TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/19 2002/05/0004

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Veröffentlicht am 19.03.2002
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Index

L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L82000 Bauordnung;
L82001 Bauordnung Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
BauG Bgld 1997 §17 Abs1;
BauG Bgld 1997 §17 Abs2;
BauG Bgld 1997 §17;
BauG Bgld 1997 §18 Abs2;
BauG Bgld 1997 §2 Abs1;
BauG Bgld 1997 §2 Abs3;
BauG Bgld 1997 §2 Abs6;
BauG Bgld 1997 §25;
BauG Bgld 1997 §26 Abs1;
BauG Bgld 1997 §26 Abs2;
BauG Bgld 1997 §26;
BauG Bgld 1997 §27;
BauG Bgld 1997 §28 Abs2;
BauG Bgld 1997 §28;
BauG Bgld 1997 §3 Z2;
BauG Bgld 1997 §3 Z3;
BauG Bgld 1997 §3;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Dipl. Ing. Doris Höpler in Wien, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 2, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 20. November 2001, Zl. 5-BB-107-187/3-3, betreffend Erteilung eines Bauauftrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Winden am See vom 12. April 1989 wurde das Grundstück Nr. 39, KG Winden am See, gemäß § 13 Abs. 3 bis 5 der Bgld. Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970, zum Bauplatz erklärt und für die Bebauung des Bauplatzes u. a. festgesetzt:

"3. Es wird die geschlossene Bebauung festgelegt."

Mit einem weiteren Bescheid vom 12. April 1989 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Winden am See der Beschwerdeführerin u. a. die baubehördliche Bewilligung für den Neubau einer Halle auf dem vorgenannten Grundstück nach Maßgabe der Baubeschreibung, der mit einem Bewilligungsvermerk versehenen Planunterlagen sowie unter Vorschreibung näher genannter Nebenbestimmungen.

Dem im vorgelegten Verwaltungsakt einliegenden Plan ist zu entnehmen, dass die über 580 m2 große Lagerhalle entlang der Grundstücksgrenzen zum westlich gelegenen Grundstück Nr. 38 und zum östlich gelegenen Grundstück Nr. 40 in geschlossener Bauweise errichtet werden soll. Vorgesehen war, dass die erforderlichen Dachrinnen unmittelbar über den auf der Grundstücksgrenze zu errichtenden tragenden Bauwerksteilen (also auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin) angebracht werden.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 1991 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Winden am See der Beschwerdeführerin gemäß § 105 der Bgld. Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970, die Benützungsbewilligung für das bewilligte Bauvorhaben. Abweichungen von der Baubewilligung wurden nicht festgestellt und auch nicht nachträglich bewilligt. In der diesem Bescheid zugrunde liegenden Verhandlungsschrift vom 7. Oktober 1991 ist festgehalten, dass "die Bauwerberin (...) den Neubau einer Halle laut Plan und Baubeschreibung ausgeführt" hat.

Anlässlich einer mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2000 an Ort und Stelle stellte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See als Baubehörde erster Instanz fest, dass anstelle der im Baubewilligungsbescheid genehmigten "Saumrinnen entlang der Grundstücksgrenzen Hängerinnen" an der baubehördlich genehmigten Lagerhalle angebracht worden sind.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2000 teilte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See der Beschwerdeführerin mit, dass die vorhandene Hängerinne eine nicht baubehördlich bewilligte Bauführung im Sinne des § 26 Abs. 2 Bgld. Baugesetz darstelle. Für den Fall, dass die Hängerinne belassen werden solle, wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, bis längstens 30. November 2000 um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen. Die Beschwerdeführerin ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen, vielmehr hat sie in einer Stellungnahme vom 30. November 2000 ausgeführt, der frühere Eigentümer des Nachbargrundstückes habe die Zustimmung erteilt, dass anstelle einer Saumrinne eine über Fremdgrund hängende Hängerinne errichtet werden kann; diese vom Grundstücksnachbarn anlässlich der Schlussüberprüfung am 7. Oktober 1991 abgegebene Erklärung habe die Baubehörde zur Kenntnis genommen. Demzufolge sei von der Baubehörde auch festgestellt worden, dass das Bauvorhaben bewilligungsgemäß ausgeführt worden sei. Die nunmehrige Eigentümerin des Nachbargrundstückes könne sich dadurch nicht beschwert erachten, weil sie erst zu einem späteren Zeitpunkt das Grundstück mit allen Rechten und Pflichten des Voreigentümers erworben habe. Dieser Stellungnahme hat die Beschwerdeführerin Kopien von mit 5. November 2000 datierten Bestätigungen von Einverständniserklärungen beigelegt.

