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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des HK in Graz, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Mag. Jörg Vollmann in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 1/II, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. Mai 2001, Zl. Jv 50841-33a/01 (Str 931/00-7), betreffend Abweisung eines Antrages auf Nachlass von Gerichtskosten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der vorliegenden Beschwerde und den ihr angeschlossenen Beilagen ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Bescheid des Leiters der Einbringungsstelle vom 27. Februar 2001 wurde über Antrag des Beschwerdeführers unter Aufrechterhaltung der bisher erworbenen Pfandrechte die Einbringung der auf Grund des Zahlungsauftrages des Kostenbeamten des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 9. November 2000 geschuldeten Gerichtskosten im Betrag von S 10.395,01 gemäß § 9 Abs. 1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes, BGBl. Nr. 288/1962 (im Folgenden: GEG), bis 31. Mai 2001 gestundet.
Am 23. Mai 2001 richtete der Beschwerdeführer an die Einbringungsstelle eine Eingabe mit folgendem Wortlaut:
"Da sich seit meinem letzten Schreiben vom 19.2.01 meine Einkommenssituation (noch immer ATS 157,60 Notstandshilfe täglich) nicht gebessert hat, beantrage ich, mir die gegenständlichen Gerichtskosten zu erlassen. ..."
Über diesen Antrag erging der angefochtene Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. Mai 2001, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Dem Antrag der zahlungspflichtigen Partei ..., die in der
Einbringungssache ... vorgeschriebenen Kosten des Strafverfahrens
im Betrag von 10.395,01 S (EUR 755,43) gemäß § 9 Abs. 2 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) 1962 nachzulassen, wird nicht Folge gegeben."
Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 9 Abs. 2 GEG könnten, vom hier nicht in Betracht kommenden Fall des öffentlichen Interesses abgesehen, Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre. Das Vorbringen des Beschwerdeführers stelle sich jedoch inhaltlich als solches im Sinne des § 391 der Strafprozessordnung, BGBl. Nr. 631/1975 (im Folgenden: StPO), dar, wonach das Gericht die Kosten für uneinbringlich zu erklären habe, wenn mit Grund anzunehmen sei, dass sie wegen Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen auch nicht bloß zum Teil hereingebracht werden könnten, wobei durch die Eintreibung weder der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Ersatzpflichtigen und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen habe, noch die Erfüllung der aus der strafbaren Handlung entspringenden Pflicht zur Schadensgutmachung gefährdet werden dürfe. Gesuche um Nachlass von Kosten des Strafverfahrens seien als Anträge, die Kosten des Strafverfahrens nach § 391 Abs. 2 StPO für uneinbringlich zu erklären, zu behandeln, wenn darin behauptet werde, dass die Voraussetzungen des § 391 Abs. 1 StPO gegeben seien. Dem Antrag auf Nachlass könne daher nicht Folge gegeben werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nachlass der Gebühren und Kosten gemäß § 9 Abs. 2 GEG verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 9 Abs. 2 GEG in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits in Kraft gestandenen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 26/2000 lautet:
"§ 9. ...
(2) Gebühren und Kosten können auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist. Über den Antrag entscheidet bei Beträgen bis zu 390 000 S der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien, sonst das Bundesministerium für Justiz."
§ 391 Abs. 1 und 2 StPO lauten:
"§ 391. (1) Die Kosten des Strafverfahrens sind jedoch vom Ersatzpflichtigen nur insoweit einzutreiben, als dadurch weder der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Ersatzpflichtigen und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, noch die Erfüllung der aus der strafbaren Handlung entspringenden Pflicht zur Schadensgutmachung gefährdet wird.
(2) Ist nach den im Verfahren hervorgekommenen Umständen mit Grund anzunehmen, dass die Kosten des Strafverfahrens wegen Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen auch nicht bloß zum Teile hereingebracht werden können, so hat das Gericht, soweit tunlich, gleich bei Schöpfung des Erkenntnisses die Kosten für uneinbringlich zu erklären; andernfalls entfällt eine Entscheidung über die Einbringlichkeit der Kosten. Der Beschluss, womit die Kosten für uneinbringlich erklärt werden, kann jederzeit aufgehoben und, wenn später Umstände der bezeichneten Art hervorkommen, nachträglich gefasst werden."
Gemäß § 9 Abs. 2 GEG können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist. Bei der Bestimmung des § 9 Abs. 2 GEG handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, doch ist das Recht der Behörde, von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz genannten Alternativvoraussetzungen abhängig. In diesem Zusammenhang kommt sowohl eine besondere Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung als auch eine solche infolge Vorliegens individueller Gründe in Betracht, die die Einbringung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen ließen. Diese Voraussetzung hat die Justizverwaltungsbehörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen. In einem Verfahren nach § 9 Abs. 2 GEG ist es Aufgabe des Antragstellers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die begehrte Nachsicht gestützt werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/17/0180).
