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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §21;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der Wassergenossenschaft P in P, vertreten durch Dr. Michael Goller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Edith-Stein-Weg 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat II) vom 29. Juli 1997, Zl. RV/30.496-3/94, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1987 bis 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich um eine im Jahr 1986 gegründete Wassergenossenschaft, die nach § 1 ihrer Satzungen die Bewässerung der landwirtschaftlich genutzten Grundflächen ihrer Genossenschaftsmitglieder bezweckt. Mitglieder der beschwerdeführenden Genossenschaft sind die jeweiligen Eigentümer bestimmter, näher bezeichneter Grundstücke. Nach § 6 der Satzungen haben die Genossenschaftsmitglieder, soweit die für das genossenschaftliche Unternehmen erforderlichen Mittel nicht anderweitig aufgebracht werden können, Beitragsleistungen zu erbringen. In diesem Zusammenhang sieht die Satzung vor, dass der jeweils aufzubringende Geldbetrag im Verhältnis der zu bewässernden Flächen auf die Mitglieder zu verteilen ist.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung der Jahre 1987 bis 1992 vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die zur Errichtung und zur Erhaltung der Bewässerungsanlage erbrachten Leistungen der Genossenschaftsmitglieder umsatzpflichtiges Entgelt (Steuersatz 10 %) darstellen würden.
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers, nahm die Verfahren wieder auf und erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide.
In der gegen die geänderten Sachbescheide erhobenen Berufung wurde im Wesentlichen vorgebracht, bei den Arbeits- und Geldleistungen der Genossenschafter zur Herstellung der gemeinsamen Wasserversorgungsanlage handle es sich um Beiträge, zu denen die Mitglieder auf Grund der Satzung verpflichtet seien, weshalb diesbezüglich kein Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuergesetzes vorliege.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte die beschwerdeführende Genossenschaft die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und wies ergänzend darauf hin, dass die Beitragsleistungen unabhängig vom Ausmaß der in Anspruch genommenen Genossenschaftsleistungen (der bezogenen Wassermenge) seien. Abgeltungen für Wasserlieferungen seien in den Jahren 1987 bis 1992 deshalb nicht eingehoben worden, weil die entsprechenden Aufwendungen aus den "Reservemitteln" der Genossenschaft hätten bestritten werden können. Diese "Reservemittel" stammten zum Teil aus nicht für Bauzwecke erforderlichen Beiträgen im Sinne des § 6 der Genossenschaftssatzung. Der fehlende Entgeltscharakter zeige sich auch darin, dass bei der Bemessung der vom einzelnen Genossenschaftsmitglied zu erbringenden Beitragsleistung der tatsächliche - je nach Lage der Grundflächen stark schwankende - Investitionsaufwand unberücksichtigt geblieben sei. Die Bemessung der einzelnen Mitgliedsbeiträge nach dem Ausmaß der zu bewässernden Flächen stelle ein unverkennbares Merkmal für das Vorliegen eines genossenschaftlichen Mitgliedsbeitrages dar. Anders als die Beitragsleistungen für die Herstellung der Bewässerungsanlage wiesen die Beiträge der Genossenschaftsmitglieder zur Abdeckung des laufenden Betriebsaufwandes Entgeltscharakter auf. Diese Beiträge würden nämlich nur von den Mitgliedern erhoben, welche im jeweiligen Rechnungszeitraum tatsächlich ihre Grundstücke unter Benutzung der genossenschaftlichen Anlage bewässerten. Diese Einnahmen der Genossenschaft würden dementsprechend laufend umsatzversteuert.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und änderte die angefochtenen Bescheide insoweit ab, als sie die strittigen Mitgliederleistungen dem Normalsteuersatz unterwarf. Begründend führte die belangte Behörde zunächst aus, bei der beschwerdeführenden Genossenschaft handle es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die zufolge ihres Zweckes (Bewässerung der landwirtschaftlich genutzten Grundflächen der Mitglieder) Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 und 3 UStG 1972 (Wasserwerk als fiktiver Betrieb gewerblicher Art) sei. Bei einer derartigen Vereinigung sei zwischen so genannten echten Mitgliedsbeiträgen, die nicht umsatzsteuerbar seien, und so genannten unechten Mitgliedsbeiträgen, die Leistungsentgelt bildeten, zu unterscheiden. Die gegenständlich von den Genossenschaftsmitgliedern erbrachten Leistungen stünden in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Errichtung bzw. der Bereitstellung der Wasserversorgungsanlage. Die Beiträge der Mitglieder seien auch nicht ident, sondern richteten sich nach dem Ausmaß der einbezogenen Grundflächen des einzelnen Mitgliedes. Die strittigen Leistungen stellten demnach umsatzsteuerpflichtiges Entgelt dar. Anders als in dem von der Beschwerdeführerin herangezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1950, 993/48, handle es sich bei der Beschwerdeführerin nicht um eine Zwangsgenossenschaft, sondern hätten sich die Mitglieder freiwillig aus wirtschaftlichen Überlegungen zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen.
