TE Vfgh Beschluss 1999/3/11 V89/96

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Veröffentlicht am 11.03.1999
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung eines Plandokuments der Stadt Wien mangels Darlegung der aktuellen Betroffenheit der Antragstellerin

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 173 des Grundbuches 01510 Pötzleinsdorf/Bezirksgericht Döbling, bestehend aus den Grundstücken Nr. 428/1-3.

Der Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan, Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien vom 30. Mai 1980, Pr. Z. 1409/80, (Plandokument 5582) legte für diese Grundstücke

(Dr. Heinrich-Maier Straße 18) sowie für das westlich benachbarte Grundstück (Dr. Heinrich-Maier Straße 20) u.a. fest:

Bauland-Wohngebiet, Bauklasse II, Gebäudehöhe maximal 10,5 m. Beide Grundstücke waren auch nicht in eine Schutzzone einbezogen.

Mit Beschluß des Gemeinderates der Stadt Wien vom 30. Juni 1994, Pr. Z. 2091/94, (Plandokument 6533), wurde ein neuer Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan erlassen, mit dem für die Grundstücke der Antragstellerin nunmehr folgendes festgelegt wurde: Bauland-Wohngebiet, Bauklasse I, Gebäudehöhe von maximal 6,5 m sowie BB1 (Besondere Bestimmung gemäß §5 Abs4 der BauO für Wien), wobei innerhalb der mit BB1 bezeichneten und als Bauland/Wohngebiet gewidmeten Grundflächen maximal 20 v. H. des Bauplatzes bebaut werden darf. Ebenso befinden sich diese Grundstücke nun in einer Schutzzone. Für das westlich angrenzende Grundstück Dr. Heinrich-Maier Straße Nr. 20 wurde hingegen Wohnbauklasse II unbeschränkte Bebaubarkeit festgelegt; es erfolgte keine Einbeziehung in die Schutzzone.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14041/1995 wurde §1 Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung der Bauordnungsnovelle 1976, LGBl. Nr. 18, mit Ablauf des 31. August 1996 als verfassungswidrig sowie unter anderem der Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan Plandokument 5582 mit Ablauf des 29. Februar 1996 als gesetzwidrig aufgehoben.

Mit LGBl. Nr. 10/1996 wurde §1 Bauordnung für Wien neu gefaßt. Auf Grund der Übergangsbestimmung ArtII kann der Stadtsenat durch Verordnung feststellen, daß bereits erlassene Flächenwidmungs- und Bebauungspläne oder flächenmäßige Teile dieser Pläne als Flächenwidmungs- und Bebauungspläne im Sinne des Gesetzes gelten.

In der Verordnung des Stadtsenates MA 21 A - VO 18/96, kundgemacht am 11. Juli 1996, wird unter anderem festgestellt, daß das Plandokument 6533 als Flächenwidmungs- und Bebauungsplan im Sinne der Bauordnung für Wien in der Fassung des ArtI des Gesetzes LGBl. Nr. 10/1996 gilt.

2. Gegen diese Verordnung wendet sich die Antragstellerin mit dem Antrag,

"die Verordnung/den Beschluß des Gemeinderates der Stadt Wien vom 30. Juni 1994, Pr. Z. 2091/94-Plandokument 6533 mit dem umschriebenen Planungsgebiet zwischen Pötzleinsdorfer Höhe, Khevenhüllerstraße, Pötzleinsdorfer Straße, Linienzug a-b-c-d im

18. Bezirk, KG Pötzleinsdorf und KG Neustift am Walde sowie Festsetzung einer Schutzzone für einen Teil dieses Gebietes

(...) infolge Invalidation durch Aufhebung des §1 der Bauordnung für Wien mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1995, G289/94 ua., im gesamten Umfang aufzuheben;

in eventu

(...) insoweit als verfassungs- und/oder gesetzwidrig aufzuheben, als mit den Abschnitten II./1., II./3. und II./4.1. des angefochtenen Plandokumentes für die Liegenschaft der Antragstellerin vom bisherigen Plandokument 5582 abweichende Planzeichen und Sonderbestimmungen neu festgelegt wurden, die zur nunmehrigen Widmung der Liegenschaft der Antragstellerin mit Wohngebiet-Bauklasse II, Gebäudehöhe von max 10,5 m, Verbaubarkeit des Bauplatzes von max. 20 % und Einbeziehung in eine Schutzzone führten;