Handelt es sich bei den einzubringenden Kosten um solche eines gerichtlichen Strafverfahrens, ist § 9 Abs. 2 GEG durch § 391 Abs. 2 StPO überlagert. Nach der letztgenannten Bestimmung sind solche Kosten nämlich vom Gericht für uneinbringlich zu erklären, wenn diese wegen Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen auch nicht bloß zum Teil hereingebracht werden können. Der in § 391 Abs. 2 StPO umschriebene Fall, wonach die Kosten des Strafverfahrens wegen Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen auch nicht bloß zum Teil hereingebracht werden können, nimmt offenbar auf die Regelung des ersten Absatzes des § 391 StPO Bezug, wonach die Kosten des Strafverfahrens vom Ersatzpflichtigen nur insoweit einzutreiben sind, als dadurch weder der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Ersatzpflichtigen und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, noch die Erfüllung der aus der strafbaren Handlung entspringenden Pflicht zur Schadensgutmachung gefährdet wird. Eine "Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen" im Verständnis des § 391 Abs. 2 StPO liegt somit immer dann vor, wenn die Einbringung der Kosten aus dem Grunde des § 391 Abs. 1 StPO unzulässig erscheint.
§ 391 Abs. 2 StPO ist eine auf die Kosten des Strafverfahrens abgestellte Spezialvorschrift, deren Anwendung der generellen Norm des § 9 Abs. 2 GEG vorgeht. Daraus folgt wiederum, dass der Ersatzpflichtige von Kosten eines Strafverfahrens die in § 391 Abs. 1 StPO umschriebenen Umstände nicht mit Erfolg zur Begründung eines auf § 9 Abs. 2 GEG gestützten Antrages ins Treffen führen kann.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem § 9 Abs. 2 GEG in Ansehung von Kosten des gerichtlichen Strafverfahrens jeder Anwendungsbereich entzogen wäre (vgl. hiezu auch Foregger-Fabrizy, StPO8, Rz 5 zu § 391). Vielmehr sind durchaus Fallkonstellationen denkbar, in denen die Einbringung solcher Kosten eine besondere Härte darstellen kann, ohne dass deshalb die Voraussetzungen des § 391 Abs. 1 StPO vorliegen müssten (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 2000, Zl. 2000/17/0042). Den Justizverwaltungsbehörden kommt daher auch in Ansehung der Kosten des gerichtlichen Strafverfahrens eine abstrakte Zuständigkeit zur Entscheidung über auf § 9 Abs. 2 GEG gestützte Anträge zu.
Vorliegendenfalls hat der Beschwerdeführer seinen Nachlassantrag ausschließlich auf den Umstand gestützt, er beziehe lediglich S 157,60 Notstandshilfe täglich. Er hat damit - wie die belangte Behörde zutreffend erkannte - ausschließlich einen unter § 391 Abs. 1 und 2 StPO subsumierbaren Umstand geltend gemacht. Im Gegensatz zu der in der Beschwerde vertretenen Auffassung war die belangte Behörde (wie oben dargelegt) auch nicht gehalten zu ermitteln, ob darüber hinaus noch andere, vom Beschwerdeführer gar nicht geltend gemachte Umstände geeignet wären, eine besondere Härte der Einbringung zu begründen.
Fraglich war nun, ob der auf Umstände gemäß § 391 StPO gegründete, auf "Erlassung" der gegenständlichen Gerichtskosten gerichtete Antrag als ein (materiell unberechtigter) Antrag auf Nachlass der Gerichtskosten gemäß § 9 Abs. 2 GEG oder aber als ein in die gerichtliche Kompetenz fallender Antrag auf Erklärung dieser Kosten als uneinbringlich zu werten war.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer den in Rede stehenden Antrag an die Justizverwaltungsbehörden richtete und ihn als Antrag auf "Erlass" der Gerichtskosten bezeichnete, deutet in die erstgenannte Richtung. Jedenfalls wird der diesbezügliche Antragswille aber in der Beschwerde ausdrücklich klargestellt, in welcher der Beschwerdeführer sich darauf beruft, mit seinem Antrag eine Entscheidung der Justizverwaltungsbehörden in Richtung des § 9 Abs. 2 GEG angestrebt zu haben.
Entgegen der missverständlichen Formulierung in der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde - wie der insofern unmissverständliche Spruch desselben zeigt - über einen auf Nachlass der Kosten des Strafverfahrens gemäß § 9 Abs. 2 GEG gerichteten Antrag mit der nach dem Vorgesagten zutreffenden Begründung inhaltlich abweislich entschieden, die vom Beschwerdeführer allein ins Treffen geführten Umstände seien zur Begründung eines Nachlassbegehrens nach § 9 Abs. 2 GEG ungeeignet.
Auch mit dem Beschwerdevorbringen, das Gericht habe die Kosten nicht für uneinbringlich erklärt, weshalb die Justizverwaltungsbehörden hiezu gehalten gewesen wären, wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Zur allfälligen Uneinbringlicherklärung von Kosten des Strafverfahrens aus den im Antrag vom 23. Mai 2001 geltend gemachten Gründen wäre eben ausschließlich das Gericht zuständig. Ob dieses bislang eine Uneinbringlicherklärung der Gerichtskosten zu Recht oder zu Unrecht unterlassen hat, ist vorliegendenfalls nicht zu prüfen.
Da schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 18. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001170176.X00Im RIS seit
06.08.2002Zuletzt aktualisiert am
12.07.2013