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41/02 Melderecht;Norm
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Oktober 2001, Zl. 605.999/6-II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz, 2. Alexandra Jungbauer in 1190 Wien, Schegargasse 9/30), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die am 9. Oktober 1973 in Linz geborene, ledige Zweitmitbeteiligte ist seit 1986 in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters (Landeshauptstadt Linz) mit Hauptwohnsitz (siehe § 23 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung des Hauptwohnsitzgesetzes BGBl. Nr. 505/1994; in der Folge kurz:
MeldeG) gemeldet. Seit 1998 ist sie mit einem weiteren Wohnsitz in Wien gemeldet. Sie studiert dort und tritt den Weg zum Studienplatz grundsätzlich von der Wiener Mietwohnung aus an, die sie allein bewohnt.
Im Zuge des vom beschwerdeführenden Bürgermeister eingeleiteten Reklamationsverfahrens gab die Zweitmitbeteiligte über Aufforderung der belangten Behörde im Erhebungsblatt zur Feststellung des Hauptwohnsitzes vom Dezember 2000 und in der Wohnsitzerklärung vom Mai 2001 an, in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters gemeinsam mit ihren Eltern ca. 210 Tage im Jahr zu wohnen. Die übrigen Zeit (rd. 150 Tage im Jahr) verbringe sie am Studienort Wien, der auch der Ausgangspunkt ihres Weges zum Studienplatz sei. Linz habe sie als Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen auf Grund der Aufenthaltsdauer und der Beziehungen zu ihren Familienangehörigen gewählt. Sonstige gesellschaftliche Kontakte bestünden weder in Linz noch in Wien.
Der erstmitbeteiligte Bürgermeister gab eine ähnliche Stellungnahme ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in Linz ab. Der Schwerpunkt der beruflichen ("ausbildungsmäßigen") Lebensbeziehungen der Zweitmitbeteiligten läge in Wien; "Familienwohnsitz", gesellschaftlicher Schwerpunkt sei hingegen Linz. Das soziale Umfeld der Zweitmitbeteiligten sei dort konzentriert. Der Ausbildungsplatz in Wien reiche allein nicht, um den Hauptwohnsitz der Zweitmitbeteiligten in Linz, der den Mittelpunkt der familiären und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen darstelle, aufzuheben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte den Zuspruch des Vorlageaufwandes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die Bestimmungskriterien des § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001), maßgeblich sind: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935 klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind. Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben.
Bei Studenten hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, im Wesentlichen darauf abgestellt, ob das 26. Lebensjahr vollendet ist; verzögert sich das Studium dermaßen, dass auch die Altersgrenze für die Familienbeihilfe überschritten wird, ist die Annahme gerechtfertigt, dass sich die Nahebeziehung zum Studienort wesentlich verdichtet hat, sodass der Mittelpunktcharakter des Heimatortes im Allgemeinen nicht mehr bejaht werden kann. Davon abzugehen bietet auch der Beschwerdefall keinen Anlass, zumal von der Beschwerdeführerin keine über die üblichen familiären Bande eines Menschen zu seinen Eltern hinausgehenden Gründe für eine Nahebeziehung zum Heimatort angegeben worden sind.
Ausgehend davon hat im vorliegenden Fall die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits 28 Jahre alte Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte. Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben.
Wien, am 19. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001051195.X00Im RIS seit
13.06.2002