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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Christine Klaghofer in Wien, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Dr. Robert Steiner, Mag. Boris Knirsch, Mag. Michael Braun und Mag. Christian Fellner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. Oktober 2001, Zl. RU1-B-0112/00, betreffend Ersatzvornahme in einer Bausache, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,09 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 18. März 1986 hat der Bürgermeister der Marktgemeinde Judenau-Baumgarten dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin (E.B.) unter Setzung einer Frist den baupolizeilichen Auftrag erteilt, die auf dem Grundstück Nr. 903, KG Baumgarten, konsenslos errichtete Hütte samt dem Zubau abzubrechen. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des E.B. hat der Gemeinderat der genannten Marktgemeinde mit Bescheid vom 10. November 1986 hinsichtlich der Hütte stattgegeben, hinsichtlich des Zubaues zu dieser Hütte wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und für den Abbruch des Zubaues eine (neue) Frist bis längstens 31. Jänner 1987 festgelegt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführerin blieb ebenso erfolglos wie seine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1987, Zl. 87/05/0149, die Beschwerde des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführerin gegen den Abbruchauftrag betreffend den Zubau als unbegründet abgewiesen. In der Folge wurde der Zubau vom Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin im Herbst 1989 beseitigt, wobei allerdings das Fundament bestehen blieb. Der Bürgermeister der Gemeinde Judenau-Baumgarten hat sodann festgestellt, dass die Beschwerdeführerin, die das Grundstück mittlerweile gekauft hat, im Jahre 1998 auf den Fundamenten des alten Zubaues einen neuen Zubau im gleichen Ausmaß errichtete.
Mit Schreiben vom 28. Juli 1998 hat die Bezirkshauptmannschaft Tulln der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass an ihren Rechtsvorgänger ein Auftrag ergangen sei, die Hütte samt Zubau zu entfernen, der Auftrag sei sodann auf den Zubau eingeschränkt und dieser auch entfernt worden. Nunmehr sei von der Marktgemeinde festgestellt worden, dass auf dem vorhandenen Fundament des alten Zubaues ein neuer Zubau im gleichen Ausmaß errichtet werde. Da baubehördliche Aufträge dingliche Wirkung hätten, müsse die Beschwerdeführerin die begonnenen Arbeiten einstellen und den bereits begonnenen Zubau entfernen. Für die Durchführung der Arbeiten wurde eine Frist bis zum 30. August 1998 eingeräumt, sollte die Beschwerdeführerin bis dahin ihre Verpflichtung nicht erfüllt haben, werde die Behörde veranlassen, dass die Leistung auf Gefahr und Kosten der Beschwerdeführerin von einer dritten Person erbracht werde.
In der Folge hat die Beschwerdeführerin die nachträgliche Baubewilligung für den Zubau beantragt, die zwischenzeitlich rechtskräftig versagt wurde.
Die Bezirkshauptmannschaft Tulln hat Kostenvoranschläge über den Abbruch des Zubaues samt Unterboden und Fundament eingeholt, die B GesmbH hat einen Kostenvoranschlag in der Höhe von S 17.400,-
- (inklusive Mehrwertsteuer) vorgelegt. Mit Schreiben vom 20. März 2001 hat die Bezirkshauptmannschaft Tulln der Beschwerdeführerin in der "Angelegenheit des Vollstreckungsverfahrens zum Abbruch des Zubaues" eine Kopie des Kostenvoranschlags der B. GesmbH zur Stellungnahme übermittelt; die Beschwerdeführerin äußerte sich dahingehend, dass sie den Abbruch des Zubaues als nicht gerechtfertigt erachte.