in eventu

(...) insoweit als verfassungs- und/oder gesetzwidrig aufzuheben, als mit den Abschnitten II./1., II./3. und II./4.1. des angefochtenen Plandokumentes für die Liegenschaft der Antragstellerin (...) vom bisherigen Plandokument 5582 abweichende Planzeichen und Sonderbestimmungen neu festgelegt wurden, die zur nunmehrigen Widmung der Liegenschaft der Antragstellerin mit Wohngebiet-Bauklasse II, Gebäudehöhe von max 10,5 m, Verbaubarkeit des Bauplatzes von max. 20 % und Einbeziehung in eine Schutzzone führten, ohne daß die westlich unmittelbar benachbarte Liegenschaft 1180 Wien, Dr. Heinrich-Maier Straße 20 bei identen raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen eine gleichartige Umwidmung erfuhr;"

3. Zur Begründung der Antragslegitimation führt die Antragstellerin aus:

Sie sei durch die weitreichende Umwidmung ihrer Liegenschaft bei gleichzeitiger Belassung der Widmung der Nachbarliegenschaft in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere in ihren Rechten auf Gleichheit und Eigentumsschutz massiv verletzt. Nach den Bestimmungen der Bauordnung für Wien stehe ihr kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um sich gegen die gegenständliche rechtswidrige Verordnung zur Wehr setzen zu können (VfSlg. 14134/1995, ZfVB 1996/2-782). Ihre Antragslegitimation sei daher gegeben (vgl. VfSlg 8463/1978, 8697/1979, 9260/1981, 9361/1982).

Aus der weiteren Begründung ihres Antrags ergibt sich, daß sich die Antragstellerin aufgrund der Nutzungseinschränkung hinsichtlich ihrer Liegenschaft und des Wertverlustes beschwert erachtet.

4. Der Gemeinderat der Stadt

Wien legte die Akten vor und erstattete eine Äußerung, in der er die Abweisung des Antrags verlangte. Auf die Zulässigkeit des Antrags wurde nicht eingegangen.

5. Die Antragstellerin legte mit Schriftsatz vom 9. Mai 1997 Urkunden und ein modifiziertes Kostenverzeichnis sowie am 4. Juli 1997 eine Replik vor.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß die Antragstellerin behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzmäßigkeit - in ihren Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für die Antragstellerin tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der Antragstellerin nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre der Antragstellerin unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen der Antragstellerin nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, 13944/1994).

Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist zu untersuchen, ob die von der Antragstellerin ins Treffen geführten Rechtswirkungen vorliegen (VfSlg. 8060/1977, 8587/1979, 10593/1985, 11453/1987).

Beurteilt man das Vorbringen der Antragstellerin im Lichte der oben dargestellten Vorjudikatur, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Antragstellerin eine aktuelle Betroffenheit durch den Flächenwidmungsplan Plandokument 6533 nicht darzutun vermochte.

Wenn die Antragstellerin die zukünftige Bebaubarkeit ihres Grundstückes beeinträchtigt sieht, so bezieht sie sich damit weder auf eine gegenwärtige noch auf eine in naher Zukunft zu gewärtigende Wirkung der Verordnung - sie macht insbesondere nicht geltend, daß sie in absehbarer Zeit an ihrem Wohngebäude eine Änderung vorzunehmen beabsichtigt -, sondern auf eine Wirkung in Ansehung einer unbestimmten, hypothetischen Situation.

Sofern die Antragstellerin auf die Wertminderung ihres Grundstückes verweist, beschreibt sie bloß wirtschaftliche Auswirkungen; damit macht sie aber keine rechtliche Betroffenheit, sondern nur ihre wirtschaftlichen Interessen geltend (vgl. etwa VfSlg. 9876/1983, 11128/1986).

Die Verordnung ist schon aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin für sie nicht unmittelbar wirksam. Der Antrag ist daher unzulässig.

2. Der Antrag war daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorausgegangene mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:V89.1996

Dokumentnummer

JFT_10009689_96V00089_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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