Mit Schreiben vom 4. Juli 2001 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See die Beschwerdeführerin um Mitteilung, "ob zwischenzeitlich die Hängerinne durch eine Saumrinne ersetzt wurde, bzw. ob entsprechende Grundbuchsauszüge der Nachbargrundstücke vorgelegt werden können". Sollte eine Stellungnahme bis längstens 30. August 2001 nicht einlangen, werde die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes bescheidmäßig verfügt werden.

In ihrer Stellungnahme vom 28. Juni 2001 beantragte die Beschwerdeführerin "den Bauzustand, wie er mit der Zustimmung des Voreigentümers errichtet wurde, zu belassen".

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 4. Oktober 2001 wurde gemäß § 26 Abs. 2 Bgld. Baugesetz 1997 verfügt, dass die beschwerdeführende "Bauträgerin (...) bei der auf Grundstück Nr. 39, KG Winden am See, bestehenden (...) Halle den gesetzmäßigen Zustand bis längstens 30.4.2002 wie folgt wiederherstellt:

1. Es sind die bei der gg. Halle derzeit bestehenden Hängerinnen, die über die Grundstücksgrenzen auf die Grundstücke 38 und 40 ragen, zu entfernen und

2. an deren Stelle sind jeweils Saumrinnen anzubringen."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Die Anbringung von die Nachbargrundstücke überragenden Hängerinnen anstelle der genehmigten, auf Eigengrund der Beschwerdeführerin anzubringenden Saumrinnen sei im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung bis zum 31. Jänner 1998 auf Grund der Bestimmungen der Bgld. Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970, und nunmehr seit dem 1. Februar 1998 auf Grund der Bestimmungen des Bgld. Baugesetzes bewilligungspflichtig gewesen. Ein Bauverfahren könne von der Baubehörde nur auf Grund eines den jeweils geltenden Rechtsvorschriften entsprechenden Antrages eingeleitet werden. Weder dem Bauakt der Gemeinde Winden am See noch jenem der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See sei zu entnehmen, dass von der Beschwerdeführerin jemals ein Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für die Anbringung von die Nachbargrundstücke überragenden Hängerinnen anstelle der genehmigten auf Eigengrund der Beschwerdeführerin anzubringenden Saumrinnen gestellt worden wäre. Eine Einverständniserklärung der Nachbarn für die Errichtung der Hängerinnen habe es nie gegeben. Dem Benützungsbewilligungsbescheid sei nicht zu entnehmen, dass Abweichungen vom Konsens - auch nicht geringfügige - genehmigt worden seien. Selbst wenn die Baubehörde die verfahrensgegenständlichen - wesentlichen - Abweichungen bei der Schlussprüfung festgestellt hätte, wäre ihr die Erteilung der Baubewilligung im Rahmen des Benützungsbewilligungsverfahrens verwehrt gewesen. Die verfahrensgegenständlichen Änderungen hätte die Beschwerdeführerin nur auf Grund eines Ansuchens gemäß § 90 Bgld. Bauordnung unter Anschluss der nach § 91 leg. cit. vorzulegenden Baupläne und Baubeschreibungen und in der Folge nach Erteilung einer entsprechenden Baubewilligung durchführen dürfen. Die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See sei zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Abänderung der auf Eigengrund der Beschwerdeführerin anzubringenden Saumrinnen auf die Nachbargrundstücke durch überragende Hängerinnen um eine nicht baubehördlich bewilligte Bauführung handle. Die Beschwerdeführerin sei von der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See formell aufgefordert worden, um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen; dieser Aufforderung habe die Beschwerdeführerin keine Folge geleistet. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Bei diesem Ergebnis sei es nicht erforderlich gewesen, die von der Beschwerdeführerin beantragten Zeugen bezüglich einer allfälligen Zustimmungserklärung einzuvernehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem Vorbringen zufolge in dem Recht auf Abstandnahme von der Erteilung eines Bauauftrages verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Das Herstellen einer Hängerinne anstatt einer Saumrinne stelle eine geringfügige Abweichung vom Inhalt der Baubewilligung dar, für welche eine nachträgliche Baubewilligung nicht erforderlich sei. Der Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See um nachträgliche Baubewilligung diesbezüglich einzukommen, sei daher nicht gesetzmäßig. Tatsächlich befände sich die Hängerinne nur zum Teil über dem Nachbargrundstück, weshalb ein diesbezüglicher Auftrag nur dahingehend lauten hätte dürfen, dass der geringe über die Grundstücksgrenze ragende Teil der Hängerinne zu entfernen und an dieser Stelle eine Saumrinne herzustellen sei. Bauträger und Bauwerber sei die Höpler Gesellschaft mbH und nicht die Beschwerdeführerin gewesen, weshalb der Auftrag nicht an die Beschwerdeführerin erteilt hätte werden dürfen.