Mit Bescheid vom 5. April 2001 hat die Bezirkshauptmannschaft Tulln die Durchführung der Ersatzvornahme laut Schreiben vom 28. Juli 1998 angeordnet und die Beschwerdeführerin beauftragt, als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme S 17.400,-- zu hinterlegen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Oktober 2001 als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerderüge, die belangte Behörde habe auch den Abbruch der Hütte angeordnet ohne zu berücksichtigen, dass auf Grund der Berufung des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Abtragungsauftrag hinsichtlich der Hütte abgeändert wurde, ist unbegründet, weil im Schreiben betreffend die Androhung der Ersatzvornahme vom 28. Juli 1998 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Auftrag auf den Zubau eingeschränkt wurde. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 5. April 2001 bezieht sich im Spruch ausdrücklich auf die mit Schreiben vom 28. Juli 1998 angedrohte Ersatzvornahme. Auch in der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin die Verpflichtung zur Entfernung des Zubaues treffe und sie dem Auftrag zur Entfernung des Zubaues nicht nachgekommen sei. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 5. April 2001 als unbegründet abgewiesen, ohne dass der Spruch neu gefasst worden wäre. Damit ist der erstinstanzliche Spruch unverändert im Berufungsbescheid aufgegangen. Der Spruch der Berufungsbehörde bezieht sich damit ausschließlich auf den Zubau, auch in der Begründung nimmt der angefochtene Bescheid Bezug auf das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 28. Juli 1998. Auch der Kostenerlag in der Höhe von S 17.400,-- bezieht sich ausschließlich auf die Entfernung des Zubaues. Damit ist eindeutig klargestellt, dass sich der Kostenerlag nur auf die Entfernung des Zubaues bezieht, daran vermag auch nichts zu ändern, dass im angefochtenen Bescheid zu Unrecht als Titelbescheid der Bescheid des Bürgermeisters vom 18. März 1986 und nicht der Bescheid des Gemeinderates genannt ist.
Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt, wenn auch aus anderen Gründen, als in der Beschwerde angeführt:
Wie dem vorgelegten Verwaltungsakt zu entnehmen ist, hat der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin im Herbst 1989 den Zubau abgebrochen, jedoch die Fundamente belassen. Auch die Bezirkshauptmannschaft Tulln geht in ihrem Schreiben vom 28. Juli 1998 davon aus, dass der Zubau in der Folge des rechtskräftigen Abbruchauftrages entfernt wurde.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, reicht die normative Wirkung von baupolizeilichen Aufträgen immer nur so weit, als den Aufträgen nicht entsprochen wurde; wurden die Aufträge erfüllt, kommt diesen keinerlei normative Bedeutung mehr zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. August 1995, Zl. 95/05/0172). Die Rechtskraft eines Bescheides erfasst nämlich nicht einen Sachverhalt, der sich nach Erlassung des Bescheides geändert hat. Im Beschwerdefall hat sich nach Erlassung des Abtragungsauftrages vom 10. November 1986 insofern der Sachverhalt wesentlich geändert, als der vom Abtragungsauftrag erfasste Zubau im Herbst 1989 entfernt wurde. Damit wurde dem Auftrag (mit Ausnahme der Entfernung des Fundamentes) entsprochen, der Bescheid entfaltet hinsichtlich des Aufbaues auf den Fundamenten keine Rechtwirkungen mehr.
Da die Beschwerdeführerin nun nach Abtragung des alten Zubaues einen neuen Zubau errichtet, ist dieser nicht mehr vom alten Abtragungsauftrag erfasst, auch wenn der neue Zubau dieselben Ausmaß aufweisen sollte, wie der beseitigte. Hinsichtlich des neuen Zubau-Aufbaues hätte somit der Bürgermeister der Gemeinde Judenau-Baumgarten einen neuen Beseitigungsauftrag erlassen müssen, dies jedoch nicht hinsichtlich der Fundamente, die nach wie vor vom rechtskräftigen Beseitigungsauftrag vom 10. November 1986 erfasst sind.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. März 2002
Schlagworte
Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftBaupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur RechtsverletzungsmöglichkeitRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001051173.X00Im RIS seit
13.06.2002Zuletzt aktualisiert am
08.08.2009