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E2D Assoziierung Türkei;Norm
61997CJ0340 Ömer Nazli VORAB;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Y, (geboren 1964), vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. Juni 1998, Zl. St 396/97, betreffend 1.) Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I), und
2.) Feststellung gemäß § 75 des Fremdengesetzes (Spruchpunkt II), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes richtet, als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch betreffend die Feststellung gemäß § 75 des Fremdengesetzes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1.1. Unter Spruchpunkt I. des im Instanzenzug ergangenen Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 9. Juni 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer halte sich laut seinen niederschriftlichen Angaben am 15. Oktober 1997 seit dem Jahr 1988 in Österreich auf. In dieser Niederschrift sei dem Beschwerdeführer vorgehalten worden, dass er mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 15. November 1996 (rechtskräftig seit 29. Juli 1997) wegen der §§ 169 Abs. 1, 12, 278a Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren, davon 16 Monate bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden wäre. Der Beschwerdeführer habe sich gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ausgesprochen, weil dieses in unzulässiger Weise in sein Privat- und Familienleben eingreifen würde. Er würde über eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung verfügen, seine Ehefrau wäre seit 1978 in Österreich aufhältig. Sie hätten ein Kind im Alter von sechs Jahren. Auf Grund seines jahrelangen Aufenthaltes im Bundesgebiet wäre er hier voll integriert und hätte keinerlei Bindungen zur Türkei. Er hätte unverzüglich nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft eine Arbeitstätigkeit aufgenommen und zunächst für ein näher genanntes Unternehmen gearbeitet. Seit 15. September 1997 wäre er bei einem anderen (ebenfalls genannten) Unternehmen beschäftigt. Auch seine Ehefrau wäre berufstätig. Seit seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft hätte er seine Kontakte zu seinen politischen Gesinnungsgenossen zur Gänze aufgegeben und würde sich in keiner Weise politisch betätigen. Er wäre gewillt, sich in Zukunft wohl zu verhalten und keine weiteren Straftaten zu begehen. Er hätte auf das Assoziationsabkommen zwischen der EWG und der Türkei und auf seinen Feststellungsantrag verwiesen, den er insofern ergänzt hätte, als er ausgeführt hätte, dass seine Straftaten politisch motiviert gewesen wären und im Gegensatz zur offiziellen türkischen Regierungsmeinung gestanden hätten. Dies insbesondere deshalb, weil er öffentlich gegen die Vorgangsweise der türkischen Behörden gegen die Kurden und die von der Türkei begangenen Menschenrechtsverletzungen gegen Kurden und politische Gefangene aufgetreten wäre. In den türkischen Medien (insbesondere in den türkischen Tageszeitungen) wäre über den gegenständlichen Strafprozess berichtet worden. Es wäre damit zu rechnen, dass er im Fall seiner Abschiebung in die Türkei unverzüglich verhaftet würde und eine schwere Strafe zu befürchten hätte. Angesichts der Vorgangsweise der türkischen Behörden gegen politisch Inhaftierte wäre auch damit zu rechnen, dass er in der Haft gefoltert bzw. unmenschlich behandelt würde. Zum Beweis des Vorbringens habe der Beschwerdeführer die Einholung einer Stellungnahme des Wiener Büros des UNHCR beantragt. In seinem Antrag vom 15. November 1996 habe der Beschwerdeführer darüber hinaus noch auf seine Aussage im Strafverfahren vor dem Landesgericht Wels verwiesen und die Einholung eines Länderberichts über die Türkei beantragt. In seiner Berufungsschrift vom 24. November 1997 habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und auf § 19 bzw. § 20 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, hingewiesen und ausgeführt, dass er sich bereits seit zehn Jahren in Österreich aufhalten würde. Mit Schriftsatz vom 25. November 1997 habe der Beschwerdeführer verschiedene Zeitungsartikel vorgelegt, die sich im Wesentlichen mit den Vorfällen in Istanbul ("z.B. 'Blutige Jagd auf Aleviten'") befassten.
