TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/19 2001/05/1198

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Veröffentlicht am 19.03.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Oktober 2001, Zl. 603.684/6-II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2. Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Gemeinde Stumm, 2. Thomas Angerer in 1090 Wien, Währinger Straße 107/27), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der am 7. September 1974 in Brixlegg geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist seit seiner Geburt in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (Gemeinde Stumm) mit Hauptwohnsitz (siehe § 23 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung des Hauptwohnsitzgesetzes BGBl. Nr. 505/1994; in der Folge kurz:

MeldeG) gemeldet. Seit 1997 ist er mit einem weiteren Wohnsitz in Wien gemeldet. Er studiert dort und tritt den Weg zum Studienplatz grundsätzlich von der Wiener Wohnung aus an.

Im Zuge des vom beschwerdeführenden Bürgermeister eingeleiteten Reklamationsverfahrens gab der Zweitmitbeteiligte in der Wohnsitzerklärung vom Mai 2001 an, in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters gemeinsam mit seinen Eltern ca. 190 Tage im Jahr zu wohnen. Die übrige Zeit (rd. 175 Tage im Jahr) verbringe er am Studienort Wien, der auch der Ausgangspunkt seines Weges zum Studienplatz sei. Sein Lebensmittelpunkt sei weiterhin Stumm, wo er (nicht weiter konkretisierte) "Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften" ausübe. In der Unterkunft in seiner Heimatgemeinde lebten mit den Eltern noch vier Brüder.

Der erstmitbeteiligte Bürgermeister gab eine inhaltlich ähnliche Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Stumm ab. Wien sei lediglich Studienort. Der damit zwangsläufig verbundene Aufenthalt allein reiche nicht aus, den bestehenden Hauptwohnsitz, der jedenfalls eine Mittelpunktqualität aufweise, aufzuheben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte den Zuspruch des Vorlageaufwandes. Die erstmitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher folgende, nunmehr im § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), verankerten Kriterien maßgeblich sind:

Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935 klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.

Bei Studenten hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, im Wesentlichen darauf abgestellt, ob das 26. Lebensjahr vollendet ist; verzögert sich das Studium dermaßen, dass auch die Altersgrenze für die Familienbeihilfe überschritten wird, ist die Annahme gerechtfertigt, dass sich die Nahebeziehung zum Studienort wesentlich verdichtet hat, sodass der Mittelpunktcharakter des Heimatortes im Allgemeinen nicht mehr bejaht werden kann. Davon abzugehen bietet auch der Beschwerdefall keinen Anlass, zumal vom Zweitmitbeteiligten keine über die üblichen familiären Bande eines Menschen zu seinen Eltern und Verwandten hinausgehenden Gründe für eine Nahebeziehung zum Heimatort angegeben worden sind.

Ausgehend davon hat im vorliegenden Fall der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits 27 Jahre alte Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte. Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben.

Wien, am 19. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001051198.X00

Im RIS seit

13.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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