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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde der E J S in T, geboren am 3. März 1976, vertreten durch Dr. Thomas Herzog, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. April 2000, Zl. 215.577/0-XII/37/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Woche bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, nach ihren Angaben eine sudanesische Staatsangehörige christlichen Glaubens, reiste am 18. November 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 23. November 1999 die Gewährung von Asyl. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 10. Dezember 1999 gab sie an, sie sei im Juni 1997 von Zivilisten, die wie Moslems gekleidet gewesen seien, von Khartoum nach Wau gebracht worden. Dort sei sie in einem Lager dazu ausgebildet worden, im Krieg zu kämpfen. Im Dezember 1997 sei ihr die Flucht aus diesem Ausbildungslager nach Juba gelungen, wo sie bei ihrer Tante gewohnt und von der Verhaftung ihres Vaters erfahren habe. Dieser sei verhaftet worden, weil er den Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin nicht habe angeben können. Dann sei sie in ihr Dorf zurück gegangen, "um ihren Vater zu begraben". Sie sei aber wieder inhaftiert und in das Lager gebracht worden; sie habe dann das Training abgeschlossen. Man habe sie dazu überreden wollen, einen Moslem zu heiraten bzw. zum Islam zu konvertieren. Als sie sich geweigert habe, sei sie eingesperrt worden und habe mehrfach nichts zu essen bekommen. Im Jänner 1998 sei sie in das Gefängnis von Wau gebracht worden und dort bis November 1998 eingesperrt gewesen. Ihre Stiefmutter habe als Muslimin verkleidet die dortigen Soldaten bestochen, sodass die Beschwerdeführerin das Gefängnis habe verlassen können. Ihre Dokumente seien aber dort verblieben. Sie habe sich bis zu ihrer Flucht im November 1999 bei Verwandten und bei ihrer Stiefmutter in Assuan/Ägypten aufgehalten. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie, dass im Sudan nach ihr gesucht werde.
Mit Bescheid vom 7. Februar 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Sudan sei zulässig. Nach der wesentlichen Begründung dieses Bescheides sei es unglaubwürdig, dass weiterhin deswegen nach der Beschwerdeführerin gefahndet werde, weil ihre Dokumente im Sudan geblieben seien. Es läge keine individuell gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgungshandlung seitens ihres Heimatstaates vor. Unter anderem sei lediglich die Bürgerkriegssituation für ihre Ausreise ausschlaggebend gewesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin unter anderem vor, sie sei auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit im Sudan einer Verfolgung durch von der Regierung unterstützte islamistische Fundamentalisten ausgesetzt. Die Verfolgungshandlungen würden sich gegen alle Christen richten. Die zwangsweise Anhaltung in einem Camp zur militärischen Ausbildung sowie die Versuche, die Beschwerdeführerin zu "islamisieren", seien konkrete gegen sie als Individuum gerichtete Akte. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestünde nicht; für Christen im Südsudan gäbe es keine Sicherheit. Die "islamistische" Regierung sei daran interessiert, die christliche Religion zu beseitigen, und arbeite mit verschiedenen Milizen zusammen, die Angehörige dieser Religionsgemeinschaft terrorisierten.
Die belangte Behörde führte am 9. März 2000 eine mündliche Verhandlung durch und hielt im darüber aufgenommenen Protokoll über die Befragung der Beschwerdeführerin fest:
"VL: Wo haben Sie genau im Sudan gelebt?
BW: Ich habe im Dorf Yambio gelebt. Yambio befindet sich im Süden des Sudans. Als nächst größere Stadt befindet sich Juba, welche sich auf Grund einer tagelangen Reise weit weg entfernt befindet.
VL: Welche Sprachen sprechen Sie?
BW: Ich spreche Yambio, Englisch und Arabisch.
VL: Hat diese Sprache Yambio noch einen anderen Namen?
BW: Die Sprache Yambio ist unter keinem anderen Namen bekannt.
VL: Können Sie mir die Zahlen von 1-10 in Yambio aufschreiben?
Die Asylwerberin schreibt die Zahlen in Yambio auf einem Blatt Papier, welches als Beilage A zum Akt genommen wird.
VL: Wo sind Sie zur Schule gegangen?
BW: Ich ging in Yambio und Khartoum zur Schule.
VL: Welche Schule haben sie in Khartoum besucht?
