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41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. November 2001, Zl. 607.918/5-II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt, 2. DI R), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der am 16. Jänner 1976 in Klagenfurt geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (Landeshauptstadt Klagenfurt, 9010 Klagenfurt) mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit 10. Oktober 1994 ist er mit einem weiteren Wohnsitz in Wien gemeldet. Er ist dort berufstätig und tritt den Weg zur Arbeitsstätte grundsätzlich von der Wiener Wohnung aus an, die er mit seiner Schwester bewohnt.
Im Zuge des vom beschwerdeführenden Bürgermeister eingeleiteten Reklamationsverfahrens gab der Zweitmitbeteiligte in der Wohnsitzerklärung an, in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters gemeinsam mit seinen Eltern ca. 100 Tage im Jahr zu wohnen. Die übrige Zeit (rd. 250 Tage im Jahr) verbringe er in Wien; seine Wiener Unterkunft sei auch der Ausgangspunkt des Weges zur Arbeitsstätte. Einen großer Teil seiner sozialen Kontakte habe er in Klagenfurt. Dort verbringe der die Wochenenden und den Urlaub.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Klagenfurt ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte Zuspruch des Vorlageaufwandes. Der Zweitmitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935 klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.
Im Beschwerdefall steht fest, dass der nunmehr 25-jährige Zweitmitbeteiligte den Großteil des Jahres in Wien wohnt und dort seit längerer Zeit berufstätig ist. Er macht gesellschaftliche, insbesondere familiäre Beziehungen zu Klagenfurt geltend, die in Wien nicht bestünden.
Wohl hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0945, ausgeführt, dass sog. "Wochenpendler", die eine Unterkunft (Wohnung) am Ort oder in der näheren Umgebung des Arbeitsplatzes als weiteren Wohnsitz nehmen, damit keinen Hauptwohnsitz begründet haben. Das Kriterium "nur aus beruflichen Gründen" kann aber hier nicht vorliegen, wenn der Zweitmitbeteiligte selbst angegeben hat, 250 Tage im Jahr in Wien zu verbringen, sodass auch ein Teil der Freizeit von dieser Aufenthaltsdauer erfasst sein muss (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, Zl. 2001/05/1077). Der beruflichen Lebensbeziehung des Zweitmitbeteiligten ist im Beschwerdefall ein deutliches Übergewicht gegenüber der familiären und gesellschaftlichen Bindung zuzuerkennen. Die letztgenannten Bindungen treten nämlich bei einer ledigen Person umso mehr in den Hintergrund, je mehr sich ihr Alter vom Erreichen der Volljährigkeit entfernt hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/05/1146).
Ausgehend davon hat im vorliegenden Fall der Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte.
Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 19. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002050029.X00Im RIS seit
13.06.2002Zuletzt aktualisiert am
25.06.2013