Da für die Lieferung des Wassers durch die Genossenschaft generell kein Entgelt verlangt werde - die Mitglieder könnten diesbezüglich Servitutsrechte bzw. Wasserbenutzungsrechte nachweisen - sei es bedeutungslos, in welchem Ausmaß das einzelne Mitglied die Wasserversorgungs- bzw. Beregnungsanlage tatsächlich in Anspruch nehme. Infolge der bestehenden Wassernutzungsrechte der Mitglieder kämen auch in Zukunft keine Entgelte für die Lieferung von Wasser zur Verrechnung. Würde die belangte Behörde den Argumenten der Beschwerdeführerin folgen und die Beiträge der Mitglieder als echte Mitgliedsbeiträge anerkennen, hätte dies überdies zur Folge, dass die für die Errichtung und Erhaltung der Anlage geltend gemachten Vorsteuerbeträge mangels sonstiger Umsätze nicht zustünden. Nachdem die Hauptleistung der Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern im Bau und in der Erhaltung der Wasserversorgungs- und Beregnungsanlage und nicht in der Lieferung von Wasser bestehe, seien die Kostenbeiträge der Mitglieder dem Normalsteuersatz von 20 % zu unterwerfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 unterliegen nur entgeltliche Leistungen der Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuerpflicht setzt einen Leistungsaustausch zwischen bestimmten Personen, also eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Erhebt eine Vereinigung Mitgliedsbeiträge und verwendet sie diese nur zur Erfüllung einer satzungsmäßigen Gemeinschaftsaufgabe, deren Erfüllung zwar der Gesamtheit der Mitglieder zugute kommt, aber sich nicht als eine besondere Einzelleistung gegenüber einem einzelnen Mitglied darstellt, dann fehlt die wechselseitige Abhängigkeit und bilden die Mitgliedsbeiträge kein umsatzsteuerpflichtiges Entgelt.
Von den eben genannten Beiträgen sind die so genannten unechten Mitgliedsbeiträge zu unterscheiden. Es sind dies - unabhängig von ihrer Bezeichnung - solche Leistungen eines Mitgliedes, denen eine konkrete Leistung der Personenvereinigung an den Beitragszahler gegenüber steht. Die Leistungen der Vereinigung, die für unechte Mitgliedsbeiträge erbracht werden, sind Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1998, 98/14/0033).
Die beschwerdeführende Genossenschaft bezweckt nach ihren Satzungen die Bewässerung bestimmter landwirtschaftlicher Flächen. Dass die Genossenschaft darüber hinaus überhaupt eine Tätigkeit entfaltet, die den Genossenschaftern in ihrer Gesamtheit (einem übergeordneten Gemeinschaftsinteresse) zugute kommt, ist weder den Satzungen noch den Ausführungen der beschwerdeführenden Genossenschaft im Verwaltungsverfahren zu entnehmen. Solcherart stellt sich die Tätigkeit der Genossenschaft aber als Summe von Einzelleistungen gegenüber den jeweiligen Grundstückseigentümern (den Genossenschaftsmitgliedern) dar.