BW: In Khartoum besuchte ich die katholische Schule. Ich ging von 1986 bis 1987 in Yambio zur Schule und von 1988 bis 1997 in Khartoum. Ich habe in Khartoum die katholische Schule besucht.
VL: Können Sie mir noch andere Sprachen im Sudan nennen?
BW: Außer arabisch, englisch und yambio werden noch viele andere Sprachen gesprochen unteranderem Zande, Hausa und Maridi.
VL: Können Sie mir die Währung vom Sudan nennen?
BW: Die offizielle Währung des Sudans ist das sudanesische Pfund.
VL: Können Sie mir die Banknoten darlegen?
BW: Banknoten gibt es fünf, zehn, zwanzig, fünfzig und
hundert Pfund.
VL: Wie kann man das sudanesische Pfund unterteilen?
BW: Es gibt noch Münzen, die Gini, nach der Schreibweise der Asylwerberin (siehe Beilage A) lauten. Zehn Gini (Münzen) sind ein Pfund.
Es gibt Münzen zu eins und fünf und es gibt Münzen zu fünfundzwanzig und fünfzig. Gini ist die arabische Bezeichnung für Pfund. Gini und Pfund sind das gleiche, nur jeweils in einer anderen Sprache. Der Name der Münze heißt EISH. Die fünfundzwanzig und fünfzig als Münzen gibt es auch in Banknoten.
VL: Sagt Ihnen der Name Kurusch etwas?
BW: Den Namen kenne ich nicht. Vielleicht ist das eine andere
Sprache, die ich nicht kenne.
VL: Was sagt Ihnen der Name Piaster?
BW: Den Namen Piaster kenne ich nicht.
Der Asylwerberin wird vorgehalten, dass sie als Staatsangehöriger des Sudans die Unterteilung der sudanesischen Pfund in Piaster kennen müßte. Der Asylwerberin wird mitgeteilt, dass es Münzen namens Piaster gibt. Daraufhin teilt die Asylwerberin mit, das sei der englische Name für EISH. Der Asylwerberin wird vorgehalten, dass sie mit der Bezeichnung Piaster nichts anfangen konnte und erst als sie darüber aufgeklärt wurde, dass Piaster die Münzenbezeichnung im Sudan ist, erklärte sie, dass sie Piaster sehr wohl kennen würde und Piaster mit EISH gleich zu setzen wäre.
VL: Können Sie mir den höchsten Berg vom Sudan nennen?
BW: Nein, den kann ich nicht nennen.
Der Asylwerberin wird vorgehalten, dass sie sehr lange die Schule im Sudan besucht hat und es daher vorausgesetzt werden kann, dass sie richtige Angaben bezüglich des Landes machen kann.
VL: Kennen Sie überhaupt irgendwelche Berge vom Sudan?
BW: Nein, ich kenne keine.
VL: Kennen Sie Flüsse?
BW: Ich kenne den Blauen Nil und ich kenne das Rote Meer.
VL: Ist das Rote Meer ein Fluß?
BW: Das weiß ich nicht, das ist ein Gewässer. Meine Schulbildung war keine fortdauernde, sondern besuchte ich diese nur hie und da. Die Schulausbildung wurde auf Grund des Krieges unterbrochen. Wenn wir die Anzeichen sahen, dass der Krieg "sehr brennend" war, unterbrachen wir den Schulbesuch manchmal für Monate.
VL: Was haben Sie in der Zwischenzeit, wo keine Schule war gemacht?
BW: Wir taten nichts, wir gingen wieder in unser Dorf zurück.
VL: Wie sind Sie dann wieder in Ihr Dorf gelangt?
BW: Wir wurden manchmal per Anhalter von LKWS mitgenommen, manchmal gingen wir auch zu Fuß. Die LKWS nahmen uns ein Stück des Weges mit und ließen uns dann aussteigen wenn sie in eine andere Richtung fuhren.
VL: Wie lange hat dann solch eine Reise von Khartoum bis in Ihr Heimatdorf gedauert?
BW: Sie dauerte beinahe zwei Wochen.
VL: Können Sie mir den Reiseweg beschreiben.
BW: Ich kann die Namen der Dörfer und Städte nicht nennen, ich reiste auch nicht alleine, wir reisten in Gruppen.
VL: Gibt es im Sudan einen Flughafen und wie heißt der?
BW: Ja, es ist dies der Khartoum Airport.
VL: Gibt es einen Hafen im Sudan und wie heißt der?
BW: Ja, es gibt einen solchen, aber ich weiß den Namen nicht.
