 1 Z 1 lit. a als Ersatz für Schriftsatzaufwand lediglich einen Betrag von EUR 908,-- vor. Das diesen Betrag und die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG übersteigende Kostenmehrbegehren war daher abzuweisen.
Wien, am 12. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001010228.X00Im RIS seit
21.05.2002