TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/19 2001/05/0950

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Veröffentlicht am 19.03.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §1 Abs6;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §17 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Juni 2000, Zl. 600.536/5-II/13/00, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Marktgemeinde Bad Hofgastein in 5630 Bad Hofgastein, 2. Helmut Frank in 1220 Wien, Fiebrichgasse 14), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wir wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Der am 20. Juni 1977 geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist mit Hauptwohnsitz in Bad Hofgastein gemeldet. Seit 15. März 1999 ist der Zweitmitbeteiligte in Wien mit weiterem Wohnsitz gemeldet.

In dem vom Zweitmitbeteiligten ausgefüllten Erhebungsblatt vom 10. Jänner 2000 gab er an, in Wien berufstätig zu sein und den Weg zur Arbeitsstätte überwiegend von seiner Wiener Wohnung aus anzutreten. Werktags halte er sich in Wien auf, während er die Wochenenden in Bad Hofgastein verbringe. Dort lebe er mit seiner Mutter, in Wien hingegen wohne er mit keinen Familienmitgliedern. Die aktiven gesellschaftlichen Betätigungen seien in Bad Hofgastein ebenso intensiv wie in Wien. Als weitere berufliche Betätigung gab der Zweitmitbeteiligte die Vermietung von Lokalen in Bad Hofgastein an. Nach seinen Angaben sei Bad Hofgastein "sein Bezugsort im Leben" und sein "finanzieller Hauptstandort", während der Aufenthalt in Wien nur übergangsweise der beruflichen Weiterbildung diene. Der Erstmitbeteiligte wies u.a. darauf hin, dass der Zweitmitbeteiligte Miteigentümer der "Liegenschaft Kur- und Apartmenthaus Dr. S..." und Alleineigentümer zweier Geschäftslokale sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Bad Hofgastein ab. Das Ermittlungsverfahren habe gezeigt, dass der Schwerpunkt der beruflichen Lebensbeziehungen des Zweitmitbeteiligten in Wien, der "Familienwohnsitz" und somit der gesellschaftliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen hingegen in Bad Hofgastein liege. Durch den Besitz bzw. Mitbesitz von Liegenschaften in Bad Hofgastein sei auch ein wirtschaftlicher Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen gegeben. Der Zweitmitbeteiligte habe im Verfahren das überwiegende Naheverhältnis zu dem Wohnsitz in Bad Hofgastein dargelegt. Auf Grund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens und einer Gesamtbetrachtung der Lebensbeziehungen der Zweitmitbeteiligten reiche der Arbeitsplatz - und somit der Schwerpunkt der Berufstätigkeit - allein nicht aus, um seinen Hauptwohnsitz in Bad Hofgastein, der den Mittelpunkt der familiären und wirtschaftlichen Lebensbeziehungen darstelle, aufzuheben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebende "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiellrechtlichen Kriterium "Mittelpunkt der Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher - wie den Erläuterungen der Regierungsvorlage (1334 BlgNR 18. GP, S. 12) zum HauptwohnsitzG, BGBl. Nr. 505/1994, zu entnehmen ist - vor allem folgende Bestimmungskriterien maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden und die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits angeführten hg. Erkenntnis, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen). Das Reklamationsverfahren wird für den antragstellenden Bürgermeister nur erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhalts nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (vgl. dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis, Zl. 2001/05/0935).

Ausgehend von den Angaben des ledigen 24-jährigen Zweitmitbeteiligten steht im Beschwerdefall fest, dass er in Wien seiner Berufstätigkeit nachgeht. Er macht familiäre und wirtschaftliche Beziehungen zu Bad Hofgastein geltend, die in Wien nicht bestünden. Die erforderliche Gesamtbetrachtung verleiht der beruflichen Lebensbeziehung ein deutliches Übergewicht. Demgegenüber tritt bei der im Reklamationsverfahren gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise die familiäre Bindung einer ledigen Person umso mehr in den Hintergrund, je mehr sich ihr Alter vom Erreichen der Volljährigkeit entfernt hat.

In Anbetracht der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers und des Umstandes, dass Bad Hofgastein von Wien relativ weit entfernt ist, sodass ein "Wochenpendeln" unrealistisch ist, muss eine derartige Reduktion der Beziehungen angenommen werden, dass eine Mittelpunktqualität des dortigen Wohnsitzes nicht mehr vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, 2001/05/1146). Auch das Miteigentum an einer Liegenschaft mit Kur- und Apartmenthaus und das Eigentum an zwei Geschäftslokalen (die der Zweitmitbeteiligte vermietet) im Heimatort vermag an dieser rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern, zumal eine berufliche Tätigkeit mit diesem Eigentum nicht verbunden ist.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers (angesprochen wurde ein Schriftsatzaufwand) war abzuweisen, weil er nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 VwGG i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997).

Wien, am 19. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001050950.X00

Im RIS seit

10.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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