Die belangte Behörde habe unbeachtet gelassen, dass ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen dem Voreigentümer der Nachbargrundstücke und der Beschwerdeführerin vorliege, auf Grund dessen ihr gestattet sei, die Hängerinne über der Grundstücksgrenze anzubringen. Diese Duldungsverpflichtung gehe auf sämtliche spätere Eigentümer der Nachbargrundstücke über, solange keine gegenteilige Vereinbarung getroffen werde.

Jedenfalls rechtswidrig sei der Auftrag insoweit, als der Beschwerdeführerin auch aufgetragen worden sei, den über ihrem Grundstück befindlichen Teil der Hängerinne zu entfernen. Der äußerst geringe über die Grundstücksgrenze ragende Teil der Hängerinne sei im Verhältnis zum Gesamtbauwerk sowie im Verhältnis zum weitaus größeren verbleibenden Teil der Hängerinne, welcher sich über dem Grundstück der Beschwerdeführerin befinde, zu vernachlässigen; es könne nicht mehr von einer Wesentlichkeit ausgegangen werden.

Mangelhaft sei das Verfahren vor der belangten Behörde geblieben, weil die als Zeugen namhaft gemachten Personen zur entscheidungswesentlichen Frage der Zustimmung zur Errichtung der Hängerinnen über den Nachbargrundstücken nicht einvernommen worden seien. Da die belangte Behörde auch nicht geprüft habe, ob die Hängerinne tatsächlich über die Grundstücksgrenze rage bzw. welcher Anteil des Gesamtausmaßes der Hängerinne tatsächlich eine Verletzung des Luftraumes des Nachbargrundstückes darstelle, sei auch diesbezüglich das Verfahren mangelhaft geblieben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsvorschriften des Bgld. Baugesetzes 1997 - Bgld. BauG, LGBl. Nr. 10/1998, haben

folgenden Wortlaut:

"§ 2

Begriffsbestimmungen

...

(6) Bauträger im Sinne dieses Gesetzes ist, in wessen Auftrag und auf wessen Kosten Bauvorhaben ausgeführt werden.

...

