TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/19 2001/05/0948

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Veröffentlicht am 19.03.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Juni 2000, Zl. 600.533/5-II/13/00, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Stadtgemeinde Ternitz, 2630 Ternitz, 2.  Dipl. Ing. Britta Fuchs in 1170 Wien, Rosensteingasse 90/2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Die am 14. September 1973 geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist in Ternitz mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit 5. Februar 1999 ist sie mit einem weiteren Wohnsitz in Wien gemeldet. Sie studiert dort und tritt den Weg zum Studienplatz überwiegend von der Wiener Wohnung aus an.

Im Zuge des vom beschwerdeführenden Bürgermeister eingeleiteten Reklamationsverfahrens gab die Zweitmitbeteiligte über Aufforderung der belangten Behörde im Erhebungsblatt zur Feststellung des Hauptwohnsitzes sowie in einer ergänzenden Stellungnahme vom 4. Jänner 2000 an, in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters gemeinsam mit ihren Eltern, ihren Schwestern und ihrem Großvater zum Wochenende und in der Ferienzeit häufig bzw. immer und werktags im Schuljahr fallweise zu wohnen. Ihre gesellschaftlichen Betätigungen in der Heimatgemeinde seien weniger intensiv, in Wien bestünden keine gesellschaftlichen Aktivitäten. Durch die häufige Mithilfe am elterlichen Hof und ihre Kandidatur zum Gemeinderat bestätige sich ihr überwiegendes Naheverhältnis zu ihrer Heimatgemeinde.

Der erstmitbeteiligte Bürgermeister äußerte sich im Sinne der Angaben der Zweitmitbeteiligten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Ternitz ab. Der Schwerpunkt der beruflichen Lebensbeziehungen der Zweitmitbeteiligten läge in Wien; der Familienwohnsitz und somit gesellschaftliche Schwerpunkt sei hingegen in Ternitz, wo das soziale Umfeld der Zweitmitbeteiligten konzentriert sei. Die Zweitmitbeteiligte habe in ihrer Stellungnahme eindeutig ihr überwiegendes Naheverhältnis zu Ternitz dargelegt. Das Studium in Wien allein reiche nicht aus, den Hauptwohnsitz, der den Mittelpunkt der familiären und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen darstelle, in Ternitz aufzuheben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die beiden Mitbeteiligten gaben kurze Stellungnahmen ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher - wie den Erläuterungen der Regierungsvorlage (1334 BlgNR 18. GP, S. 12) zum HauptwohnsitzG, BGBl. Nr. 505/1994, zu entnehmen ist - vor allem folgende Bestimmungskriterien maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits angeführten Erkenntnis, Zl. 2001/05/0935, dargelegt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.

Bei Studenten hat der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis, Zl. 2001/05/0935, ausgehend von § 2 FamilienlastenausgleichsG als einem maßgeblichen Umstand für die Beurteilung der vorliegenden Frage, darauf abgestellt, ob der betreffende Student bzw. die Studentin das 26. Lebensjahr vollendet hat; verzögert sich das Studium dermaßen, dass die Altersgrenze für die Familienbeihilfe überschritten wird, ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme gerechtfertigt, dass sich die Nahebeziehung zum Studienort wesentlich verdichtet hat, sodass der Mittelpunktcharakter des Heimatortes im Allgemeinen nicht mehr bejaht werden kann. Davon abzugehen bietet auch der Beschwerdefall keinen Anlass. Studenten verbringen typischerweise ihre Ferien am Heimatort; da der Verwaltungsgerichtshof geringfügigen Nebenbeschäftigungen am Ausbildungsort bei jungen Studenten schon bisher keine Relevanz zugebilligt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, Zl. 2001/05/1024), kann es auch keine Rolle spielen, wenn der Student in den Ferien einer Beschäftigung am Heimatort nachgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/05/1056). Dies muss auch für den Fall der relativ intensiven Mithilfe am elterlichen Hof - wie dies von der Zweitmitbeteiligten ins Treffen geführt wurde - gelten.

Ausgehend davon hat im vorliegenden Fall die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits 26 Jahre alte Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte. Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Das Kostenersatzbegehren (angesprochen wurde der Schriftsatzaufwand) war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 VwGG i. d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997).

Wien, am 19. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001050948.X00

Im RIS seit

10.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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