In Anbetracht der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG zweifellos als erfüllt zu betrachten. Dies werde von diesem nicht bestritten. Er verweise lediglich auf § 37 FrG. Zweifellos werde durch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in beträchtlicher Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers insofern eingegriffen, als er sich bereits seit ca. zehn Jahren im Bundesgebiet aufhalte, hier zumindest großteils einer geregelten Tätigkeit nachgegangen sei, und sich hier auch mit seiner Familie aufhalte. Diesbezüglich müsse dem Beschwerdeführer auch eine der Dauer dieses Aufenthalts entsprechende Integration zugebilligt werden. Dieser schon fortgeschrittenen Integration sei jedoch die oben angeführte gravierende Verurteilung durch das Landesgericht Wels entgegen zu halten. Er sei wegen zweier der gröbsten Verbrechen (Verbrechen der Brandstiftung und Beteiligung an einer kriminellen Organisation), welche das Strafgesetzbuch kenne, rechtskräftig verurteilt worden. Schon die vom Gericht verhängte - teilweise unbedingte - Freiheitsstrafe mache in unverkennbarer Weise deutlich, dass der Unwert der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers vom Gericht als enorm hoch eingestuft worden sei. Schon das Verbrechen der Brandstiftung sei mit einer überaus hohen Gefahr für Leib und Leben anderer (auch Unbeteiligter) verbunden, weshalb schon aus dieser Sicht gegen jeden vorzugehen sei, der in welcher Weise auch immer zur Begehung dieses Verbrechens beitrage. Im Speziellen werde jedoch die Beteiligung des Beschwerdeführers an einer kriminellen Organisation zu bewerten sein. Derartige Verbrechen hätten in letzter Zeit zugenommen, was nicht zuletzt auch der Grund für die Aufnahme dieses Tatbestands in das Strafgesetzbuch gewesen sei. Es bedürfe keiner weiteren Erklärung, dass von derartigen Organisationen größte Gefahr nicht nur für Leib und Leben von Personen ausgingen, sondern auch "bis hin zur Unterminierung eines Gesellschafts- bzw. Staatsgefüges". Im Licht dieser Tatsache bedürfe es deshalb keiner näheren Erklärung, dass gegen jeden vorgegangen werden müsse, der sich in irgendeiner Weise an derartigen Organisationen beteilige. Wie aus dem im Akt befindlichen Urteil des Oberlandesgerichtes Linz hervorgehe, sei der Beschwerdeführer über einen Zeitraum von drei Jahren an dieser kriminellen Organisation beteiligt gewesen, man könne deshalb nicht mehr bloß davon sprechen, dass er nur am Rand in dieser Organisation verflechtet gewesen sei. Auch gehe aus dem Urteil hervor, dass der Beschwerdeführer Brandstiftungen unter Verwendung von Molotow-Cocktails begangen hätte, welche wohl zu den gefährlichsten Brandsätzen überhaupt zählten.
Aus oben angeführten Tatsachen sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 leg. cit. dringend geboten. Da - unter Abwägung aller angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Daran vermöge auch sein Hinweis auf seine geregelte Beschäftigung, seine Ehefrau bzw. sein Kind nichts zu ändern. Ebenso wenig sein Hinweis, wonach er sich in Zukunft wohlverhalten werde, zumal es sich bei seinen Straftaten nicht um eine einzelne geringfügige Übertretung gehandelt habe, sondern um Verbrechen, die er über einen Zeitraum von fast drei Jahren begangen habe. Insofern werde auch der Zeitraum, in dem er sich wieder wohlverhalten habe, zu relativieren sein. Dies umso mehr, als er einen Teil davon sogar in Haft verbracht habe. Von der vom Beschwerdeführer angebotenen zeugenschaftlichen Einvernahme "(Ehegattin)" habe insofern Abstand genommen werden können, als von einem maßgeblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ausgegangen worden sei. Die Bestimmung des § 35 Abs. 2 bzw. Abs. 3 FrG habe nicht zur Beurteilung herangezogen werden können, weil sich der Beschwerdeführer "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts" weder acht Jahre noch bereits zehn Jahre im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dies insofern, als der maßgebliche Sachverhalt vom Beschwerdeführer im Zeitraum von 1993 bis 1996 gesetzt worden sei. Vor Verwirklichung dieses maßgeblichen Sachverhalts habe sich der Beschwerdeführer erst ca. fünf Jahre im Bundesgebiet aufgehalten.
