Index
000;Norm
AVG §18 Abs4 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des Sch in G, vertreten durch Dr. Richard Benda, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Pestalozzistraße 3, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 10. November 2000, Zl. 103/8-DOK/00, betreffend die Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand bis zur gegenständlichen Entlassung als Beamter der Post- und Telegraphenverwaltung (PTV) (gemäß § 117 Gehaltsgesetz idF Art. II Z. 1, BGBl. Nr. 375/1996, Beamter des Post- und Fernmeldewesens) in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und wurde seit 31. Dezember 1998 (Wirksamkeit der Abspaltung des Unternehmensbereiches Post aus der Post und Telekom Austria AG und dessen Übertragung auf die Österreichische Post AG als Gesamtrechtsnachfolgerin) bei der Österreichischen Post AG im Bereich der Direktion Graz beschäftigt. Gemäß § 17 Abs. 1a Z. 1 des Poststrukturgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 161/1999 wurde er ex lege mit Inkrafttreten dieser Novelle am 18. August 1999 der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen. Er hatte am 13. und 19. Jänner 1999 in seiner Funktion als Leiter eines Postamtes Gelder veruntreut.
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen fasste am 15. April 1999 auf Grund der Disziplinaranzeige der Dienstbehörde vom 8. April 1999 den dem vorliegenden Verfahren zu Grunde liegenden Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss und sprach die Suspendierung des Beschwerdeführers aus.
Mit Disziplinarerkenntnis vom 22. Juni 1999 wurde der Beschwerdeführer mit einer Geldstrafe belegt. Auf Grund der von der Disziplinaranwältin dagegen erhobenen Berufung verhängte die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt mit Disziplinarerkenntnis vom 12. Oktober 1999 die Disziplinarstrafe der Entlassung.
Die dagegen erhobene Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof führte wegen gesetzwidriger Zusammensetzung der Disziplinarkommission erster Instanz (das Senatsmitglied AS E war vom Zentralausschuss statt von der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten bestellt worden) zur Aufhebung dieses Disziplinarerkenntnisses (Erkenntnis vom 29. Februar 2000, B 2025/99).
Nach der Bestellung von AS E durch die Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten fasste die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen in gleicher Zusammensetzung wie im ersten Rechtsgang am 29. Juni 2000 einen neuen Verhandlungsbeschluss und verhängte mit Erkenntnis vom 2. August 2000 wieder eine Geldstrafe.
Auf Grund der dagegen von der Disziplinaranwältin erhobenen Berufung (auch der Beschwerdeführer erhob Berufung) verhängte die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. November 2000 neuerlich die Disziplinarstrafe der Entlassung.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 25. September 2001, B 42/01-6, ihre Behandlung ab und trat die bereits für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ausgeführte Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Nach dem so formulierten Beschwerdepunkt erachtet sich der Beschwerdeführer im einfachgesetzlich gewährleisteten
"Recht auf ein Verfahren vor der gemäß § 17 Abs. 9 Z 1 PTSG, idF BGBl. I 1999/6 und 161, ab 01.01.1999 einzurichtenden Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen, Senat XIII, am Sitze der Österreichischen Post AG, Direktion Graz, wobei der erkennende Senat aus der Österreichischen Post AG zugeteilten Beamten gebildet wurde, die nach den Bestimmungen des § 17 Abs. 9 Z 3 und 4 leg. cit. zu Mitgliedern der genannten Disziplinarkommission durch den Bundesminister für Finanzen im Rahmen seiner (erst ab 01.01.1999 gegebenen) gesetzlichen Zuständigkeit bzw. von der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten oder gemäß § 98 Abs. 4 BDG 1979 bestellt wurden, und Recht auf Einstellung des Disziplinarverfahrens nach § 118 Abs. 1 BDG 1979, weil wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung die Strafbarkeit der Dienstpflichtverletzungen des Beschuldigten ausgeschlossen ist",
verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige
Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 99 BDG 1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2000 ist die Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport einzurichten. Die Zuständigkeit der bei diesem Bundesministerium eingerichteten Disziplinaroberkommission war daher zum Entscheidungszeitpunkt gegeben.
Der Beschwerdeführer stellt in der Beschwerde die dem Disziplinarerkenntnis zu Grunde liegenden Dienstpflichtverletzungen nicht in Abrede.
1) Der Beschwerdeführer rügt zunächst unter dem Gesichtspunkt der Unzuständigkeit der Disziplinarbehörde erster Instanz (zusammengefasst), aus der Entwicklung der Rechtslage ergebe sich, dass die Mitglieder dieser beim Bundesministerium für Finanzen einzurichtenden Disziplinarkommission durch einen "erst ab dem 01. 01. 1999 zu setzenden Rechtsakt" vom Bundesminister für Finanzen hätten bestellt werden müssen.
