TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/12 2000/01/0216

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Veröffentlicht am 12.03.2002
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs4 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs5 Z3 idF 1998/I/124;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des HG A, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lechner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 27. April 2000, Zl. Ia 370- 756/1999, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. April 2000 wies die Vorarlberger Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 ab. Der Verleihungswerber sei am 31. Juli 1964 in Nigeria geboren und habe seit 29. November 1993 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Seit dem 16. Juli 1993 sei er mit der deutschen Staatsangehörigen Anita Maria Ayodeji verheiratet; dieser Ehe entstammten zwei Kinder. Der Beschwerdeführer habe seine Schulausbildung in Nigeria absolviert und zwei Jahre die Technikerschule in Nigeria besucht. Seit September 1994 sei er bei der Firma Grass in Höchst als Metallarbeiter beschäftigt; vorher sei er sechs Monate bei der Firma Mc Donald's als Hausmeister beschäftigt gewesen.

Mit Bescheid vom 24. November 1997 sei ihm vom Landeshauptmann von Vorarlberg eine Gleichstellung mit Inländern zur Ausübung des Handelsgewerbes, eingeschränkt auf den In- und Export von Maschinen, Holz, Textilwaren und Schuhen, sowie zur Ausübung des Gewerbes Konzertveranstalter mit dem Standort in Höchst erteilt worden.

Umstände, die auf bereits erbrachte oder zu erwartende außerordentliche Leistungen des Beschwerdeführers hinweisen könnten, seien im Verfahren nicht geltend gemacht worden und auch nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer habe für die Verleihung der Staatsbürgerschaft keine als besonders zu berücksichtigende Umstände vorgebracht. Derartige Umstände seien im Verfahren auch nicht hervorgekommen.

Auf Grund des wohl sechs, aber noch nicht zehn Jahre währenden ununterbrochenen Hauptwohnsitzes in Österreich kämen für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 StbG nur die Tatbestände des Abs. 4 Z. 1 und 6 dieser Bestimmung in Betracht; da sich keine Hinweise auf erbrachte oder noch zu erwartende außerordentliche Leistungen ergeben hätten, könnte für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft lediglich der Tatbestand des § 10 Abs. 4 Z. 1 StbG in Frage kommen. Dieser erfordere einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund. Weder bei der Antragstellung noch anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme habe der Beschwerdeführer einen derartigen Grund vorgebracht. Insbesondere habe er nicht den Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration erbracht. Bis September 1994 sei er sechs Monate als Hausmeister angestellt gewesen. Seit September 1994 sei er als angelernter Hilfsarbeiter im Metallgewerbe beschäftigt; er habe keine Lehrausbildung im Metallgewerbe abgeschlossen und sei lediglich als angelernter Hilfsarbeiter beschäftigt. Bei einer angelernten Hilfsarbeitertätigkeit von etwas mehr als fünf Jahren könne nicht von einer nachhaltigen beruflichen Integration gesprochen werden. Andere Umstände, die auf besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinn des § 10 Abs. 4 StbG hinwiesen, lägen nach den Feststellungen nicht vor, sodass eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 StbG ausgeschlossen sei.

Die einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft begründenden Tatbestände der §§ 11a, 12, 13 und 14 StbG setzten unter anderem entweder die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger, einen zumindest 15-jährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich, den ehemaligen, mindestens zehn Jahre dauernden ununterbrochenen Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft, Minderjährigkeit bzw. Staatenlosigkeit voraus. Da keine dieser Voraussetzungen gegeben sei, scheide auch eine Verleihung der Staatsbürgerschaft auf Grund dieser Tatbestände aus.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - unter Absehen von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG - erwogen:

Der Beschwerdeführer tritt den von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht entgegen. Er sieht jedoch im angefochtenen Bescheid eine der gemeinschaftsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung widersprechende Diskriminierung verwirklicht; seine Ehegattin sei als Deutsche EU-Bürgerin. Allein dieser evidente - festgestellte - Umstand hätte die belangte Behörde verpflichtet, von sich aus weitere Feststellungen zu treffen: Die Gattin des Beschwerdeführers lebe seit elf Jahren in Österreich und sei also Wanderarbeitnehmerin aus einem anderen EG-Mitgliedstaat. Zunächst sei sie bei der evangelischen Kirche beschäftigt gewesen, seit neun Jahren sei sie Landeslehrerin. Seit 29. September 1999 stehe sie in einem unbefristeten Dienstverhältnis zum Land Vorarlberg.

Nach § 11a StbG hätte der Beschwerdeführer seit drei Jahren einen Rechtsanspruch auf Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft, wenn seine Gattin Österreicherin wäre. Er hätte auch den Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn seine Gattin mit ihm nach Deutschland zurückkehren würde. Insbesondere hätte er auch den Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn er mit seiner Gattin seit der Eheschließung in Deutschland gelebt hätte. Seine Schlechterstellung resultiere also aus dem Umstand, dass seine Ehegattin als Wanderarbeitnehmerin in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sei, also einen gemeinschaftsrechtlich grenzüberschreitenden Sachverhalt verwirklicht habe. Nach dem Gemeinschaftsrecht sei jede direkte oder indirekte Diskriminierung verboten, die daraus resultiere, dass ein Bürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union als Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedstaat gewandert sei, wobei es gerade versteckte Diskriminierungen hintanhalten wolle. Der Beschwerdeführer werde von der belangten Behörde deswegen schlechter gestellt, weil seine Ehegattin als Wanderarbeitnehmerin nach Österreich gekommen sei und weiter hier wohnen wolle, ohne die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Die wirksame Gewährleistung einer diskriminierungsfreien Wanderungsmöglichkeit zähle zu den zentralen Anliegen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes.