VL: Wie hat Ihre Schule geheißen in Khartoum?
BW: Meine Schule heißt St. Josephine's Schule. Die Adresse lautet: EL Taharer Street. Ich weiß nicht wo diese Schule in Khartoum liegt, ich kenne den Bezirk nicht.
VL: Können Sie mir die Feiertage vom Sudan nennen?
BW: Für die Moslems gibt es den Fastenmonat Ramadan, dann gibt es noch Weihnachten, Neujahr, Karfreitag und Ostern.
VL: Es gibt spezielle Feiertäge im Sudan, wie beispielsweise Tag der Unabhängigkeit, Tag der Einheit, Tag der Arbeit. Wann sind diese?
BW: Ich kenne diese Feiertäge zwar, aber ich weiß nicht auf welchen Tag sie fallen.
VL: Wieso haben Sie diese nicht zuvor genannt?
BW: Sie haben mich ja nur nach einigen Feiertagen gefragt.
VL: In welche Regionen ist der Sudan unterteilt?
BW: Ich weiß, dass Juba in 4 Regionen unterteilt ist. Die größte dieser Regionen heißt FOS. Ich meine die Stadt Juba ist in 4 Regionen unterteilt.
VL: Wie ist der Sudan selbst unterteilt? Können Sie mir
Distrikte nennen?
BW: Nein, das kann ich nicht.
VL: Was können Sie mir über den Sudan erzählen?
BW: Ich kann nur sagen, dass mein Heimatland ein schönes Land ist, aber leider vom Krieg heimgesucht. Wir haben keine Regierung.
VL: Können Sie mir etwas über die Streitparteien erzählen?
BW: Die Moslems und Christen bekämpfen sich.
VL: Gibt es da Parteibezeichnunge?
BW: Kann ich leider nicht nennen.
Der Asylwerberin wird vorgehalten, dass es nicht glaubwürdig
ist, dass diese aus dem Sudan stammt.
BW: Wieso können Sie behaupten, dass ich nicht aus dem Sudan stamme?
VL: Können Sie mit der Bezeichnung SPLA etwas anfangen?
BW: Nein, mit dieser Bezeichnung kann ich nichts anfangen.
VL: Warum sind sie geflüchtet aus dem Sudan?
BW: Ich möchte nicht töten und in den Krieg ziehen.
VL: Das heißt, Sie sind auf Grund der Bürgerkriegssituation aus dem Sudan geflüchtet?
BW: Ich bin auf Grund meiner persönlichen Situation geflüchtet. Es kamen Leute in unsere Schule, die uns für den Krieg ausbilden und dann in den Kampf schicken wollten.
VL: Was waren dies für Leute?
BW: Sie trugen Zivil und kamen mit einem großen Bus. Ich weiß nicht zu welcher Gruppe diese Leute gehören. Diese Leute sagten uns, sie würden einen Schulausflug mit uns unternehmen. Sie führten uns mit dem Bus zur Stadt WAU, in der Nähe von Khartoum. Wir befanden uns dort bei einem militärischen Ausbildungslager und uns wurde mitgeteilt, dass wir dort ausgebildet würden. Wir sollten 6 Monate lang ausgebildet werden. Ich blieb beinahe 6 Monate dort und dann flüchtete ich.
Der Asylwerberin wird vorgehalten, dass diese dort ihren Aussagen zu Folge 6 Monate war und es deshalb unglaubwürdig erscheint, dass sie nicht wüßte, welche Leute dies waren und zu welcher Partei diese gehörten.
BW: Die Ausbildner in diesem Camp waren Araber in Zivilkleidung, die nur Befehle an uns ausgaben mit denen wir aber nicht sprechen konnten. Wir hatten nicht die Möglichkeit mit ihnen zu sprechen und daher wußten wir auch nicht wer sie sind und woher sie kamen.
VL: Was war dies für ein Training?
BW: Wir mußten in der Früh aufstehen, wir mußten marschieren, üben mit dem Messer zu werfen und zum Schluß zeigten sie uns wie man mit Gewehren umgeht. Sie zeigten uns den Ort, wo wir kämpfen sollten. Es waren lange Gewehre, lange Schusswaffen, aber ich selbst weiß nicht wie man schießt. Wenn ich dort geblieben wäre, hätte man uns die Leute gezeigt, die wir töten hätten sollen. Wir hatten schon fast die gesamte Ausbildung hinter uns, als ich dann flüchtete. Ich flüchtete nach Juba. Ich versteckte mich dort für fast 2 Monate. Nach diesen 2 Monaten kehrte ich nach Yambio zurück. In Juba versteckte ich mich bei Freunden und Bekannten.