Der Annahme eines Leistungsaustausches steht auch nicht entgegen, dass die Genossenschaftsmitglieder lediglich nach Maßgabe der Größe der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke verpflichtet waren, die strittigen Beiträge für die Errichtung der Wasserversorgungsanlage zu leisten. Zum einen ist es im Wirtschaftsleben nämlich nicht unüblich, dass das Entgelt bereits für die Leistungsbereitschaft des Unternehmers zu entrichten ist, unabhängig davon, in welchem Umfang die angebotenen Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden. Zum anderen stellt die Orientierung am Ausmaß der zu bewässernden Flächen ohnedies einen Maßstab dar, der - wenn auch vereinfachend - den individuellen Nutzen des einzelnen Genossenschafters berücksichtigt. Dazu kommt, dass im Zeitpunkt der Anlagenerrichtung das Ausmaß des späteren individuellen Wasserbezugs noch gar nicht bekannt ist. Wenn daher für die Bemessung der Beiträge der Genossenschaftsmitglieder vereinfachend auf die eingeräumte Nutzungsmöglichkeit abgestellt wurde, stellt dies keinen Umstand dar, der zu einer Verneinung eines Leistungsaustauschverhältnisses führen müsste.
Die beschwerdeführende Genossenschaft sieht die strittigen Beiträge weiters deswegen als echte Mitgliedsbeiträge an, weil bei der gewählten Art der Kostenumlage (pro Flächeneinheit) der Umstand keine Berücksichtigung gefunden habe, dass je nach der Lage der Grundstücke unterschiedlich hohe Aufschließungskosten angefallen seien. Dass bei der Bemessung des Entgelts oftmals andere Faktoren bestimmend sind als jene, welche Kosten dem Unternehmer für die konkrete Leistungserbringung tatsächlich entstanden sind, ist ein Umstand, der im Wirtschaftsleben - aus unterschiedlichsten Gründen - oftmals anzutreffen ist. Die fehlende Kostenwahrheit steht der Annahme eines Leistungsaustauschverhältnisses jedoch nicht entgegen.
Die Beschwerdeführerin führt für ihren Standpunkt schließlich das hg. Erkenntnis vom 28. September 1950, 993/48, ins Treffen. Wie bereits ausgeführt, ist für die Frage des Vorliegens eines Leistungsaustausches entscheidend, ob sich die Tätigkeit der Vereinigung in besonderen Einzelleistungen gegenüber den einzelnen Mitgliedern manifestiert. Dies trifft im Beschwerdefall - der Bewässerung von im Privateigentum stehenden Grundstücken - zu. Dem gegenüber bezweckte die Beschwerdeführerin zur Zl. 993/48 u.a. die "Erhaltung des Wassers in einem Mühlgange und dazu gehörigen Bache". Die von der Beschwerdeführerin gesehene Vergleichbarkeit der beiden Sachverhalte ist demnach schon aufgrund der unterschiedlichen Genossenschaftszwecke nicht gegeben. Ob darüber hinaus auch dem Umstand Bedeutung zukommt, dass die gegenständliche Genossenschaft (anders als jene) auf freiwilliger Basis gebildet wurde, kann dahin gestellt bleiben.