Da auf Grund der Schwere seiner Verbrechen nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, wiederum wegfallen würden, habe das Aufenthaltsverbot nur unbefristet erlassen werden können.
1.2. Unter Spruchpunkt II. des genannten Bescheides hat die belangte Behörde gemäß § 75 FrG festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in der Türkei gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht sei.
Diesbezüglich hält die belangte Behörde fest, dass die Erstbehörde in der Begründung ihres Bescheides vom 5. November 1997 die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst habe. Die belangte Behörde schließe sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an und erhebe sie zum Inhalt des vorliegenden Bescheides.
Zusammenfassend sei bezüglich des Feststellungsantrages des Beschwerdeführers auszuführen, dass er befürchten würde, auf Grund der im Bundesgebiet gesetzten - von ihm als politisch qualifizierten - strafbaren Handlungen in seinem Heimatstaat im Sinn des § 37 (richtig: § 57) Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG verfolgt zu werden. Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, dass er befürchten würde, auf Grund dieser Tatsachen in seinem Heimatland bedroht zu werden, weil in den "Pressemedien" von diesen Vorfällen berichtet worden wäre. Es wäre auch damit zu rechnen, dass er in der Haft gefoltert bzw. unmenschlich behandelt werden würde. Dies stelle jedoch eine reine Vermutung des Beschwerdeführers dar, zumal er in keiner Weise glaubhaft und untermauert durch entsprechende Bescheinigungsmittel dargestellt habe, dass dies der Fall sein könnte. Diese Angaben würden schon deshalb als unglaubwürdig zu qualifizieren sein, weil die Erstbehörde in treffender Weise darauf hingewiesen habe, dass dem Beschwerdeführer nach der Begehung seiner strafbaren Handlungen bzw. nach der Hauptverhandlung, also zu einem Zeitpunkt, zu dem in seinem Heimatstaat nach seinen eigenen Angaben bereits über diese strafbaren Handlungen berichtet worden sei, von diesem Heimatstaat ein Reisepass ohne Probleme ausgestellt worden sei. Nun schließe zwar die Ausstellung eines Reisepasses durch den Heimatstaat die Möglichkeit der Verfolgung des Beschwerdeführers nicht zwangsläufig aus, es wäre jedoch seitens seines Heimatstaates widersinnig und unverständlich, den Beschwerdeführer einerseits zu verfolgen bzw. zu versuchen, seiner Person wegen der von ihm begangenen politischen und gegen seinen Heimatstaat gerichteten Aktivitäten habhaft zu werden, und ihm andererseits ein Reisedokument auszustellen und ihm so die Möglichkeit zu geben, sich weiterhin in alle Länder der Welt absetzen zu können, um von dort aus neue Aktivitäten gegen seinen Heimatstaat starten zu können. Der Ausstellung eines Reisepasses an den Beschwerdeführer nach den "wesentlichen Vorfällen" werde von der belangten Behörde deshalb große Bedeutung beigemessen bzw. daraus geschlossen, dass er nicht in der von ihm dargestellten Form in seinem Heimatstaat gefährdet/bedroht sei. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Zeitungsberichte spiegelten lediglich eine - nicht gut zu heißende - historische Berichterstattung über die Vorfälle in seinem Heimatstaat wider und ließen keinesfalls eine aktuelle, konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung/Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG erkennen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zur Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides):
1. In der Beschwerde bleibt die auf dem Boden der unstrittigen gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens der Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach § 278a Abs. 1 zweiter Fall StGB und des Verbrechens der Brandstiftung gemäß § 169 Abs. 1 StGB, teils begangen als Beteiligter nach § 12 dritter Fall leg. cit., zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wovon ein Teil von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, unbedenkliche Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (hier: zweiter Fall) FrG erfüllt sei, unbekämpft. Weiters gleicht der vorliegende Beschwerdefall bezüglich der Beurteilung des Gerechtfertigtseins der Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG sowohl hinsichtlich des Sachverhalts als auch in Anbetracht der zu lösenden Rechtsfragen dem dem hg. Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 98/18/0237, zu Grunde liegenden, einen Mittäter des Beschwerdeführers betreffenden Fall. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in diesem Erkenntnis verwiesen. Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen erweisen sich auch vorliegend die Hinweise des Beschwerdeführers auf die Regelungen des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei aus dem Jahr 1963 und den darauf gestützten Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 sowie auf Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern als nicht zielführend, weshalb die angeregte Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG zur Auslegung des Art. 3 der genannten Richtlinie entbehrlich erscheint.
