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41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §1 Abs7;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/05/0953Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerden des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Bad Aussee, vertreten durch Dr. Helmut Fetz und Dr. Birgit Fetz, Rechtsanwälte in Leoben, Hauptplatz 11, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres (beide) vom 19. April 1999, Zl. 600.430/6-II/13/99 (betreffend die Zweitmitbeteiligte, protokolliert zu Zl. 2001/05/0952), und Zl. 600.429/6-II/13/99 (betreffend den Drittmitbeteiligten, protokolliert zu Zl. 2001/05/0953), betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien in 1082 Wien, Rathaus, 2. Susanne Willfort und 3. Gerhard Willfort, die letzteren Beiden in 8990 Bad Aussee, Kirchengasse 163), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- (insgesamt somit EUR 1.816,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1934 geborene Zweitmitbeteiligte und der 1922 geborene Drittmitbeteiligte sind miteinander verheiratet und seit 7. Dezember 1970 in Wien mit Hauptwohnsitz und seit 23. Dezember 1993 mit einem weiteren Wohnsitz in Bad Aussee gemeldet.
Gemäß dem Stmk. Fremdenverkehrsabgabegesetz wurde der Zweit- und dem Drittmitbeteiligten eine Fremdenverkehrsabgabe für ihre Eigentumswohnung in Bad Aussee vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid erhoben die Zweit- und der Drittmitbeteiligte im Juli 1998 im Wesentlichen mit der Begründung Berufung, dass ihre Eigentumswohnung in Bad Aussee bereits im Jahr 1996 durch sie ganzjährig genutzt worden sei. 1997 seien sie lediglich für einen Zeitraum von 10 Tagen nach Wien gefahren, um u.a. persönliche und familiäre Wertobjekte nach Bad Aussee zu bringen. Eine derart kurze Abwesenheit in einem Zeitraum von zwei Jahren sei Beweis eines ganzjährigen Wohnbedarfes in Bad Aussee.
Daraufhin stellte der beschwerdeführende Bürgermeister in Bezug auf die Zweit- und den Drittmitbeteiligten den Antrag auf Einleitung eines Reklamationsverfahrens gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG betreffend ihre Hauptwohnsitzmeldung in Wien.
Im Zuge des Verfahrens haben die Zweit- und der Drittmitbeteiligte das ihnen übermittelte Erhebungsblatt zur Feststellung des Hauptwohnsitzes nicht ausgefüllt, aber sie erstatteten im Jänner 1999 jeweils eine Stellungnahme. Die Zweitmitbeteiligte führte aus, dass sie nicht wisse, ob sie ihren Mann in Kürze in Wien oder in Bad Aussee pflegen und versorgen müsse. Wenn es der Gesundheitszustand ihres Mannes zulasse, versorge sie ihren Haushalt in Wien. Ihre Kinder samt ihren Familien lebten in Wien. Ihre Tochter würde sie öfters als Mutter und Großmutter benötigen. In Bad Aussee sei sie zur Betreuung der Gräber von verstorbenen Familienmitgliedern verpflichtet. Außerdem sei sie in Wien ehrenamtliche Mitarbeiterin in einem eingetragenen Verein. Der Drittmitbeteiligte gab an, dass sich auf Grund seines Gesundheitszustandes die Notwendigkeit der Mitpflege und - betreuung durch die in derselben Mietwohnung in Wien lebende, 43- jährige Tochter schon in naher Zukunft ergeben könnte. Alle Familienangehörigen seien in Wien. Sein Vater und sein Bruder seien in Grundlsee, 7 km von ihrer Wohnung in Bad Aussee entfernt, begraben.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde den jeweils gestellten Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters ab. Begründet wurde dies jeweils im Wesentlichen damit, dass auf Grund der unbestritten langen Aufenthaltsdauer der Zweit- bzw. des Drittmitbeteiligten in Bad Aussee dieser Ort einen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen der Zweit- bzw. des Drittmitbeteiligten darstelle. Der gesellschaftliche Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen läge hingegen in Wien, wo das soziale Umfeld konzentriert sei. Alle Familienangehörigen würden in Wien leben, die Tochter sogar in der gleichen Wohnung. Weiters sei die Zweitmitbeteiligte ehrenamtliche Mitarbeiterin in Wien in einem eingetragenen Verein. Die Zweit- bzw. der Drittmitbeteiligte hätten in ihren Stellungnahmen jeweils ihr überwiegendes Naheverhältnis zum Wohnsitz in Wien dargelegt. Auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens reiche der überwiegende Aufenthalt in Bad Aussee allein nicht aus, um dort den Hauptwohnsitz der Zweit- bzw. des Drittmitbeteiligten zu begründen, da die gesellschaftlichen und familiären Lebensbeziehungen in Wien derzeit noch überwiegen würden.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte jeweils die Verwaltungsakten vor und erstattete in beiden Beschwerdeverfahren eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
In den zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG 1991) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u. a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher - wie auch den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Meldegesetznovelle, BGBl. Nr. 505/1994 (1334 BlgNR 18. GP), zu entnehmen ist - vor allem folgende Bestimmungskriterien maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935).
