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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §10 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des am 8. Juli 1971 geborenen B in M, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Adalbert Stifter-Straße 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 5. Juli 2000, Zl. St 022/00, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 17. September 1999 bei der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner Ehegattin, einer österreichischen Staatsbürgerin.
Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 5. Juli 2000 gemäß § 49 Abs. 1 und § 47 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst die Sachverhaltsfeststellungen der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis, wieder, derzufolge der Beschwerdeführer nach Einreise im Jahr 1992 unter Umgehung der Grenzkontrolle bis zur rechtskräftigen Abweisung eines von ihm gestellten Asylantrages durch eine gerichtliche Verurteilung vom 30. August 1993 wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB sowie durch insgesamt sechs Verwaltungsübertretungenn "negativ in Erscheinung getreten" sei, danach im Jahr 1996 zweimal verwaltungsbehördlich wegen rechtswidrigen Aufenthaltes bestraft worden sei und im Jahr 1998 insgesamt zweimal unter Umgehung der Grenzkontrolle erneut in das Bundesgebiet eingereist sei. Während des neuerlichen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei der Beschwerdeführer insofern "negativ in Erscheinung getreten", als er mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 6. April 1999 (Abweisung der Berufung durch das OLG Linz am 27. September 1999) wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB und des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z. 1 StGB zu vier Monaten Freiheitsstrafe, bedingt nachgesehen auf einen Probezeitraum von vier Monaten (richtig laut Aktenlage: drei Jahren), verurteilt worden sei. Dem Beschwerdeführer sei dabei zur Last gelegt worden, dass er am 11. Jänner 1999 in einem Lokal in Ried im Innkreis einen Dritten durch die Äußerung, er werde ihn umbringen, mit dem Tode gefährlich bedroht und ihn in Furcht und Unruhe versetzt habe. Eine weitere Person habe er durch die Äußerung, er werde sie "abstechen", sollte diese wegen der Bedrohung des Dritten die Gendarmerie rufen, durch die Drohung mit dem Tode dazu genötigt, von dem geplanten Telefonat mit der Gendarmerie Abstand zu nehmen. Schließlich sei der Beschwerdeführer am 3. Mai 1999 um 14.37 Uhr auf einer Baustelle in Ried im Innkreis bei der Ausübung einer "illegalen Beschäftigung" nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz als Bauhelfer auf frischer Tat betreten worden. Am 13. August 1999 habe er vor dem Standesamt Ried im Innkreis eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet.
Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde in Übernahme der Feststellungen der Erstbehörde aus, aus deren sehr umfänglichen Ausführungen sei zweifelsfrei zu erkennen, dass die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an den Beschwerdeführer die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Bundesgebiet gefährden würde. Schon die Erstbehörde habe das regelmäßige strafbare Verhalten des Beschwerdeführers im Inland hervorgehoben und ausgeführt, dass dieser bereits zum dritten Mal "illegal" nach Österreich eingereist sei. Bereits die Erstbehörde habe das persönliche und familiäre Vorliegen des Beschwerdeführers dargestellt. Sie habe aber in unmissverständlicher Weise zum Ausdruck gebracht, dass in Anbetracht des nicht unbeträchtlichen Gesamtfehlverhaltens den öffentlichen Interessen an der Versagung eines Erstaufenthaltstitels der Vorzug zu geben sei. Diesen Ausführungen könne sich die belangte Behörde lediglich anschließen. Der Beschwerdeführer habe die Ausführungen der Erstbehörde, insbesondere zu seinem Gesamtfehlverhalten, nicht bestritten, sondern lediglich ausgeführt, dass getilgte Verurteilungen nicht mehr zu berücksichtigen seien. Diesbezüglich sei aber darauf hinzuweisen, dass das diesen Verurteilungen zu Grunde liegende Fehlverhalten sehr wohl berücksichtigt werden könne bzw. müsse. Es sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit zahlreiche strafbare Handlungen begangen habe. Zweifellos habe sich der Beschwerdeführer durch "ständige Straftaten in gerichtlicher und verwaltungsrechtlicher Hinsicht immer wieder als Mensch erwiesen, dem die Normen und Regeln in diesem Bundesgebiet eigentlich egal seien". Der Schluss aus einem derartigen Verhalten sei zweifelsohne die Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Fall der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Durch die Nichterteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung werde zwar in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens eingegriffen, doch scheine dies im Interesse der öffentlichen Ordnung, und nicht nur im Interesse des Fremdenwesens, notwendig. Überdies sei zu beachten, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zu einer Zeit eingegangen sei, als er in keiner Weise zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei, sodass er nicht damit habe rechnen können, dass ihm in Zukunft der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet werde. Die schutzwürdigen Interessen seines Familienlebens müssten demgemäß hinter den angeführten öffentlichen Interessen zurückstehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 (auszugsweise):
"§ 8. (1) Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12).
...
§ 10.
...
(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn
...
3. Der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
...
§ 47.
...
(2) Sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind, genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. ... .
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:
1. Ehegatten;
...
§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nichts anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. ..."
Der Beschwerdeführer ist begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 47 Abs. 3 Z. 1 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 FrG 1997. Der dieser Personengruppe gemäß § 47 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 FrG 1997 eingeräumte Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung setzt voraus, dass der Aufenthalt solcher Personen nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Durch § 49 Abs. 1 FrG 1997 soll - von geringfügigen Modifikationen abgesehen - die Rechtsstellung von Angehörigen von Österreichern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, jener von Angehörigen von EWR-Bürgern, die ihrerseits ebenfalls Staatsangehörige eines Drittstaates sind, angeglichen werden. Offenbar wollte der Gesetzgeber des Fremdengesetzes 1997 damit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1997, Slg. Nr. 14863, Rechnung tragen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2000, Zl. 99/19/0125).
