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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des G in P, vertreten durch Mag. Dr. Hannes Hausbauer, Rechtsanwalt in 8212 Pischelsdorf, Hartberger Straße 331, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. März 2001, Zl. 6235/236- II/4/00, betreffend Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand als Gendarmeriebeamter in einem provisorischen Dienstverhältnis zum Bund und war der Schulungsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark zur Grundausbildung für Wachebeamte zugewiesen.
Gegen den Beschwerdeführer (in der Wiedergabe der Anzeige als G bezeichnet) wurde am 13. Juli 2000 seitens der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark eine Strafanzeige erstattet, welche folgende Punkte umfasste:
"Punkt 1
Ende Februar 2000 stellte B den G, in P, K 23, Bezirk W, wegen geglaubter Untreue zur Rede. G schlug nach Angaben der B mit der geballten Faust auf sie ein und verletzte sie dabei im Gesicht, an den Armen und am Oberkörper. Während dieser Auseinandersetzung soll G mit seinem Kopf gegen den der B gestoßen und ihren Kopf derartig stark 'durchgeschüttelt' haben, dass sie über mehrere Tage hinweg Schwindelgefühle verspürte. Punkt 2
In der Nacht zum 12.6.2000, kam es zwischen G und B, im Zuge einer Wanderung mit anschließendem Zelten, im Bereich der S, Bezirk W, zu einer wörtlichen Auseinandersetzung. Im Zuge dieser Streitigkeiten soll G der B mit der dienstlich zugeteilten Metalltaschenlampe auf den Kopf geschlagen haben. Weiters soll er sie im Zelt wieder so stark 'durchgeschüttelt' haben, dass ihr Kopf mehrfach am Boden aufschlug und sie im Bereich des Kopfes und des Genickes Hämatome und Hautverfärbungen erlitt.
Punkt 3
In der Nacht zum 7. Juli 2000 kam es zwischen G und B wiederum zu einem Streit, weil B ihn wegen seines Verhaltens, einer anderen Frau gegenüber, zur Rede stellte. Während dieser Auseinandersetzung im Landesgendarmeriekommando für Steiermark, Schulungsabteilung, Bezirk Graz-Stadt, versuchte G die B aus seinem Zimmer zu drängen. Dabei dürfte er sie im Bereich des Unterkörpers und der Oberschenkel getreten und anschließend, nachdem sie zu Sturz gekommen war, am Boden liegend nochmals attackiert haben. Durch diese Misshandlungen wurde B am Rücken, am Oberarm und am Oberschenkel verletzt.
Am 8.7.2000, im Elternhaus des G, in P, K 23, Bezirk W, stieß G der B angeblich mit dem Ellenbogen heftig gegen ihre Brust und schlug ihr mit einer Fernbedienung gegen den Kopf. Weiters gab sie an, dass sie von G wieder durchgeschüttelt wurde. Verletzt wurde sie am diesem Tag aber nicht.
Punkt 4
Bereits nach den ersten Misshandlungen soll G der B mit den Worten: 'Wenn du mich anzeigst, sage es gleich, weil dann schlage ich dich krankenhausreif, damit es sich auszahlt!' gefährlich bedroht haben.
B erlitt durch die vorangeführten Misshandlungen, in der Zeit von Februar bis Juli 2000, Hämatome an Oberarmen, Oberschenkel, am Unterkiefer und im Bereich des Halses und des Rückens. Punkt 5
Im Lift des Schulungsgebäudes des LGK für Steiermark, soll G, vor seinen Schulkollegen ... mehrfach seinen Penis entblößt haben.
Dabei sprach er die Worte: 'Schauts her einmal!'."
Dem Verwaltungsakt sind niederschriftliche Einvernahmen der B sowie weiterer Zeugen vor dem Landesgendarmeriekommando für Steiermark angeschlossen.
Weiters findet sich in den Verwaltungsakten eine am 10. Juli 2000 mit dem Beschwerdeführer als Verdächtigen aufgenommene Niederschrift.
In dieser Niederschrift gestand der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit Punkt 1 der Strafanzeige zu, im Zuge einer Auseinandersetzung der B die Knöchel seiner Hand gegen das Gesicht gedrückt zu haben bzw. ihr "ein leichtes Watscherl" versetzt zu haben. Es sei auch vorgekommen, dass er mit beiden Händen ihren Kopf festgehalten und diesen geschüttelt habe. Dabei habe er ihre Haare von hinten festgehalten, sie jedoch nicht an den Haaren gerissen.