1.1) Der Beschwerdeführer war bis zum Ablauf des 30. April 1996 Beamter der Post- und Telegraphenverwaltung (PTV). Mit Inkrafttreten des "Bundesgesetzes über die Einrichtung und Aufgaben der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft" (Poststrukturgesetz - PTSG = Art. 95 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201) am 1. Mai 1996 trat an die Stelle der PTV im Weg der Gesamtrechtsnachfolge die neu errichtete "Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft" (PTA; vgl. § 1 Abs. 1 und 2 PTSG).
1.2) Hinsichtlich der bei der vormaligen PTV beschäftigten aktiven Beamten traf das Poststrukturgesetz (Stammfassung) folgende Regelung:
"Übernahme der Beamten und der Ruhe- und Versorgungsgenussempfänger
§ 17. (1) Die bisher bei der Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigten aktiven Beamten werden auf die Dauer ihres Dienststandes der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft oder einem Unternehmen, an dem die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft zumindest mehrheitlich beteiligt ist, zur Dienstleistung zugewiesen. Der Anwendungsbereich von Rechtsvorschriften des Bundes in ihrer jeweils geltenden Fassung, die auf Rechtsverhältnisse von Beamten abstellen, bleibt mit der Maßgabe unberührt, dass im § 24 Abs 5 Z 2 sowie im ersten Satz des § 229 Abs 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 und jeweils im letzten Satz des § 105 Abs 3 und 6 des Gehaltsgesetzes 1956 die Worte 'im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler', und die Zustimmung des Bundeskanzlers oder des Bundesministers für Finanzen im § 15 des Gehaltsgesetzes 1956, im § 75 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 und im § 68 der Reisegebührenvorschrift 1955 entfallen, soweit damit nicht Belastungen des Bundeshaushaltes verbunden sind.
(2) Beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft wird ein Personalamt eingerichtet, das die Funktion einer obersten Dienstbehörde für die im Abs 1 genannten Beamten wahrnimmt. Das Personalamt wird vom Vorsitzenden des Vorstandes der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft geleitet. Der Vorsitzende des Vorstandes ist in dieser Funktion an die Weisungen des Bundesministers für Finanzen gebunden.
..."
1.3) Auf die vormals bei der PTV beschäftigten und auf Grund des § 17 Abs. 1 erster Satz PTSG der PTA zur Dienstleistung zugewiesenen Beamten haben somit die jeweils einschlägigen dienstrechtlichen Vorschriften des Bundes mit den in § 17 Abs. 1 zweiter Satz PTSG genannten Maßgaben weiterhin Anwendung zu finden.
1.4) Zu diesen - in § 17 Abs. 1 zweiter Satz PTSG verwiesenen - Bestimmungen zählen auch jene des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), über die Bildung und Zusammensetzung der Disziplinarkommissionen. Die einschlägigen §§ 96, 97 und 98 BDG 1979 (§ 96 idF Art I Z. 27 BGBl. I Nr. 61/1997; § 97 idF. Art. I Z. 7 BGBl. Nr. 137/1983, Art. I Z. 28 BGBl. I Nr. 61/1997 und Art. I Z. 24 BGBl. I Nr. 123/1998; § 98 idF. Art. I Z. 8 BGBl. Nr. 137/1983), lauten:
"Organisatorische Bestimmungen Disziplinarbehörden
§ 96. Disziplinarbehörden sind
1.
die Dienstbehörden,
2.
die Disziplinarkommissionen,
3.
die Disziplinaroberkommission,
4.
die Berufungskommission.
Zuständigkeit
§ 97. Zuständig sind
1. die Dienstbehörde zur vorläufigen Suspendierung und zur Erlassung von Disziplinarverfügungen hinsichtlich der Beamten ihres Zuständigkeitsbereiches,
2. die Disziplinarkommission zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen und zur Entscheidung über Suspendierungen hinsichtlich der Beamten des Ressorts, in dem sie eingerichtet ist,
3. die Disziplinaroberkommission zur Entscheidung über Berufungen gegen Erkenntnisse der Disziplinarkommission sowie über Berufungen gegen Suspendierungen durch die Disziplinarkommission und
4. die Berufungskommission zur Entscheidung über Berufungen gegen Einleitungs- und Verhandlungsbeschlüsse der Disziplinarkommission.
Disziplinarkommissionen
§ 98. (1) Bei jeder obersten Dienstbehörde ist eine Disziplinarkommission einzurichten.