V. Abschnitt

Durchführung des Bauvorhabens und Bauaufsicht

§ 24

Verantwortlichkeit des Bauträgers

(1) Der Bauträger hat mit der Ausführung des bewilligten Bauvorhabens nach den gesetzlichen Vorschriften befugte Personen zu beauftragen.

(2) Der Bauträger hat der Baubehörde den Baubeginn bekannt zu geben und für die bewilligungsgemäße Ausführung des Bauvorhabens zu sorgen.

...

§ 25

Bauüberprüfung durch Organe der Baubehörde

(1) Die Baubehörde kann sich von der vorschrifts- und bewilligungsgemäßen Bauausführung jederzeit durch Besichtigungen überzeugen. Besteht der begründete Verdacht einer Übertretung, hat die Baubehörde eine Bauüberprüfung vorzunehmen.

(2) Den Organen der Baubehörde ist zur Vornahme der Überprüfungen jederzeit der Zutritt zum Bau zu gewähren. Auch sind auf Verlangen alle Auskünfte über die Bauausführung zu erteilen.

§ 26

Mangelhafte und nicht genehmigte Bauführung

(1) Werden bei einer Überprüfung Mängel festgestellt, hat die Baubehörde deren Behebung innerhalb angemessener Frist anzuordnen. Werden die Mängel innerhalb dieser Frist nicht behoben, hat die Baubehörde die Herstellung des vorschriftsmäßigen und konsensmäßigen Zustandes oder die teilweise oder gänzliche Beseitigung des Baues zu verfügen.

(2) Wird ein bewilligungspflichtiges oder anzeigepflichtiges Bauvorhaben ohne Baubewilligung bzw. Baufreigabe ausgeführt oder im Zuge der Bauausführung vom Inhalt der Baubewilligung oder Baufreigabe wesentlich abgegangen, hat die Baubehörde die Einstellung der Arbeiten schriftlich zu verfügen und den Bauträger aufzufordern, binnen vier Wochen um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen bzw. die Bauanzeige zu erstatten. Kommt der Bauträger dieser Aufforderung innerhalb der Frist nicht nach oder wird die Baubewilligung bzw. die Baufreigabe nicht erteilt, hat die Baubehörde die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes zu verfügen.

§ 27

Fertigstellungsanzeige, Schlussüberprüfung, Benützungsfreigabe

Der Bauträger hat die Fertigstellung des Gebäudes bei der Baubehörde anzuzeigen. (...) Liegen Mängel oder wesentliche Abweichungen von der Baubewilligung oder Baufreigabe vor (§ 26), hat der die Schlussprüfung vorzunehmende Bausachverständige die Baubehörde zu verständigen. Wird ein solches Schlussüberprüfungsprotokoll nicht beigebracht, hat die Baubehörde die Schlussüberprüfung durch einen Bausachverständigen binnen drei Wochen vornehmen zu lassen. Die Baubehörde hat binnen drei Wochen nach Erhalt eines positiven Schlussüberprüfungsprotokolles schriftlich die Benützungsfreigabe zu erteilen. Vor der Benützungsfreigabe darf das Gebäude nicht benützt werden.

§ 28

Baugebrechen

(1) Der Eigentümer von Bauten hat dafür zu sorgen, dass diese in einem der Baubewilligung entsprechenden Zustand erhalten werden. Er hat Baugebrechen und Mängel, durch welche die baupolizeilichen Interessen beeinträchtigt werden, beheben zu lassen.

(2) Kommt der Eigentümer eines Baues seiner Verpflichtung gemäß Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbinden ist unter Beiziehung der erforderlichen Sachverständigen die Behebung des Baugebrechens oder der Mängel binnen angemessener Frist zu verfügen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen auf Kosten des Verpflichteten zu veranlassen.

..."

Die Baubehörden haben den hier zu beurteilenden, auf § 26 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 gestützten Bauauftrag der Beschwerdeführerin als Bauträgerin erteilt.