VL: Wieso sind Sie nicht in Yambio geblieben?
BW: Yambio ist sehr weit von WAU entfernt. Ich blieb dort 2 Wochen, da mein Vater begraben wurde und ich wurde dort verhaftet.
VL: Wer hat Sie verhaftet?
BW: Ich weiß nicht,wer mich verhaftet hat. Ich wurde nach WAU zurückgebracht und dort wurde ich 9 Monate ins Gefängnis gesteckt. Von WAU begab ich mich nach Assuan und von dort konnte ich endgültig flüchten.
VL: Wie hat das Gefängnis geheißen?
BW: Ich weiß den Namen des Gefängnisses nicht. Es befand sich
in der Nähe des Sumpfgebietes.
VL: Wann wurden Sie verhaftet?
BW: Das Training fand von Mai bis November 1997 statt. Mein
Vater wurde im Dezember 1997 begraben. Ich war Anfang des Jahres
1998 im Gefängnis.
VL: Was ist im Gefängnis passiert?
BW: Ich konnte das Gefängnis mit Hilfe meiner Stiefmutter verlassen und ich fuhr mit meiner Stiefmutter nach Assuan.
VL: Wie sind Sie nach Assuan gelangt?
BW: Wir gelangten mittels Autostop und Fußmärschen nach Assuan.
VL: Können Sie mir Dörfer oder Städte auf dieser Reiseroute nennen?
BW: Nein, das kann ich nicht."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass eine Zurückschiebung, Zurückweisung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Sudan zulässig sei.
In der Begründung dieses Bescheides sprach die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Glaubwürdigkeit mit folgenden Argumenten ab:
"Die Berufungswerberin (Beschwerdeführerin) konnte Fragen zur Währung des Sudan (Fragen nach Geldscheinen, Unterteilung etc.) nicht richtig beantworten, obwohl es sich dabei um Angelegenheiten handelt, die jedem erwachsenen Staatsbürger des Sudan bekannt sein müssten. So gab die Asylwerberin (Beschwerdeführerin) im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, dass es Banknoten zu 5, 10, 20, 50 und 100 sudanesische Pfund gebe, obwohl tatsächlich Banknoten zu 1, 5 und 10 sudanesische Pfund existieren. Weiters konnte die Asylwerberin die Bezeichnungen "Piaster" und "Kurusch" nicht zuordnen. Demnach wusste die Asylwerberin nicht, dass die Unterteilung eines Sudanesischen Pfundes in 100 Piaster bzw. Kurusch erfolgt. Obwohl die Asylwerberin angab, zehn Jahre in die Schule gegangen zu sein, konnte sie einfache Fragen bezüglich ihres Heimatlandes nicht beantworten. So konnte sie keine Berge oder Flüsse des Sudan nennen. Darüber hinaus gab sie zunächst an, dass das Rote Meer ein Fluss sei, schwächte dies aber nach näherer Befragung dahingehend ab, als sie es als ein Gewässer bezeichnete. Weiters konnte die Berufungswerberin den Hafen im Sudan nicht nennen. Überdies war sie auch nicht imstande, mitzuteilen, in welchem Bezirk ihre Schule in Khartum gelegen war, obwohl sie dort von 1988 bis 1997 in die Schule gegangen sein soll. Auch kannte sie spezielle Feiertage im Sudan nicht und konnte sie auch die Distrikte des Sudan nicht nennen. Auf die Frage, was sie über den Sudan erzählen könne, teilte sie lediglich mit, dass ihr Heimatland ein schönes Land sei, aber leider vom Krieg heimgesucht sei und sie keine Regierung hätten. Auch über die politische Situation näher befragt, konnte diese keine detaillierten Angaben machen. So war ihr die Bezeichnung SPLA völlig unbekannt. Zu betonen ist weiters, dass es völlig unglaubwürdig erscheint, dass die Asylwerberin für sechs Monate in einem militärischen Lager ausgebildet worden sein soll und sie diesbezüglich jedoch keine näheren Angaben machen konnte. Vor allem war diese nicht in der Lage, mitzuteilen, zu welcher Gruppe jene Leute, welche in die Schule gekommen seien, um die Schüler für den Krieg auszubilden und anschließend in den Kampf zu schicken, gehört haben."