2. Die Ansicht der belangten Behörde, die Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes sei gemäß § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten, und gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. wögen die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von seiner Erlassung (wesentlich) schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, erweist sich aus den hiezu in dem schon genannten Erkenntnis Zl. 98/18/0237 angestellten Erwägungen - auch hier gleicht der diesem Erkenntnis zu Grunde liegende Fall in sachverhaltsmäßiger und rechtlicher Hinsicht dem vorliegenden Beschwerdefall - nicht als rechtswidrig, weshalb auch diesbezüglich gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das zitierte Erkenntnis verwiesen wird.
3.1. Nach Auffassung der Beschwerde hat die belangte Behörde die Regelung des § 35 Abs. 2 und 3 FrG falsch angewendet. Es könne sehr wohl davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalt bereits acht Jahre im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei, der maßgebliche Sachverhalt sei nämlich nicht, wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt, im Zeitraum 1993 bis 1996 gesetzt worden.
3.2. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder Z. 2 leg. cit. wegen des maßgeblichen Sachverhalts unzulässig wäre. Eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 und 2 FrG ist (ua) in den Fällen des § 35 FrG unzulässig. Dessen Abs. 2 und 3 haben folgenden Wortlaut:
"(2) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
(3) Hat der in Abs. 2 genannte Zeitraum bereits zehn Jahre gedauert, so dürfen Fremde wegen Wirksamwerdens eines Versagungsgrundes nicht mehr ausgewiesen werden, es sei denn, sie wären von einem inländischen Gericht
1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei oder gemäß der §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes - SMG, oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder
2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten
rechtskräftig verurteilt worden."
Nach der hg. Rechtsprechung ist unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 98/18/0278, mwH). Aus dem genannten (unbestritten) rechtskräftigen - und damit für die belangte Behörde insofern bindenden (vgl. wiederum das schon zitierte hg. Erkenntnis Zl. 98/18/0237) - Urteil des Landesgerichts Wels ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ab dem 1. Oktober 1993 bis zumindest 12. März 1996 - somit für einen längeren Zeitraum - als Mitglied an einer Organisation, deren Zweck oder Tätigkeit sich (wenn auch nicht ausschließlich) auf die fortgesetzte Begehung im § 278a Abs. 1 StGB (idF vor dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 762/1996) genannter strafbarer Handlungen, und zwar erheblicher Gewalttaten gegen Leib und Leben, Erpressungen und gemeingefährlicher Handlungen nach § 169 StGB richtete, beteiligt war (vgl. dazu den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 18. Juni 1997, 13 Os 68/97-10, Blatt 117 ff (119) der vorgelegten Verwaltungsakten). Zu Beginn dieses von der belangten Behörde bei ihrer Beurteilung nach § 36 Abs. 1 FrG (zulässigerweise) herangezogenen Fehlverhaltens hatte der nach seinen eigenen Angaben (vgl. oben I.1.) im Jahr 1988 beginnende Aufenthalt des Beschwerdeführers aber weder eine Dauer von acht noch von zehn Jahren erreicht, weshalb auch der in Rede stehende Beschwerdeeinwand fehlgeht.