Der Begriff des Bauträgers im Sinne des § 2 Abs. 6 Bgld. BauG 1997 ist im Wesentlichen mit dem von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Begriff des Bauherrn ident (siehe hiezu Krzizek, System des österreichischen Baurechts, I. Band, Seite 11, sowie das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 96/05/0253, m. w. N.). Der Bauträger gemäß § 2 Abs. 6 Bgld. BauG 1997 muss mit dem im § 18 Abs. 2 leg. cit. genannten Bauwerber (Grundeigentümer oder andere Person mit Zustimmung des Grundeigentümers) nicht ident sein. Gemäß § 24 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 hat er im Besonderen für die bewilligungsgemäße Ausführung des Bauvorhabens zu sorgen. Verstößt er gegen diese Verpflichtung, kann die Baubehörde ihm einen Auftrag gemäß § 26 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 bei Vorliegen der darin (weiters) genannten Tatbestandsvoraussetzungen erteilen.

Der hier zu beurteilende Bauauftrag bezieht sich auf einen Teil einer baubehördlich bewilligten Lagerhalle (Dachrinnen), demnach auf ein Gebäude. (Gemäß § 2 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 sind Gebäude Bauten, die von Menschen betreten werden können und Räume zum Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen allseits umschließen.)

Das von einem Auftrag nach § 26 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 erfasste bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige Gebäude kann Grundlage eines Bauauftrages nur während der Ausführung des Bauvorhabens bis zur Erteilung der Benützungsfreigabe gemäß § 27 Bgld. BauG 1997 sein. Die im § 25 Bgld. Baugesetz 1997 normierte "Bauüberprüfung durch Organe der Baubehörde" hat vordringlich die Gewährleistung der Einhaltung der Bauvorschriften während der Bauausführung im Auge. Dies folgt insbesondere auch aus der daran anschließenden Gesetzesstelle des § 26 Bgld. BauG 1997, welche mit "mangelhafte und nicht genehmigte Bauführung" überschrieben ist und - wie sich aus der Textierung des Abs. 2 dieses Paragraphen eindeutig ergibt - darunter Mängel im Zuge der Bauausführung versteht. (Dies folgt insbesondere aus der gegenwartsbezogenen Satzstellung im ersten Satzteil des § 26 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 "wird ein bewilligungspflichtiges oder anzeigepflichtiges Bauvorhaben ohne Baubewilligung bzw. Baufreigabe ausgeführt"). Nach dem klaren Wortlaut des § 26 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 hat demnach die Baubehörde im Falle einer Bauausführung eines bewilligungspflichtigen oder anzeigepflichtigen Bauvorhabens ohne Baubewilligung bzw. Baufreigabe oder einer wesentlichen Abweichung vom Inhalt der Baubewilligung oder Baufreigabe im Zuge der Bauausführung schriftlich die Einstellung der Arbeiten zu verfügen und den Bauträger aufzufordern, binnen vier Wochen um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen bzw. die Bauanzeige zu erstatten. Kommt der Bauträger dieser Aufforderung nicht nach oder wird die beantragte Bewilligung oder Baufreigabe nicht erteilt, hat die Baubehörde gegenüber dem Bauträger die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes zu verfügen. Wie dem ersten Satz des § 27 Bgld. Baugesetz 1997 zu entnehmen ist ("Der Bauträger hat die Fertigstellung des Gebäudes bei der Baubehörde anzuzeigen."), können Aufträge nach § 26 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 an den Bauträger bis zur Benützungsfreigabe durch die Behörde erteilt werden.