Die Zweit- und der Drittmitbeteiligte gaben in ihrer Stellungnahme unter Hinweis u.a. auf ihre Berufung im Fremdenverkehrsabgabeverfahren an, dass sie sich überwiegend in Bad Aussee aufhielten. Dies ist dem Beschwerdeführer in Vollziehung des Stmk. Fremdenverkehrsabgabegesetzes zur Kenntnis gekommen und konnte daher im Verfahren gemäß § 17 Abs. 3 Meldegesetz 1991 geltend gemacht werden. Zudem wurde durch die mit der Anschaffung der Eigentumswohnung in Bad Aussee erfolgte Kapitalbindung an diesem Ort eine massive wirtschaftliche Beziehung der Zweit- und des Drittmitbeteiligten geschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0930).
Die Zweit- und der Drittmitbeteiligte befinden sich im Ruhestand. Bei Personen, die sich im Ruhestand befinden, liegt ein Mittelpunkt am Ort des (bisherigen) Ferienwohnsitzes bzw. nunmehrigen Alterswohnsitzes dann vor, wenn familiäre Bindungen zu dem Wohnsitz, an dem die Berufsausübung erfolgte, nicht mehr bestehen, wenn also beide Ehegatten aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und die in § 1 Abs. 7 leg. cit. genannten Lebensbeziehungen nicht mehr oder nur mehr in untergeordneter Weise bestehen. In solchen Fällen wird durch die Aufrechterhaltung der Wohnung am bisherigen Wohnsitz - etwa um das kulturelle Angebot der Großstadt weiter zu nützen - der Mittelpunktcharakter nicht mehr zu bejahen sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, 2001/05/0941). Dies gilt auch dann, wenn die Aufrechterhaltung des bisherigen Wohnsitzes u.a. dazu dient, die volljährigen Kinder und ihre Familien zu besuchen oder öfters die minderjährigen Enkelkinder zu betreuen. Auch die Tätigkeit der Zweitmitbeteiligten als ehrenamtliche Mitarbeiterin in einem eingetragen Verein in Wien konnte zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen, weil die weitaus überwiegende Aufenthaltsdauer (mit dem Ehegatten gemeinsam) in Bad Aussee samt der dort gegebenen wirtschaftlichen Beziehungen gegenüber den weiteren familiären Beziehungen zu Wien ein deutliches Übergewicht aufweist. Zukünftig beabsichtigte Änderungen des Aufenthalts waren im vorliegende Verfahren nicht zu berücksichtigen (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/05/1163). Maßgeblich ist der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach dem Vorbringen der Parteien gegebene Sachverhalt, soweit er für das Reklamationsverfahren von Bedeutung ist.
Da die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Zweit- und der Drittmitbeteiligte ihren Hauptwohnsitz nach wie vor in Wien hätten, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001050952.X00Im RIS seit
24.06.2002