Im Zusammenhang mit dem in Punkt 2 der Strafanzeige erhobenen Vorwurf gab der Beschwerdeführer an, er habe B beim Aufsetzen unabsichtlich mit dem Ellbogen am Körper erwischt. Auch habe er sie im Zuge einer Auseinandersetzung von sich weg gedrückt und dabei heftig geschüttelt. Er habe keine Erinnerung daran, ihr mit einer Taschenlampe auf den Kopf geschlagen zu haben.
In Ansehung des Punktes 3 der Strafanzeige führte der Beschwerdeführer aus, B habe das Zimmer nicht verlassen wollen, worauf er sie wieder geschüttelt und aus dem Zimmer befördert habe. Während dieser Auseinandersetzung sei B über die Bettkante gestürzt und einmal auf den Knien gewesen. Der Beschwerdeführer habe sie nicht getreten, sondern sie aus dem Zimmer geschoben. Es sei möglich, dass er sie gezwickt habe. Die Auseinandersetzung am 8. Juli 2000 sei "ein üblicher Streit" gewesen. Die Auseinandersetzung sei so verlaufen wie alle anderen.
Weiters gab der Beschwerdeführer an, er habe die in Punkt 4 der Anzeige vorgeworfene Drohung nicht ausgesprochen.
In der Folge erstattete der Beschwerdeführer am 11. Juli 2000 eine "Rechtfertigung". In dieser Rechtfertigung bestritt der Beschwerdeführer generell, B gewürgt, geschlagen oder getreten zu haben. Ihre blauen Flecken seien lediglich bei Rangeleien entstanden, die darauf zurückzuführen gewesen seien, dass sie ihn festgehalten bzw. umklammert habe und er sich von dieser Bedrängnis habe lösen wollen. Die Anzeige sei als Racheakt Bs an ihm zu qualifizieren.
Vergleichbare Angaben machte der Beschwerdeführer in einer am 13. Juli 2000 erfolgten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Gendarmerieposten Pischelsdorf als Anzeiger, in welcher er seinerseits B vorwarf, ihn misshandelt und verletzt zu haben, sowie in einer Stellungnahme vom 14. Juli 2000. In der letztgenannten Eingabe bestritt der Beschwerdeführer insbesondere, je einen Vorsatz gehabt zu haben, B zu verletzen, sondern stets in Bedrängnis und aus Notwehr gehandelt zu haben.
Diese Stellungnahme langte bei der erstinstanzlichen Dienstbehörde am 19. Juli 2000 ein.
Mit Bescheid dieser Behörde vom 21. August 2000 wurde das seit 1. März 1999 bestehende provisorische Dienstverhältnis des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 2 und 4 Z. 4 in Verbindung mit § 43 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 (im Folgenden: BDG 1979), unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Monaten mit Ablauf des Monats September 2000 gekündigt.
Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, der Beschwerdeführer habe im Zuge seiner Ausbildung B kennen gelernt. Daraus habe sich eine Beziehung entwickelt. Nachdem B den Beschwerdeführer aus Eifersucht Vorwürfe gemacht hatte, sei es zwischen ihm und B zu Streitereien gekommen, welche Ende Februar 2000 erstmals in Handgreiflichkeiten des Beschwerdeführers gegen B ausgeartet hätten. Der Beschwerdeführer sei verdächtig, im Zeitraum Ende Februar bis Anfang Juli 2000 B mehrmals durch Schläge, Fußtritte und Zwicken an Kopf, Oberarmen und Oberschenkel verletzt und somit den Tatbestand der mehrmaligen Körperverletzung gesetzt zu haben. Mehrere niederschriftlich einvernommene Auskunftspersonen hätten in diesem Zeitraum derartige Verletzungsmerkmale am Körper Bs wahrgenommen. Weiters soll der Beschwerdeführer auch zweimal seinen Geschlechtsteil bei Liftfahrten im Schulungsgebäude des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark in Anwesenheit mehrerer Schüler entblößt und B im Februar nach den ersten Misshandlungen sowie am 12. Juli 2000 bedroht und in Furcht und Unruhe versetzt haben. Der Beschwerdeführer bestätige in seiner Niederschrift vom 10. Juli 2000, dass er B Verletzungen zugefügt habe, die sichtbare blaue Flecken hinterlassen hätten. Im vorliegenden Fall könne davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer B am Körper verletzt habe, sodass sichtbare Merkmale wahrnehmbar gewesen seien. Weiters sei "durch Zeugenaussage" die Annahme gerechtfertigt, der Beschwerdeführer habe zwischen Anfang April und Ende Mai 2000 zweimal sein Glied in Anwesenheit mehrerer Schüler im Lift der Schulungsabteilung entblößt.