Bei der Auslegung der unbestimmten Gesetzesbegriffe "wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet" in dem im § 49 Abs. 1 FrG 1997 verwiesenen § 47 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ist auf das Verständnis des Begriffes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Art. 39 EG (ex Art. 48 EGV) Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2000, Zl. 99/19/0234). Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG ist bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend.
Nach der diesbezüglich ergangenen Judikatur (vgl. die Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, Bouchereau, vom 19. Jänner 1999, Rs C 348/96, Calfa, und vom 10. Februar 2000, Rs C 340/97, Nazli) kann aber das bloß tatbildmäßige Verhalten eines Fremden auch im Verständnis des Europarechts im Einzelfall die Beurteilung rechtfertigen, sein weiterer Aufenthalt werde die öffentliche Sicherheit gefährden. Freilich dürfen Änderungen in den Lebensumständen des Fremden, die gegen den Fortbestand einer solchen Gefährdungsprognose sprechen, bei einer solchen Beurteilung nicht ausgeklammert werden.
Eine derartige Prognose hat die belangte Behörde auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers seit 1992, insbesondere aber im Hinblick auf seine nach einer unrechtmäßigen Wiedereinreise in das Bundesgebiet erfolgte Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen am 11. Jänner 1999, getroffen. Der Beschwerdeführer ist diesen Feststellungen in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Zwar trifft es zu, dass das von der belangten Behörde verwertete Fehlverhalten des Beschwerdeführers während seines anhängigen Asylverfahrens bzw. zwischen 1994 und 1996 im Hinblick auf die bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vergangene Zeit für sich nicht mehr geeignet ist, die Prognose zu tragen, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Fall der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung werde die Ordnung oder Sicherheit gefährden. Der Beschwerdeführer übersieht aber, dass die von der belangten Behörde getroffene Gefährdungsprognose schon auf Grund des von ihm nicht bestrittenen, der letzten gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens, nämlich des Bedrohens eines Dritten mit dem Tode sowie der schweren Nötigung einer weiteren Person durch Drohung mit dem Tod, gerechtfertigt ist (zur Relevanz von gefährlichen Drohungen bzw. Nötigungen vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Juni 1996, Zl. 96/19/0899, und vom 4. Februar 2000, Zl. 99/19/0075). Die seit der letzten Tathandlung (11. Jänner 1999) bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides vergangene Zeit von ca. 1 1/2 Jahren ist noch zu kurz, um, auch im Zusammenhang mit der Eheschließung des Beschwerdeführers, zu einem anderen Ergebnis gelangen zu können. Besondere Lebensumstände, die gegen den Fortbestand der Gefährdungsprognose sprechen, hat auch der Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens und in der Beschwerde nicht vorgebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof kann daher der Annahme der belangten Behörde, im Fall des Beschwerdeführers sei eine Gefährdungsprognose noch gerechtfertigt, im Ergebnis nicht entgegentreten. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, lagen im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des im § 49 Abs. 1 FrG 1997 verwiesenen § 47 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 ("Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch den Aufenthalt des Antragstellers") und damit ein Versagungsgrund nach § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG 1997 vor.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 97/19/0651, mit näherer Begründung ausgeführt hat, ist der Ausdruck "kann" im § 10 Abs. 2 FrG 1997 dahin gehend zu verstehen, dass die Behörde bei Anwendung eines der dort angeführten Versagungsgründe zu prüfen hat, ob ein durch diese Anwendung erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht des Antragstellers durch die im Art. 6 Abs. 2 EMRK genannten Gründe gerechtfertigt ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 96/19/3206) unter Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR ausgesprochen hat, genießt das Familienleben eines Fremden mit österreichischen Staatsangehörigen einen erhöhten Schutz. Die dafür erforderliche Voraussetzung, dass die familiären Beziehungen zu einem Zeitpunkt begründet wurden, als der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war und mit der Erteilung weiterer Bewilligungen rechnen durfte, ist im Fall des Beschwerdeführers nicht gegeben, weil er unbestritten noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hatte. Dass er aus seiner subjektiven Sicht im Zeitpunkt der Eheschließung vermeinte, auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels hoffen zu können, weil ein Asylbescheid nach § 4 des Asylgesetzes 1997 vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden war, vermag daran nichts zu ändern. Es kann im Beschwerdefall auch dahingestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Eheschließung auf Grund der "Vertriebenen-Verordnung" der Bundesregierung für Vertriebene aus dem Kosovo, BGBl. II Nr. 133/1999, nach deren § 4 ein Aufenthaltsrecht bis zum 31. Dezember 1999 zugekommen wäre. Die erwähnte, auf § 29 FrG 1997 gestützte, Verordnung erlaubte nämlich nicht die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 2 Z. 3 bzw. § 47 Abs. 2 erster Satz FrG 1997.
Unter Berücksichtigung der Schwere des dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Fehlverhaltens und der relativ kurzen seither vergangenen Zeit und der nach dem bisher Gesagten aufrechten Gefahr für die öffentliche Sicherheit wäre ein Eingriff in eine allenfalls durch Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition des Beschwerdeführers auf Einwanderung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehegattin vorliegendenfalls im Interesse der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gerechtfertigt.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 13. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002120033.X00Im RIS seit
03.06.2002