TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/19 2001/05/1197

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Veröffentlicht am 19.03.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Oktober 2001, Zl. 604.157/6- II/13/01, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien:

1. Bürgermeister der Gemeinde Pfarrkirchen bei Bad Hall, 2. Alfred Klausner in 1210 Wien, Fahrbachgasse 13-15/3/5), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 2. Februar 1963 in Bad Hall geborene, verheiratete Zweitmitbeteiligte ist seit Geburt mit Hauptwohnsitz (siehe § 23 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung des Hauptwohnsitzgesetzes BGBl. Nr. 505/1994; in der Folge kurz: MeldeG) in 4540 Pfarrkirchen bei Bad Hall gemeldet. Seit 1994 ist er Hälfteeigentümer einer dort gelegenen Liegenschaft mit einer dazugehörigen Eigentumswohnung im Obergeschoss. Seit 15. Juli 1999 ist er mit einem weiteren Wohnsitz in Wien gemeldet. Von der Wiener Wohnung, in welcher er mit seiner dort ebenfalls mit einem weiteren Wohnsitz gemeldeten Ehegattin wohnt, tritt der Zweitmitbeteiligte den Weg zu seiner Arbeitsstätte an.

In seiner Wohnsitzerklärung gab der Zweitmitbeteiligte an, dass er ca. 100 Tage im Jahr in seinem Heimatort Pfarrkirchen verbringe; in seiner dortigen Unterkunft lebten seine Mutter und Schwester; seine Ehegattin sei dort ebenfalls mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seine 1989 außerhalb der Ehe geborene Tochter wohne bei deren Mutter in Bad Hall, habe jedoch in seinem "Familienhaus" ein eigenes Zimmer. 265 Tage im Jahr verbringe er hingegen in Wien. Weder in Wien noch in Pfarrkirchen übe er eine Funktion in öffentlichen oder privaten Körperschaften aus.

Der erstmitbeteiligte Bürgermeister gab eine Stellungnahme im Sinne des Vorbringens des Betroffenen ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes des Zweitmitbeteiligten an der gemeldeten Adresse in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters ab. Sie folgte den Angaben des Zweitmitbeteiligten in seiner Wohnsitzerklärung. Die belangte Behörde folgerte daraus, dass der berufsmäßige Mittelpunkt der Lebensbeziehungen in Wien liege, der "Familienwohnsitz" und somit der gesellschaftliche Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen liege hingegen eindeutig in Pfarrkirchen, wo sein soziales Umfeld konzentriert sei. Das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", welches nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck komme, gebe daher im Beschwerdefall den Ausschlag.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und begehrt den Zuspruch des Vorlageaufwandes. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften und beantragten die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im zulässigerweise eingeleiteten Reklamationsverfahren wird die bis dahin für den Hauptwohnsitz des Betroffenen ausschließlich maßgebliche "Erklärung" des Meldepflichtigen dahingehend "hinterfragt, ob der erklärte Hauptwohnsitz den in Art. 6 Abs. 3 B-VG (§ 1 Abs. 7 MeldeG) normierten objektiven Merkmalen entspricht" (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2001, G 139/00-10, u.a.). Die Lösung der im Reklamationsverfahren maßgeblichen Rechtsfrage des Hauptwohnsitzes des Betroffenen hängt an dem materiell-rechtlichen Kriterium "Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen". Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales kommt es auf eine Gesamtschau an, bei welcher die nunmehr im § 1 Abs. 8 MeldeG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 28/2001) verankerten Kriterien maßgeblich sind:

Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, klargestellt, dass das subjektive Kriterium "überwiegendes Naheverhältnis", das nur in der persönlichen Einstellung des Betroffenen zum Ausdruck kommt, nur in den Fällen den Ausschlag gibt, in denen als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zwei oder mehrere "Mittelpunkte der Lebensbeziehungen" des Betroffenen hervorgekommen sind (also wenn ausnahmsweise zwei oder mehrere Wohnsitze des Betroffenen solche Mittelpunkte darstellen, wobei die vom Betroffenen vorgenommene Bezeichnung eines Hauptwohnsitzes allein nicht jedenfalls maßgeblich ist). Das Reklamationsverfahren wird nur dann für den antragstellenden Bürgermeister erfolgreich sein, wenn der Betroffene ein "überwiegendes Naheverhältnis" an einem Ort behauptet, an dem er keinen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen (§ 1 Abs. 7 MeldeG) hat, mag er dort auch einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 6 MeldeG haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch klargelegt, dass eine "absolute Sicherheit" über die Lebenssituation des Meldepflichtigen für die Evaluierung des zu beurteilenden Sachverhaltes nicht notwendig ist; der Gesetzgeber hat durch die Regelung des § 17 Abs. 3 MeldeG bewusst die in Rede stehenden Unschärfen aus rechtspolitischen Gründen in Kauf genommen (siehe dazu näher das genannte Erkenntnis vom 13. November 2001, Zl. 2001/05/0935, oder auch das weitere Erkenntnis vom selben Tag, Zl. 2001/05/0930).

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass der Zweitmitbeteiligte auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit in Wien zwar (auch) einen "Mittelpunkt der Lebensbeziehungen" hat. Die belangte Behörde hat jedoch zutreffend einen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Zweitmitbeteiligten in seiner Heimatgemeinde Pfarrkirchen bei Bad Hall deshalb bejaht, weil er dort neben seinen wirtschaftlichen auch familiäre Beziehungen hat, denen im Beschwerdefall deshalb besondere Bedeutung zukommen, weil in unmittelbarer Nähe seines dortigen Wohnsitzes auch seine minderjährige Tochter wohnt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, Zl. 2001/05/1023). Im Beschwerdefall ist daher davon auszugehen, dass dem Zweitmitbeteiligten ein Wahlrecht zukam.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung grünet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001, wobei § 47 Abs. 4 VwGG nicht zu Anwendung gelangt (vgl. den hg. Beschluss vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/05/0255).

Wien, am 19. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001051197.X00

Im RIS seit

13.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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