(2) Die Disziplinarkommission besteht aus dem Vorsitzenden, den erforderlichen Stellvertretern und weiteren Mitgliedern. Der Vorsitzende und die Stellvertreter müssen rechtskundig sein.
(3) Der Vorsitzende, seine Stellvertreter und die Hälfte der weiteren Mitglieder der Disziplinarkommission sind vom Leiter der Zentralstelle mit Wirkung vom 1. Jänner auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen. Die zweite Hälfte der weiteren Mitglieder ist von dem (den) zuständigen Zentralausschuss (Zentralausschüssen) zu bestellen.
(4) Bestellt der Zentralausschuss innerhalb eines Monats nach Aufforderung durch den Leiter der Zentralstelle keine oder zu wenige Mitglieder für die Disziplinarkommission, so hat der Leiter der Zentralstelle die erforderlichen Mitglieder selbst zu bestellen."
1.5) Ausgehend von dieser Rechtslage wurde nach dem mit der Aktenlage übereinstimmenden Vorbringen des Beschwerdeführers
-
der Senatsvorsitzende HR Dr. A mit Verfügung des Bundesministers für Finanzen vom 12. Jänner 1997 für die Funktionsdauer der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 1. Jänner 1998 bis zum 31. Dezember 2002;
-
das weitere Mitglied ADir W mit Verfügung des Bundesministers für Finanzen vom 11. Dezember 1998 für den Rest der Funktionsdauer der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen, das ist bis 31. Dezember 2002;
-
das weitere Mitglied AS E vom Zentralausschuss der Post- und Fernmeldebediensteten für die Funktionsdauer der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 1. Jänner 1998 bis zum 31. Dezember 2002 bestellt.
1.6) Durch eine rückwirkend per 1. Jänner 1999 in Kraft gesetzte Novelle zum PTSG (Art. VI BGBl. I Nr. 6/1999, ausgegeben am 8. Jänner 1999; zum Inkrafttreten vgl. § 24 Abs. 2 Z. 2 PTSG idF Art. VI Z. 7 BGBl. I Nr. 6/1999) wurden hinsichtlich jener Beamten, die vormals bei der PTV beschäftigt waren und nunmehr auf die Dauer ihres Dienststandes der PTA oder ihrer Rechtsnachfolgerin oder einem der Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechtes aus der PTA hervorgegangen sind und an denen sie oder die Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft direkt oder indirekt einen Anteil von mehr als 25 % hält (vgl. § 17 Abs. 1 erster Satz PTSG idF Art. VI Z. 1 BGBl. I Nr. 6/1999 = Art. I Z. 32 BGBl. I Nr. 31/1999), zur Dienstleistung zugewiesen sind, vom BDG 1979 abweichende Bestimmungen über die Bildung und die Zusammensetzung der Disziplinarkommission erlassen. Insbesondere wurde § 17 PTSG um folgenden Abs. 9 erweitert:
"Auf die Zuständigkeit und das Verfahren in den Beamte gemäß Abs. 1 betreffenden Disziplinarangelegenheiten sind die Bestimmungen des 9. Abschnittes des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 mit der Maßgabe anzuwenden, dass
1. zur Durchführung des Disziplinarverfahrens die beim Bundesministerium für Finanzen einzurichtende Disziplinarkommission zuständig ist,
2. die Mitglieder des für der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugeteilte Beamte zuständigen Senates der Disziplinarkommission der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugeteilte Beamte sein müssen,
3. die Bestellung dieser Mitglieder der Disziplinarkommission durch den Bundesminister für Finanzen zu erfolgen hat,
4. ein Mitglied des zuständigen Senates der Disziplinarkommission statt vom Zentralausschuss von der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten oder gemäß § 98 Abs. 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 bestellt worden sein muss, und
5. ein Mitglied des zuständigen Senates der Disziplinaroberkommission ein der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugeteilter Beamter sein muss."
Auf Grund dieser Änderung der Rechtslage wurde das Mitglied der Disziplinarkommission AS E (nach vor dem Verfassungsgerichtshof erfolgreicher Beschwerde (Erkenntnis vom 29. Februar 2000, B 2025/99 = VfSlg 15.731) im ersten Rechtsgang) am 26. August 1999 von der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten für den Rest der Funktionsdauer der Disziplinarkommission beim Bundesminister für Finanzen bestellt.
