TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/19 2002/05/0109

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Veröffentlicht am 19.03.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Dornbirn, vertreten durch Dr. Stefan Hämmerle, Mag. Johannes Häusle und Mag. Gernot Schwendinger, Rechtsanwälte in Dornbirn, Riedgasse 20/3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Jänner 2001, Zl. 609623/5- MKD/02-lec, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Partei: Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen der Beschwerde und den vorgelegten Beilagen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der am 20. Mai 1967 geborene, ledige Betroffene (Dr. H.T.) ist mit Hauptwohnsitz in Dornbirn, der Gemeinde des Beschwerdeführers, gemeldet. Seit 20. März 1997 ist er in Wien mit weiterem Wohnsitz gemeldet, wo er berufstätig ist.

In seiner Wohnsitzerklärung vom 7. Mai 2001 gab der Betroffene an, er halte sich rund 45 Tage im Jahr in Dornbirn, hingegen rund 320 Tage im Jahr in Wien auf. In Dornbirn wohne er bei seinen Eltern (die dort mit Hauptwohnsitz gemeldet seien). Mitbewohner werden in Wien nicht angegeben. Die Frage nach "Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften" wird hinsichtlich beider Wohnsitze nicht beantwortet. Der Weg zur Arbeitsstätte wird überwiegend von Wien aus angetreten.

Der Beschwerdeführer brachte in einer Stellungnahme an die belangte Behörde vom 14. November 2001 unter anderem vor, der Betroffene sei von Jänner 1982 bis Februar 1992 in Dornbirn mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen, er sei dort abermals seit März 1994 mit Hauptwohnsitz gemeldet.

In einer Stellungnahme an die belangte Behörde vom 8. Dezember 2001 brachte der Betroffene vor, seine Lebensbeziehungen seien auf zwei Wohnsitze aufgeteilt. Demnach habe er seine Heimatstadt Dornbirn als Hauptwohnsitz angegeben. Er sei unverheiratet und kinderlos. Seine Familie, seine Schul- und fast alle seine Studienfreunde lebten in Vorarlberg. Darüber hinaus pflege er dort auch seine beruflichen Kontakte, um sich eine Brücke für die Rückkehr zu sichern, was unter anderem auch seine Mitgliedschaft beim "Verein der Vorarlberger in Wien" zum Ausdruck bringe. Sein überwiegendes Naheverhältnis liege daher auf Grund der familiären und freundschaftlichen Bindungen eindeutig in Dornbirn.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Reklamationsantrag des mitbeteiligten Bürgermeisters (Bürgermeister der Bundeshauptstadt Wien) stattgegeben, den Hauptwohnsitz des Betroffenen (in Dornbirn) aufgehoben, und ausgesprochen, dass der Betroffene innerhalb eines Monats bei der für seinen nunmehrigen Hauptwohnsitz zuständigen Meldebehörde die erforderliche Meldung vorzunehmen habe.

Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass den tatsächlichen Angaben des Betroffenen zufolge Dornbirn nicht als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen anzusehen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Im Beschwerdefall steht fest, dass der 34-jährige Betroffene in Wien einer Beschäftigung nachgeht und in Wien in seiner Wohnung ohne Familienmitglieder als Mitbewohner wohnt. Der beschwerdeführende Bürgermeister macht (ebenso wie der Betroffene im Verwaltungsverfahren) gesellschaftliche, wie auch familiäre Beziehungen zu Dornbirn geltend, die zu Wien nicht bestünden. Die erforderliche Gesamtbetrachtung verleiht aber der beruflichen und der wirtschaftlichen Lebensbeziehung zu Wien ein deutliches Übergewicht. Demgegenüber tritt bei der im Reklamationsverfahren gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise die familiäre Bindung an die Eltern einer Person umsomehr in den Hintergrund, je mehr sich ihr Alter vom Erreichen der Volljährigkeit entfernt hat (wie auch, je länger sie am Ort der Berufsausübung Aufenthalt genommen hat). Gleichermaßen kommt den in ins Treffen geführten weiteren gesellschaftlichen Kontakten (Freundenskreis) wie auch den beruflichen Kontakten zwecks Sicherung einer "Brücke für eine Rückkehr" hier keine entscheidende Bedeutung zu. Im Falle einer solchen vom Betroffenen als möglich erachteten Rückkehr nach Vorarlberg wird dann das melderechtlich Erforderliche zu veranlassen sein. Zusammenfassend ist entgegen der Auffassung des beschwerdeführenden Bürgermeisters aus den Tatsachenvorbringen des Betroffenen nicht ableitbar, dass er in Dornbirn einen "Mittelpunkt von Lebensbeziehungen" hätte. Somit hat die belangte Behörde jedenfalls im Ergebnis den Hauptwohnsitz des Betroffenen in Dornbirn zu Recht aufgehoben.

Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050109.X00

Im RIS seit

13.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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