Die folgende Bestreitung des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens sei infolge des Widerspruches zur niederschriftlichen Aussage vom 10. Juli 2000 ausschließlich als Schutzbehauptung zu qualifizieren.
Das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verhalten verwirkliche den herangezogenen Kündigungsgrund.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er vertrat die Auffassung, die erstinstanzliche Behörde wäre gehalten gewesen, das im Zusammenhang mit den vorgeworfenen Tätlichkeiten anhängige strafgerichtliche Verfahren abzuwarten. Ausdrücklich bestritten werde auch das dem Beschwerdeführer vorgeworfene unsittliche Verhalten im Lift der Schulungsabteilung. Die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides widerspreche der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK. Der Beschwerdeführer sei unschuldig und das Opfer einer Intrige der B.
Mit Note vom 23. Februar 2001 hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor, es sei zwischen ihm und B Ende Februar 2000 erstmals zu Handgreiflichkeiten gekommen, im Zuge derer er seine Freundin durch Schläge und Fußtritte verletzt und somit den Tatbestand der Körperverletzung gesetzt habe. Auch habe er B auf die in Punkt 4 der Anzeige geschilderte Weise bedroht. Am 16. Jänner 2001 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Graz nach den §§ 83 Abs. 1 und 105 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer teilbedingten Geldstrafe verurteilt worden.
In einer dazu erstatteten Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer vor, er habe gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16. Jänner 2001 Berufung angemeldet. Das Urteil sei nicht rechtskräftig. Er habe weder die ihm bislang vorgeworfenen Angriffe noch die ihm vorgeworfene Nötigung begangen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wies diese die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 21. August 2000 gemäß § 10 Abs. 2 und 4 und § 43 Abs. 2 BDG 1979 mit der Maßgabe ab, dass das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers mit Ablauf jenes Kalendermonates ende, in dem die Zustellung des Bescheides erfolge.
Die belangte Behörde stellte die gegen den Beschwerdeführer ergangene, noch nicht in Rechtskraft erwachsene strafgerichtliche Verurteilung fest.
Begründend führte sie weiter aus, der Beschwerdeführer sei seit 1. März 1999 als provisorischer Beamter in den Bundesdienst aufgenommen und der Schulungsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark zur Grundausbildung für Wachebeamte zugewiesen worden. Dort habe er B kennen gelernt, wobei sich daraus eine Beziehung entwickelt habe. Dabei habe es offensichtlich immer wieder Zwistigkeiten gegeben. Zwischen dem Beschwerdeführer und B sei es erstmals Ende Februar 2000 zu Handgreiflichkeiten gekommen, im Zuge derer er B durch Schläge, Fußtritte und Zwicken in verschiedene Körperpartien verletzt habe. B sei vom Beschwerdeführer auch mit den Worten "Wenn du mich anzeigst, sage es gleich, dann schlag ich dich krankenhausreif, damit es sich auszahlt", bedroht worden. Die angeführten Tathandlungen hätten sich über einen Zeitraum von Februar bis Juli 2000 erstreckt.
Auf Grund der niederschriftlichen Angaben der B, wonach diese angegeben habe, vom Beschwerdeführer im Zuge von Tätlichkeiten mehrfach verletzt worden zu sein, sowie des Umstandes, dass diese Verletzungen auch von unbeteiligten Auskunftspersonen wahrgenommen und ärztlich attestiert worden seien, wobei der Beschwerdeführer selbst niederschriftlich nicht bestreite, dass es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen ihm und B gekommen sei, gehe die belangte Behörde von der Schuld des Beschwerdeführers aus, auch wenn das gegen ihn ergangene Urteil des Strafgerichtes noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei.
Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer die Kündigungsgründe des § 10 Abs. 4 Z. 2 und 4 BDG 1979 gesetzt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, dass die Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses nicht ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes ausgesprochen werde. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Abs. 1, 2 und 4 Z. 2 und 4 BDG 1979 in der Stammfassung der wiedergegebenen Bestimmungen nach dem BGBl. Nr. 333/1979 lautet:
"Provisorisches Dienstverhältnis
§ 10. (1) Das Dienstverhältnis ist zunächst provisorisch.
(2) Das provisorische Dienstverhältnis kann mit Bescheid gekündigt werden.
...
(4) Kündigungsgründe sind insbesondere:
...
2. Mangel der körperlichen oder geistigen Eignung,
...
4. pflichtwidriges Verhalten,
..."
§ 43 Abs. 2 BDG 1979 in der Stammfassung dieser Bestimmung
lautet:
"Allgemeine Dienstpflichten
§ 43. ...
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt."
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolgt die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im Allgemeinen, wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Es ist demnach die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlichrechtlichen Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise prüfen zu können, dass alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001, Zl. 98/12/0049).
Jedenfalls ist die belangte Behörde aber entsprechend den verfahrensrechtlichen Grundsätzen gehalten, das ihres Erachtens einen Kündigungsgrund bildende Verhalten in einem unter Beiziehung des betreffenden Beamten durchgeführten Ermittlungsverfahren festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1992, Zl. 89/12/0172, mit weiteren Hinweisen).
In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde nicht aus den gleichen Gründen wie die Unterinstanz zu einer mit dem Spruch des mit Berufung angefochtenen Bescheides gleich lautenden Entscheidung gekommen ist. Sie hat auch nicht die Berufung unter Hinweis auf eine ihres Erachtens zutreffende und ausreichende Begründung des erstinstanzlichen Bescheides abgewiesen (vgl. hiezu Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Anmerkung 11 zu § 66 AVG), sondern eigenständige Feststellungen und eine eigenständige Begründung vorgenommen. Nur diese sind Gegenstand der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.
Zunächst vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, aus der in Art. 6 Abs. 2 MRK verankerten Unschuldsvermutung ergebe sich, dass die belangte Behörde den in Rede stehenden Sachverhalt vor Abschluss des gerichtlichen Strafverfahrens bzw. des gegen ihn eingeleiteten Disziplinarverfahrens überhaupt nicht selbstständig hätte beurteilen dürfen, sondern vielmehr das dienstrechtliche Verfahren bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes bzw. der Disziplinarbehörde zu unterbrechen gehabt hätte. Diese Auffassung ist unzutreffend:
Art. 6 Abs. 2 MRK normiert, dass bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet wird, der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte sei unschuldig. Das bedeutet, dass die Strafbehörden die Schuld nachweisen müssen (vgl. Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 1488). Der Vorwurf des Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung setzt daher voraus, dass mit der inkriminierten Verwaltungsentscheidung über eine strafrechtliche Anklage im Sinne des Art. 6 MRK entschieden worden ist (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1999, VfSlg. Nr. 15.587, betreffend die vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft). Die von der belangten Behörde vorgenommene Kündigung des Beschwerdeführers ist aber keine Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage. Die belangte Behörde war daher in Ermangelung einer rechtskräftigen strafgerichtlichen oder disziplinarbehördlichen Verurteilung berechtigt, eigenständig die Frage zu prüfen, ob der Beschwerdeführer ein Verhalten gesetzt hat, welches den Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 2 oder Z. 4 BDG 1979 bildete. Gegenteile Aussagen sind auch nicht dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 30. April 1987, Zl. 86/09/0134, zu entnehmen.
Der Beschwerdeführer rügt weiters, dass die Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, welches von der Behörde konkret festgestellte Verhalten die von ihr herangezogenen Kündigungsgründe verwirklicht haben soll. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde in Ansehung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen gefährlichen Drohung (vom Tatzeitpunkt abgesehen) präzise Feststellungen getroffen hat. In Ansehung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Körperverletzungen finden sich hingegen keine konkreten Feststellungen hinsichtlich der Zeitpunkte und des genauen Herganges der vorgeworfenen Tathandlungen, welche sich, wie die belangte Behörde sehr pauschal ausführt, "über einen Zeitraum von Feber bis Juli 2000 erstreckt" haben sollen.