Zusammenfassend - so die belangte Behörde - ergebe sich, dass die Angaben der Beschwerdeführerin bei der Ersteinvernahme und bei der mündlichen Berufungsverhandlung in mehreren Punkten offenbar nicht den Tatsachen entsprächen und die Beschwerdeführerin gar keine Kenntnis von den betreffenden Gegebenheiten im Sudan habe. Da die Beschwerdeführerin im Übrigen keine urkundlichen Identitätsnachweise habe vorlegen können, sei davon auszugehen, dass sie nicht aus dem Südsudan stamme und keine sudanesische Staatsbürgerin sei. Im Hinblick darauf, dass die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihrer Herkunft offenbar unrichtig seien, erscheine ihr gesamtes Vorbringen als absolut unglaubwürdig. Daraus ergebe sich zwangsläufig, dass der Sudan nicht Verfolgerstaat im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention sein könne und demnach eine asylrelevante Bedrohung seitens der Beschwerdeführerin durch den sudanesischen Staat nicht in Betracht komme.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerin weist in ihrer Beschwerde zutreffend auf den Umstand hin, dass sie vor der belangten Behörde in - nahezu vollständiger - Übereinstimmung mit der entsprechenden Information in dem von der belangten Behörde als Beweismittel herangezogenen "Länderprofil Sudan" (Beilage E, in der von Banknoten zu 25 und 50 Piaster und zu eins, fünf, zehn, 20, 50 und 100 Pfund die Rede ist) die Werte der im Sudan als Zahlungsmittel verwendeten Pfundnoten mit fünf, zehn, 20, 50 und 100 angeben konnte, während die belangte Behörde dem in ihrer Beweiswürdigung als Beleg für die Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin - grob unvollständig - entgegenhielt, es existierten im Sudan "tatsächlich Banknoten zu 1, 5 und 10 sudanesische Pfund", ohne eine andere als die erwähnte Quelle für diese Feststellung zu nennen. Hat die belangte Behörde daraus und aus der mangelhaften Kenntnis der Beschwerdeführerin von spezifisch geografischen Daten und von speziellen Feiertagen sowie aus der Unterlassung "detaillierter Angaben" über die politische Situation im Sudan den Schluss gezogen, das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführerin sei absolut unglaubwürdig, hat sie einerseits außer Acht gelassen, dass unter Berücksichtigung der Lebensumstände im Herkunftsstaat - wozu etwa ein wiederholt unterbrochener Schulbesuch wegen eines Bürgerkrieges gehören kann - fehlenden Kenntnissen mitunter nur bedingte Indizwirkung zukommt (vgl. das Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0232, sowie das Erkenntnis vom 2. Oktober 2001, Zl. 2000/01/0521, wonach bei Anlegung europäischer Maßstäbe auf afrikanische Verhältnisse besondere Vorsicht geboten ist); andererseits hat sich die belangte Behörde nicht damit auseinander gesetzt, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme sehr wohl in der Lage war, mehrere angeblich im Sudan gesprochene Sprachen aufzuzählen, sie in einer offenbar dem Sudan zuordenbaren Sprache (zumindest bis zehn) zählen konnte und den Namen eines Flusses, eines Flughafens und die Adresse ihrer Schule zu nennen vermochte.
Nach dem Gesagten wäre der Kenntnisstand der Beschwerdeführerin - etwa über geografische Gegebenheiten, spezielle Feiertage oder die nähere politische Situation im Sudan -
für die Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit nur dann aufschlussreich, wenn dabei ihr sonstiges Wissen und die Besonderheiten der Situation der Beschwerdeführerin miteinbezogen worden wären.
Ließ die belangte Behörde aber diese Umstände unberücksichtigt und stützte sie ihre Beweiswürdigung isoliert auf mangelndes Wissen der Beschwerdeführerin bzw. aktenwidrig auf ihr unterstellte fehlende Kenntnisse (über die Währung im Sudan), so hält diese Beweiswürdigung der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung nicht stand (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 549 ff, abgedruckte Judikatur). Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, hält man es für wahr, kann wegen ihrer rechtsgrundlosen Internierung bzw. Inhaftierung über längere Zeiträume im Zusammenhang mit der behaupteten Verfolgung von Christen im Sudan auch die Asylrelevanz nicht von vornherein abgesprochen werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 12. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000010376.X00Im RIS seit
27.05.2002