§ 10 Abs. 5 Z. 5 StbG anerkenne die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union als besonders berücksichtigungswürdigen Grund, der bereits nach vier Jahren zur Erteilung der Staatsbürgerschaft führe. Schlage man die Brücke zwischen dem Verbot der direkten und indirekten Diskriminierung von wandernden Arbeitnehmern in der Europäischen Union und der Berücksichtigung der Staatsbürgerschaft der wandernden Arbeitnehmer in Form einer sogar noch weiter verkürzten Erteilungsfrist, sei offenkundig, dass auch die Ehegatten solcher wandernder Arbeitnehmer insofern nicht diskriminiert werden dürften, als sie nicht schlechter gestellt werden dürften, als wenn ihre Ehegattin Inländerin wäre. Es liege somit ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinn des § 10 Abs. 5 StbG vor.

Die belangte Behörde habe es im Anlassfall verabsäumt, die persönlichen Verhältnisse der Ehegattin des Beschwerdeführers festzustellen.

Ungeachtet der Argumentation des Beschwerdeführers erweist sich der angefochtene Bescheid aus folgendem Grund als rechtswidrig:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat;

...

(4) Von der Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 kann abgesehen werden,

1. aus besonders berücksichtigungswürdigem Grund, sofern es sich um einen Minderjährigen, der seit mindestens vier Jahren, oder um einen Fremden handelt, der seit mindestens sechs Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat, es sei denn, es wäre in Abs. 5 hinsichtlich dieser Wohnsitzdauer anderes vorgesehen;

...

(5) Als besonders berücksichtigungswürdiger Grund (Abs. 4 Z. 1) gilt insbesondere

...

3. der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration

..."

Der Beschwerdeführer vermag unstrittig nicht auf einen ununterbrochenen zehnjährigen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet zu verweisen. Im Hinblick darauf erfüllt er nicht das Einbürgerungserfordernis des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG, weshalb - wie schon von der belangten Behörde hervorgehoben - sachverhaltsbezogen eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nur dann in Betracht käme, wenn ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund gemäß § 10 Abs. 4 Z. 1 StbG vorläge. Als ein solcher wird in § 10 Abs. 5 StbG unter anderem der Nachweis "nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration" (Z. 3) genannt. Zum Verständnis dieser mit der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 neu geschaffenen Wendung führen die ErläutRV 1283 BlgNR 20. GP 8 aus:

"Der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration wird dann als erbracht gelten, wenn der Fremde sowohl beschäftigungsrechtlich (zB Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein) als auch fremdenrechtlich (zB unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung) eine bis auf weiteres gesicherte Position in Österreich hat und hier persönlich nachhaltig verankert ist (zB Familie lebt mit dem Fremden in Österreich, Kinder besuchen die Schule usw.)."

Mag auch der Beschwerdeführer in seinem formularmäßig verfassten Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft einzelnen Umständen nicht ausdrücklich ihre Bedeutung für die (von der belangten Behörde vorzunehmende) Beurteilung seiner nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration beigemessen haben, so berechtigte dies die belangte Behörde nicht dazu, von einer Prüfung dieser Umstände schon mangels ausdrücklicher Behauptung Abstand zu nehmen. Sie geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer seit 1993 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Inland habe, seit 1994 (ununterbrochen) einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe (was für das Vorliegen eines Befreiungsscheines spricht; vgl. § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG) und mit seiner deutschen Ehegattin und den zwei gemeinsamen Kindern im Bundesgebiet wohne. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich weiters, dass der Beschwerdeführer über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfügt und dass die beiden Kinder schon in Österreich geboren wurden und hier den Kindergarten besuchen. Davon ausgehend scheinen jedoch die erwähnten Kriterien der zitierten ErläutRV erfüllt, wozu kommt, dass der Beschwerdeführer laut der im Akt erliegenden Auskunft des GP Höchst relativ gut Deutsch spreche und in die "ho. Lebensverhältnisse eingegliedert" sei.

Dadurch, dass sich die belangte Behörde - bedingt durch ihre unrichtige Rechtsansicht, der Beschwerdeführer habe keine besonderen Umstände behauptet - auf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen über die Verhältnisse des Beschwerdeführers beschränkte, jedoch weitere vom Beschwerdeführer in seinem Antrag behauptete und im Zuge des Ermittlungsverfahrens erhobene Umstände, die geeignet sind, die nachhaltige persönliche und berufliche Integration des Beschwerdeführers herzustellen, nicht einer Gesamtbetrachtung zuführte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501; die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 12. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000010216.X00

Im RIS seit

27.05.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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