Die Beschwerde wendet sich weiters gegen die dem Bescheid zugrunde liegende Feststellung, die beschwerdeführende Genossenschaft erhebe aufgrund bestehender Wasserrechte der Genossenschafter keine verbrauchsabhängigen Beiträge. Wie im Verwaltungsverfahren erläutert, hätten jene Genossenschaftsmitglieder, die ihre Flächen tatsächlich beregneten, (laufende) Beiträge zu leisten. Seit Inbetriebnahme der gegenständlichen Anlage bezögen die Mitglieder von der beschwerdeführenden Genossenschaft das Beregnungswasser, welches die Beschwerdeführerin ihrerseits kraft des ihr eingeräumten Rechts aus einem öffentlichen Gewässer entnehme. Bei Erteilung dieses Rechts hätten (wie aus dem entsprechenden wasserrechtlichen Bescheid hervorgehe) alte Rechte der Genossenschafter keine Bedeutung gehabt. Der von der belangten Behörde gezogene Schluss, die Hauptleistung der Beschwerdeführerin gegenüber ihren Mitgliedern bestehe im Bau und in der Erhaltung der Wasserversorgungs- und Beregnungsanlage und wegen der bestehenden Wasserbezugsrechte der Mitglieder nicht in der Lieferung von Wasser, sei daher unzutreffend.
Vorauszuschicken ist, dass das von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang erstattete Beschwerdevorbringen nicht (wie in der Gegenschrift geäußert) gegen das verwaltungsgerichtliche Neuerungsverbot verstößt, weil im angefochtenen Bescheid der Bau der Wasserversorgungsanlage erstmals als Hauptleistung beurteilt wurde und die Beschwerdeführerin vor diesem Zeitpunkt somit keinen Anlass zu einem entsprechenden Sachvorbringen hatte.
Nach § 10 Abs. 2 Z. 1 UStG 1972 kommt für die Lieferung von Wasser (Z. 29 der Anlage A) der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung. Während der Prüfer und ihm folgend das Finanzamt die Baukostenbeiträge zur Errichtung der Wasserversorgungsanlage als unselbständige Nebenleistung zur Hauptleistung der Lieferung von Wasser angesehen haben, hat die belangte Behörde im Bau und in der Erhaltung der Wasserversorgungs- und Beregnungsanlage die Hauptleistung der beschwerdeführenden Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern erblickt.
Steuerobjekt der Umsatzsteuer ist die einzelne Leistung. Der Umfang der einzelnen Leistung ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen. Dem Grundsatz der Unteilbarkeit widerspricht es, einen einheitlichen Rechtsvorgang in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten. Ist eine Leistungseinheit anzunehmen, so ist umsatzsteuerlich nur eine Leistung gegeben. Die steuerlichen Folgen (hier der anzuwendende Steuersatz) richten sich einheitlich nach dem wirtschaftlichen Inhalt der Gesamtleistung bzw. der Hauptleistung.
Eine unselbständige Nebenleistung ist dann anzunehmen, wenn sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommt. Das ist zu bejahen, wenn die Leistung die Hauptleistung ermöglicht, abrundet oder ergänzt (vgl. die bei Ruppe, UStG 19942, Tz. 31 zu § 1 angeführte hg. Judikatur). Ob mehrere Leistungen eine Einheit bilden, ist anhand der Leistungen zu beurteilen und nicht anhand des Entgelts (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. August 1990, 89/15/0128). Da die Lieferung von (Leitungs-)Wasser erst durch die Errichtung und die Erhaltung entsprechender Wasserversorgungsanlagen ermöglicht wird, sind die dafür zu entrichtenden Baukostenbeiträge und Anschlussgebühren als unselbständige Nebenleistung begünstigt (vgl. Ruppe, a.a.O. Tz. 36 zu § 10, sowie zur vergleichbaren deutschen Rechtslage Plückebaum/Malitzky, UStG 1993, Tz. 315/1 zu § 12 Abs. 2 dUStG).
Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt, als es für die Frage des Vorliegens einer unselbständigen Nebenleistung auf die Art der Entgeltsbemessung nicht entscheidend ankommt; der Umstand, dass die Satzung für den Wasserbezug kein bestimmtes Entgelt vorsieht, steht der Annahme der Wasserlieferung als Hauptleistung demnach nicht entgegen.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1997140133.X00Im RIS seit
17.07.2002Zuletzt aktualisiert am
24.09.2018