4. Da sich die Beschwerde somit bezüglich des unter Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes als unbegründet erweist, war sie insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
B. Zur Feststellung gemäß § 75 FrG (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der im § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 21. Mai 2001, Zl. 98/18/0269, mwH.)
2. In seiner Berufung vom 24. November 1997 (vgl. Blatt 189 ff (192 f) der Verwaltungsakten) gegen den mit 27. Oktober 1997 datierten Erstbescheid bringt der Beschwerdeführer u.a. vor, dass seine Verurteilung durch das "Landesgericht Linz zu 8 Vr 326/96" (richtig: durch das Landesgericht Wels zu 13 Vr 326/96, 13 Hv 29/96) einen politischen Hintergrund habe. Er sei wegen seiner Mitgliedschaft zur "Dev-Sol" verurteilt worden, einer linksgerichteten politischen Partei, welche in der Türkei verboten sei. Der Beschwerdeführer habe durch die "gegenständlichen Aktionen" offen gegen das türkische Regime Stellung genommen und auf die Menschenrechtsverletzungen durch dieses Regime aufmerksam gemacht. Es sei daher damit zu rechnen, dass er für den Fall der Rückkehr in seine Heimat sofort verhaftet und zu einer mindestens 15-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt würde. Angesichts der tatsächlichen politischen Verhältnisse in der Türkei drohe ihm die Folter sowie unmenschliche und erniedrigende Behandlung in der Haft, gegebenenfalls die Tötung durch staatliche türkische Organe noch vor Einleitung eines ordentlichen gerichtlichen Verfahrens. Es handle sich hiebei nicht um eine bloße Vermutung, sondern um Fakten, die sich aus der politischen Realität und aus den tatsächlich vorliegenden amtsbekannten Menschenrechtsverletzungen in der Türkei ergeben würden. Dass es sich bei den Befürchtungen des Beschwerdeführers nicht bloß um unbegründete Vermutungen handle, ergebe sich daraus, dass über den Verlauf des "beim LG Wels" anhängigen Prozesses in der türkischen Zeitung "Cumhuried" berichtet worden sei. Weiters zeige sich die Richtigkeit dieses Vorbringens auch am folgenden Vorfall: Die Ehefrau des in Wels ebenfalls verurteilten (schon angesprochenen, vgl. oben II.A.1.) Mittäters des Beschwerdeführers sei im Juli 1997 in die Türkei gereist. Bei der Grenzkontrolle am Flughaften Antalya sei diese von den Polizisten aufgehalten und intensiv über den Aufenthalt ihres Ehemannes befragt worden. Den Ausführungen der Polizeibeamten sei unzweifelhaft zu entnehmen gewesen, dass dieser wegen seiner politischen Aktivitäten in Österreich auf den Fahndungslisten der türkischen Behörden stehe und man daher massives Interesse habe, seiner habhaft zu werden. Da die Situation des Genannten mit der Situation des Beschwerdeführers "vollinhaltlich vergleichbar" sei, drohe dem Beschwerdeführer tatsächlich politische Verfolgung in der Türkei.
3. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, dieses (eine reine Vermutung darstellende) Vorbringen sei schon deshalb als unglaubwürdig anzusehen, weil dem Beschwerdeführer zu einem Zeitpunkt, als nach seinen Angaben in seinem Heimatstaat über seine strafbaren Handlungen bereits berichtet worden sei, von diesem Staat ein Reisepass ausgestellt worden sei, erweist sich als nicht schlüssig.