Nach Erteilung der Benützungsfreigabe für ein Gebäude gemäß § 27 Bgld. BauG 1997 darf aber die Baubehörde nicht mehr gegen den Bauträger gemäß § 26 Abs. 2 leg. cit. vorgehen, sondern hat bei Baugebrechen und Mängeln, durch welche die baupolizeilichen Interessen nach § 3 beeinträchtigt werden, mittels Bauauftrages gemäß § 28 dieses Gesetzes gegen den Eigentümer eines Baues vorzugehen. Es bedarf im Beschwerdefall keiner weiteren Erörterung, ob nicht der im § 28 Bgld. BauG 1997 enthaltene Begriff "Baugebrechen" bereits im Tatbestandsmerkmal "Mängel, durch welche die baupolizeilichen Interessen (§ 3) beeinträchtigt werden" enthalten ist. Jedenfalls liegen Mängel im Sinne dieser Gesetzesstelle vor, wenn sie den für die Zulässigkeit von Bauvorhaben im § 3 genannten baupolizeilichen Interessen, die zentraler Prüfungsmaßstab der Baubehörden im Bauverfahren sind (siehe die bei Hauer, Burgenländisches Baurecht, wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen zu § 3), widersprechen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die im § 26 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 geforderte Wesentlichkeit der Abweichung der Bauausführung vom Inhalt der Baubewilligung oder Baufreigabe dann anzunehmen ist, wenn mit dem Abgehen von der Baubewilligung oder Baufreigabe baupolizeiliche Interessen im Sinne des § 3 Bgld. BauG 1997 verletzt werden.

Eine Fertigstellungsanzeige gemäß § 27 Bgld. BauG 1997 mit Schlussüberprüfung und Benützungsfreigabe ist zwar nur für bewilligungspflichtige und anzeigepflichtige Gebäude vorgesehen, für andere bewilligungspflichtige oder anzeigepflichtige Bauvorhaben (siehe hiezu die im § 2 Abs. 1 und 3 Bgld. BauG 1997 enthaltenen Begriffsbestimmungen für Bauten und Bauwerke) hat jedoch entsprechend der Systematik der hier zu beachtenden Regelungen zu gelten, dass bis zur Fertigstellung des Bauwerkes an den Bauträger für mangelhafte und nichtgenehmigte Bauführung ein Auftrag gemäß § 26 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 zu erteilen ist, nach Fertigstellung des Bauwerkes kann hingegen bei Vorliegen von "Baugebrechen" im Sinne des § 28 leg. cit. (d. s. Baugebrechen und Mängel, durch welche die baupolizeilchen Interessen beeinträchtigt werden) nur mehr gegen den Eigentümer des Bauwerkes vorgegangen werden.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die von der Behörde gegenüber dem jeweiligen Verpflichteten zu setzenden Maßnahmen (siehe die im Gesetz verwendeten Begriffe: anordnen, verfügen, auffordern) mittels Bescheides aufzutragen sind.

Als für den Beschwerdefall relevantes Ergebnis ist festzuhalten, dass die Baubehörden gegen die Beschwerdeführerin nicht gemäß § 26 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 vorgehen hätten dürfen, weil für das vom Bauauftrag erfasste Gebäude eine § 27 leg. cit. entsprechende Benützungsfreigabe vorliegt. Die Beseitigung festgestellter Mängel am Gebäude der Beschwerdeführerin kann daher nur mehr nach §  28 Bgld. BauG 1997 angeordnet werden.

§ 28 Bgld. BauG 1997 sieht im Abs. 2 vor, dass dem Eigentümer des Baus (nur) die Behebung festgestellter Baugebrechen oder Mängel binnen angemessener Frist aufgetragen werden kann. Eine Aufforderung, um nachträgliche Baubewilliung anzusuchen bzw. die Bauanzeige zu erstatten, ist im Unterschied zu § 26 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 im § 28 Abs. 2 leg. cit. hingegen nicht vorgesehen. Dies ist deshalb nicht weiter von Bedeutung, weil trotz eines nach § 28 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 erteilten Auftrages ein Bauwerber nicht gehindert ist, um eine erforderliche (nachträgliche) Baubewilligung anzusuchen bzw. Bauanzeige zu erstatten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0121, m. w. N. und die daran anschließende Judikatur). Die Vollstreckung eines Bauauftrages ist aber solange nicht zulässig, als ein Verfahren zur nachträglichen Bewilligung anhängig ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/05/0123). Gleiches gilt bei Erstattung einer Bauanzeige gemäß § 17 Bgld. BauG 1997.