Ob der belangten Behörde in diesem Zusammenhang ein im Verständnis des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG relevanter Feststellungsmangel vorzuwerfen ist, kann dahingestellt bleiben, weil - wie der Beschwerdeführer zutreffend rügt - diese teils rudimentären Feststellungen jedenfalls einer schlüssigen Begründung im Rahmen der Beweiswürdigung entbehren.
Gemäß § 1 Abs. 1 DVG gilt für die Begründung von dienstrechtlichen Berufungsbescheiden § 60 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG. Demnach hat die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Aus der Begründung eines Bescheides muss daher unter anderem hervorgehen, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliegt (vgl. Walter-Thienel, a.a.O., E. 86 zu § 60 AVG). Liegen einander widersprechende Beweisergebnisse vor, muss die Behörde dazu in der Begründung, soll diese dem Gesetz entsprechen, im Einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was sie veranlasst hat, dem einen mehr Vertrauen entgegen zu bringen als dem anderen (vgl. a.a.O., E. 104 zu § 60 AVG).
Diesen Kriterien für eine schlüssige Beweiswürdigung genügen die oben wiedergegebenen Erwägungen der belangten Behörde zur Beweiswürdigung nicht.
Es fehlt in diesem Zusammenhang nämlich an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer am 10., 11., 13. und 14. Juli 2000 gemachten detaillierten Angaben. Die belangte Behörde hat sich in diesem Zusammenhang lediglich auf die Aussage beschränkt, es sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden, dass es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen ihm und B gekommen sei. Allein aus diesem von der belangten Behörde dargelegten Zugeständnis lassen sich jedoch die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht ableiten. Insbesondere fehlt jede Stellungnahme der belangten Behörde zum Wahrheitsgehalt der Behauptungen des Beschwerdeführers, er habe ohne Verletzungsvorsatz, sondern stets in Bedrängnis und Notwehr gehandelt und in diesem Zusammenhang B auch niemals geschlagen oder getreten und sie auch nicht gefährlich bedroht. Allein der Hinweis auf gegenteilige Beweisergebnisse reicht in diesem Zusammenhang nicht aus. Es sind vielmehr Gründe anzuführen, weshalb diesen Beweisergebnissen eine höhere Glaubwürdigkeit zugebilligt wird als den Angaben der Partei. In diesem Zusammenhang verkennt der Verwaltungsgerichtshof nicht, dass - wie die erstinstanzliche Behörde zutreffend ausführte - die Schilderungen der Tathergänge durch den Beschwerdeführer in seinen Einvernahmen bzw. Stellungnahmen teilweise voneinander abweichen. Allerdings hat die belangte Behörde im Zuge ihrer Beweiswürdigung hieraus keine Schlüsse gezogen.
Der belangten Behörde ist daher insofern ein Begründungmangel vorzuwerfen, welcher zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG führt.
Daran vermögen die Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, wonach bereits auf Grund des im angefochtenen Bescheid festgestellten Standes des gerichtlichen Strafverfahrens jedenfalls von der Schuld des Beschwerdeführers auszugehen sei, nichts zu ändern. Die belangte Behörde vertritt in dieser Gegenschrift anscheinend ernsthaft die Auffassung, auf Grund der "Durchdringung" des österreichischen Rechtes mit "größmöglicher Verwaltungsökonomie" sei bereits "in Beachtung einer aus einem strafgerichtlichen Vorverfahren resultierenden Anklage, auch bislang ohne rechtskräftige Verurteilung, jedenfalls von der Schuld" des Beamten auszugehen.
Diese Ausführungen der belangten Behörde sind unzutreffend, weil eine Bindung der Verwaltungsbehörden lediglich an rechtskräftige Verurteilungen der Strafgerichte, nicht jedoch an die in einer Anklage oder einem Strafantrag erhobenen Vorwürfe oder an nicht in Rechtskraft erwachsene strafgerichtliche Urteile besteht. Die in der Gegenschrift vertretene Auffassung der belangten Behörde ist grundlegend verfehlt und ignoriert tragende Grundsätze des Rechtsstaates.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war mit EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 13. März 2002
Schlagworte
Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 ParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001120093.X00Im RIS seit
03.06.2002