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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer Art4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des M, geboren am 17. Jänner 1955, in W, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. November 2000, Zl. SD 544/00, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, stellte durch seinen Rechtsvertreter am 2. November 1999 als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei seit dem 20. November 1997 mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet.
Die Bundespolizeidirektion Wien wies diesen als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit EWR-Bürger" gewerteten Antrag mit Bescheid vom 27. Juni 2000 gemäß § 47 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei zwar mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet, diese lebe jedoch in ihrem Heimatland und sei im österreichischen Bundesgebiet nicht niedergelassen, weshalb die Bestimmungen des § 47 Abs. 2 FrG 1997 im Falle des Beschwerdeführers nicht zuträfen.
Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 14. November 2000 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Gründe des erstbehördlichen Bescheides seien im Ergebnis auch für die Berufungsentscheidung maßgebend gewesen. Der Beschwerdeführer sei laut eigenen Angaben Ende September 1999 in das Bundesgebiet eingereist. Zu diesem Zeitpunkt sei er im Besitz einer deutschen Bescheinigung des Landeseinwohneramtes Berlin gemäß § 69 Abs. 3 des Ausländergesetzes gewesen. Bei dieser Bescheinigung handle es sich jedoch weder um einen Sichtvermerk noch um einen Aufenthaltstitel im Sinne des Schengener-Durchführungsübereinkommens, welches den Beschwerdeführer berechtigt hätte, gestützt auf das vorläufige Aufenthaltsrecht in Deutschland nach Österreich einzureisen. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet sei daher unrechtmäßig. Es sei weiters unzutreffend, dass der Beschwerdeführer lediglich auf Grund des Umstandes, mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet zu sein, Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hätte. Für die Annahme, dass der österreichische Gesetzgeber von den einschlägigen Bestimmungen des Europarechts in der Weise habe abgehen wollen, dass den in § 47 Abs. 3 FrG 1997 genannten Personen bereits "bei theoretischem Aufenthaltsrecht des EWR-Bürgers, sohin wenn dieser sich im Bundesgebiet gar nicht niederlässt oder dies auch gar nicht beabsichtigt, ein Recht zur Niederlassung in Österreich zukomme, besteht kein Hinweis". Vielmehr lehne sich das FrG 1997 eindeutig an das einschlägige Gemeinschaftsrecht an. Ungeachtet dessen habe der Beschwerdeführer nicht nachweisen können, dass seine Ehegattin im Fall der Einreise in das Bundesgebiet im Hinblick auf die Bestimmungen des § 46 Abs. 1 und 2 FrG 1997 zur Niederlassung berechtigt gewesen wäre. Schließlich sei festzuhalten, dass gemäß § 47 Abs. 2 FrG 1997 begünstigte Drittstaatsangehörige eines EWR-Bürgers nur dann Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen dürften, wenn sie an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind. Angesichts der jugoslawischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers könne davon keine Rede sein. Es erweise sich daher, dass er weder zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei, noch seinen Aufenthalt vom Bundesgebiet aus "legalisieren" könne. Zu einer Antragstellung vom Inland aus sei der Beschwerdeführer mangels Sichtvermerksfreiheit nicht berechtigt gewesen. Der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels stehe die zwingende Bestimmung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 entgegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 (auszugsweise):
"§ 46. (1) EWR-Bürger genießen Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit.
(2) EWR-Bürger, die nicht über ausreichende eigene Mittel zu ihrem Unterhalt oder über keine Krankenversicherung verfügen, die alle Risken abdeckt, sind nur dann zur Niederlassung berechtigt, wenn sie der Behörde
1. eine Einstellungserklärung ihres Arbeitgebers oder eine Arbeitsbescheinigung vorlegen können oder
2. nachweisen können, dass sie eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausüben oder
3. glaubhaft machen, dass sie innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten nach der Einreise begründete Aussicht auf Aufnahme einer Erwerbstätigkeit haben oder
4. nachweisen können, dass ihnen als Familienangehöriger eines zum Aufenthalt berechtigten EWR-Bürgers Unterhalt gewährt wird.
§ 47. (1) Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, unterliegen der Sichtvermerkspflicht.
(2) Sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind, genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen, wenn sie an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind.
... .
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende
Angehörige eines EWR-Bürgers:
1. Ehegatten;
...
§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit
Niederlassungsbewilligungen trifft der Landeshauptmann. ... .
(2) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft jedoch die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, wenn es sich um den Aufenthaltstitel
1. für einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem
4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt;
...
§ 94. (1) Über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz."
Im Beschwerdefall wäre eine sachliche Zuständigkeit der in erster Instanz entscheidenden Bundespolizeidirektion Wien nur gegeben gewesen, wenn es sich um eine Entscheidung im Zusammenhang mit einer Niederlassungsbewilligung für einen Drittstaatsangehörigen gehandelt hätte, der nach dem 4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt (§ 89 Abs. 2 Z 1 FrG 1997). Die Niederlassungsfreiheit des Beschwerdeführers, der unbestritten als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 47 Abs. 3 FrG 1997 ist, hängt gemäß § 47 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 freilich davon ab, dass der EWR-Bürger, im Beschwerdefall die Ehegattin des Beschwerdeführers, zur Niederlassung berechtigt ist.
Aus § 46 Abs. 2 FrG 1997 ergibt sich aber, wie bereits nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz des Fremdengesetzes 1992 (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 94/18/1142), dass die Berechtigung des EWR-Bürgers zur Niederlassung zunächst davon abhängt, ob dieser über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder über eine Krankenversicherung verfügt. Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, besteht eine Berechtigung zur Niederlassung nur bei Nachweis bzw. Glaubhaftmachung der in § 46 Abs. 2 Z 1 bis 4 angeführten Umstände.
Ohne Feststellung, ob die für eine Berechtigung der Ehegattin des Beschwerdeführers zur Niederlassung normierten Voraussetzungen vorliegen, die die belangte Behörde ebenso wie bereits die erstinstanzliche Behörde unterlassen hat, entzieht sich der angefochtene Bescheid, der im Übrigen selbst davon ausgeht, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers nicht zur Niederlassung in Österreich berechtigt ist, einer Prüfung dahin, ob die Behörde erster Instanz überhaupt sachlich zuständig war. Wäre die Ehegattin des Beschwerdeführers nicht selbst zur Niederlassung in Österreich berechtigt, so wäre zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers der Landeshauptmann von Wien zuständig gewesen, und die belangte Behörde hätte den erstinstanzlichen Bescheid wegen Unzuständigkeit der Bundespolizeidirektion Wien zu beheben gehabt.
Bereits aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.
Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang allerdings auf das hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 2000/19/0117, in dem der Verwaltungsgerichtshof mit ausführlicher Begründung dargelegt hat, dass die Statuierung der Erfolgsvoraussetzung einer Antragstellung vom Ausland aus jedenfalls für mit einem Einreisetitel rechtmäßig eingereiste Drittstaatsangehörige in Widerspruch zu Art. 4 der Richtlinie 68/360/EWG steht, dass sich ein Betroffener aber gegen die Anwendung des aus § 47 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 abgeleiteten Versagungsgrundes auf den ganz offensichtlich hinreichend determinierten Art. 4 der erwähnten Richtlinie berufen kann, weshalb dieser mit dem Europarecht unvereinbare Versagungsgrund des § 47 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 nicht anwendbar ist.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501, wobei für S 2.500,-
- an Bundesstempeln EUR 181,68 zuzusprechen waren. Das Mehrbegehren an Ersatz von Umsatzsteuer war hingegen abzuweisen, weil neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 13. März 2002
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002120034.X00Im RIS seit
03.06.2002