Im Ergebnis ist die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren geltend gemachten subjektivöffentlichen Rechten nicht verletzt; allein aus der Anführung einer unzutreffenden Gesetzesbestimmung lässt sich noch keine Rechtswidrigkeit des Bescheides ableiten.

Die Beschwerdeführerin ist (unstrittig) Eigentümerin des vom Bauauftrag erfassten Gebäudes, welches hinsichtlich der im Auftrag hinreichend konkretisierten Bauteile (Dachrinnen) vom bewilligten Bau abweicht. Die erteilte Benützungsbewilligung bezog sich im Beschwerdefall ausschließlich auf den bewilligten Bau. Im Übrigen kann eine Benützungsbewilligung, deren Gegenstand und Inhalt ausschließlich die Erlaubnis zur Benützung des Bauwerkes bildet, den Baukonsens nicht abändern. Aus einer erteilten Benützungsbewilligung kann daher kein Recht auf die Belassung eines der Bauordnung oder dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes abgeleitet werden. Da aus einer Benützungsbewilligung kein Recht auf die Belassung eines der Bauordnung oder dem Baukonsens nicht entsprechenden Zustandes abgeleitet werden kann, stünde auch die Erteilung einer Benützungsbewilligung einem Bauauftrag nicht entgegen. Durch die Benützungsbewilligung wird nämlich ein bewilligungswidriger Zustand nicht saniert (siehe das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/05/0302). Da nach der dem hier zu beurteilenden Gebäude zugrunde liegenden Baubewilligung sog. Saumrinnen anzubringen waren, Hängerinnen, die zusätzlich noch über die Grundstücksgrenze ragen, nicht Gegenstand der Baubewilligung waren, war es nach dem Vorhergesagten im Sinne des § 28 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 zulässig und geboten, der Beschwerdeführerin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bauauftrag zu erteilen. Dies deshalb, weil durch die Errichtung der nicht bewilligten Hängerinnen baupolizeiliche Interessen im Sinne des § 3 Z. 3 Bgld. BauG 1997 (insbes. betreffend die Festigkeit und den Feuchtigkeitsschutz) berührt werden. Insoweit die Hängerinnen in den freien Luftraum der Nachbargrundstücke reichen, ist die Zustimmung dieser Grundeigentümer gemäß § 17 Abs. 2 bzw. § 18 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 erforderlich, sodass auch insoweit baupolizeiliche Interessen gemäß § 3 Z. 2 leg. cit. zu beachten sind. Die festgestellte, von der Baubewilligung abweichende Änderung des Gebäudes erfordert daher jedenfalls eine Bauanzeige gemäß § 17 Abs. 1 Bgld. BauG 1997.

Mit ihren Ausführungen in der Beschwerde vermag daher die Beschwerdeführerin im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Entgegen den Beschwerdebehauptungen wurde kein Auftrag erteilt, um nachträgliche Baubewilligung einzukommen. Die Prüfung der Frage, ob tatsächlich eine Zustimmung der Nachbarn zur Anbringung der Hängerinnen vorliegt, war im Verfahren zur Erteilung eines Bauauftrages nach § 28 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 - wie oben näher ausgeführt - nicht erforderlich. Die Frage der Bewilligungsfähigkeit (einer baurechtlich relevanten Änderung) eines Baues ist im Auftragsverfahren nach § 28 Abs. 2 Bgld. BauG 1997 nicht zu prüfen. Mangels eines Baukonsenses für die Hängerinnen hatte sich der Auftrag auch zu Recht auf den gesamten konsenslosen Teil des Baues zu beziehen.

Aus diesen Gründen war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 Bgld. BauG 1997 abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. März 2002

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Bauträger Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050004.X00

Im RIS seit

26.06.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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