Nach den Feststellungen des genannten in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegenden Urteils des Landesgerichtes Wels hat der Beschwerdeführer der Organisation "DHKP-C" angehört. Diese auch mit "Dev-SOL" bezeichnete Organisation führe seit zumindest 16 Jahren einen bewaffneten Kampf für ihre revolutionären Ziele; dazu zähle die Befreiung des kurdischen Volkes sowie überhaupt der in der Türkei und Kurdistan lebenden türkischen und kurdischen Nation, der Werktätigen aller Nationalitäten, Araber, Tscherkessen, Lazen, Georgier usw. durch Zerstörung des türkischen Staates mit Waffengewalt. Hiefür werde ein Guerillakampf unter der Leitung der Kriegskraft der "DHKP-C", der "DHK-C (= Revolutionäre Volksbefreiungsfront)" geführt. Eine Trennung zwischen den drei genannten Organisationen bestünde nicht. "Dev-Sol" führen einen "Guerillakampf" gegen den türkischen Staat. Das "Kampfgebiet" umfasse das gesamte Gebiet der Türkei und Kurdistans, es bestehe jedoch auch eine "Hinterfront", u.a. in Europa. So sei auch in Österreich die "Dev-Sol" bzw. die "DHKP-C" sowie die "DHK-C" existent und aktiv, wobei auch hier im Rahmen der Organisation laufend erhebliche Gewalttaten gegen Leib und Leben, Erpressungen und gemeingefährliche Handlungen nach § 169 StGB durchgeführt würden. Die extreme Gewaltbereitschaft der Organisation zeige sich darin, dass sie sich "im heurigen Jahr" (das war 1996) in der Türkei zu 60 Polizistenmorden bekannt habe, und sie sich weiters dazu bekenne, bis heute 900 Personen "bestraft" zu haben. Auch in Österreich seien zahlreiche der schweren Kriminalität zuzuordnende strafbare Handlungen im Rahmen der Organisation begangen worden. Auf Grund der Identifikation der Grauen Wölfe mit der Staatsmacht der Türkei und der Vorfälle in einem näher genannten türkischen Gefängnis in Istanbul, bei welchem mehrere Gefangene getötet worden seien, habe u.a. der Beschwerdeführer den Entschluss gefasst, eine Racheaktion gegen die Grauen Wölfe in Form zweier (weiterer) Brandanschläge durchzuführen.
Der belangten Behörde lagen demnach in den Verwaltungsakten gewichtige Hinweise für eine Mitgliedschaft des Beschwerdeführers zu einer auch in dessen Heimatstaat Gewalttaten setzenden, politisch motivierten Organisation vor. Bei dieser Sachlage reicht die Ausstellung eines Reisepasses durch türkische Behörden nach der Hauptverhandlung in dem zu dem besagten Urteil des Landesgerichts Wels führenden gerichtlichen Strafverfahren für sich allein nicht aus, eine aktuelle gegen den Beschwerdeführer gerichtete Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 auszuschließen, zumal auch eine wegen (bloß) relativ politischer Delikte drohende Verfolgung (Bedrohung des Lebens oder der Freiheit) eine Verfolgung aus Gründen der politischen Ansichten darstellen kann (vgl. das zu § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes BGBl. Nr. 838/1992 ergangene, aber auch hier einschlägige hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1998, Zl. 96/18/0578).
Von daher hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid aus dem Blickwinkel der diesbezüglich dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrolle (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) mit einem Verfahrensmangel belastet, dem Relevanz zukommt, weil nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die Behörde bei Unterbleiben dieses Mangels zu einem anderen, für den Beschwerdeführer - der bei einer Rückkehr in sein Heimatland befürchtet, verhaftet und misshandelt, allenfalls getötet zu werden - günstigen Ergebnis gelangt wäre.
4. Der angefochtene Bescheid war sohin in seinem Ausspruch betreffend die Feststellung gemäß § 75 (Spruchpunkt II) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
C. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 leg. cit., iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 12. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998180207.X00Im RIS seit
27.05.2002Zuletzt aktualisiert am
11.11.2011