1.7) Durch § 17 Abs. 1a der am 18. August 1999 in Kraft getretenen PTSG-Novelle, BGBl. I Nr. 161/1999, wurde den inzwischen eingetretenen gesellschaftsrechtlichen Änderungen hinsichtlich der Beamten insoweit Rechnung getragen, als die gemäß § 17 Abs. 1 PTSG idF BGBl. I Nr. 6/1999 zugewiesenen Beamten nach ihrer überwiegenden Beschäftigung der österreichischen Post AG bzw. Telekom Austria AG auf die Dauer ihres Dienststandes kraft Gesetzes zur Dienstleistung zugewiesen wurden, wobei eine Verwendung bei einer Rechtsnachfolgerin eines dieser Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich für zulässig erklärt wurde (§ 17 Abs. 1a PTSG).
§ 17 Abs. 9 PTSG idF BGBl. I Nr. 6/1999 wurde insoweit an die Bestimmungen des Abs. 1a angepasst, als die Mitglieder des für nach Abs. 1a zugewiesene Beamte zuständigen Senates der Disziplinarkommission dem jeweiligen Unternehmen zugewiesene Beamte sein müssen (§ 17 Abs. 9 Z. 2 PTSG).
1.8) Aus § 17 Abs. 2 PTSG (Stammfassung) ergibt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht, dass das Personalamt selbst eine "oberste Dienstbehörde" ist; es ist lediglich dazu bestimmt, die "Funktion einer obersten Dienstbehörde" für bestimmte Beamte "wahrzunehmen". Der Leiter des Personalamtes ist nach dem Wortlaut keinesfalls als "Leiter einer Zentralstelle" im Sinne des § 98 Abs. 1 BDG 1979 anzusehen. Daran haben auch die Novellen des PTSG nichts geändert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Stammfassung des PTSG bereits mit Beschluss vom 30. September 1996, Zl. 96/12/0244, folgende Aussagen getroffen:
"Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 des Poststrukturgesetzes nimmt dieses Personalamt die Funktion einer obersten Dienstbehörde für die in Abs. 1 genannten Beamten (das sind die bisher bei der Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigten aktiven Beamten, die nach dem ersten Satz des Abs. 1 leg. cit. ex lege auf die Dauer ihres Dienststandes der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft oder einem Unternehmen, an dem diese Aktiengesellschaft zumindest mehrheitlich beteiligt ist, zur Dienstleistung zugewiesen werden) wahr. Das Personalamt wird vom Vorsitzenden des Vorstandes der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft geleitet. Der Vorsitzende des Vorstandes ist in dieser Funktion an die Weisungen des Bundesministers für Finanzen gebunden. Abs. 3 dieser Bestimmung richtet zur Wahrnehmung der bisher den Post- und Telegraphendirektionen zugekommenen Funktionen einer nachgeordneten Dienstbehörde bestimmte Personalämter bei Betriebsstellen der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft ein. Gemäß § 17 Abs. 4 leg. cit. gilt für die gemäß Abs. 2 und 3 eingerichteten Personalämter § 2 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29, sinngemäß. Diese Bestimmungen stehen im Zusammenhang mit der sogenannten "Privatisierung" der Post sowie der gleichzeitig erfolgten Auflösung des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (vgl. dazu die im Strukturanpassungsgesetz 1996 im Art. 91 enthaltene Novelle des Bundesministeriengesetzes 1986). Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann es keinem Zweifel unterliegen, dass dem beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamt die Stellung einer (selbständigen) Behörde zukommt, die wegen ihrer Funktion als oberste Dienstbehörde u.a. über Berufungen gegen Bescheide nachgeordneter Behörden in letzter Instanz in dienst- und besoldungsrechtlichen Angelegenheiten der diesem Unternehmen zur Dienstleistung zugewiesenen Beamten zu entscheiden hat und die wegen der Leitungsfunktion des Vorsitzenden des Vorstandes dieser Aktiengesellschaft (mangels einer Einschränkung auf die innere Leitung ist damit auch die Vertretung nach außen erfasst) eine monokratische Behörde ist. Die Weisungsbefugnis des Bundesministers für Finanzen nach § 17 Abs. 2 letzter Satz des Poststrukturgesetzes ändert nichts an der selbständigen Behördeneigenschaft des genannten Personalamtes. Sie stellt lediglich klar, dass die Wahrnehmung der Diensthoheit im Sinne des Art. 21 Abs. 3 B-VG durch ein oberstes Organ des Bundes (im Sinne des Art. 19 B-VG) gegeben ist (so zutreffend die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Strukturanpassungsgesetz 1996, 72 Blg. Sten. Prot. NR 20. GP auf Seite 322 zu § 17 Abs. 2, 3 und 4 Poststrukturgesetz).
...
Dies bedeutet also, dass der Bundesminister für Finanzen zwar nicht Berufungsbehörde in dienst- und besoldungsrechtlichen Verfahren der der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft oder eines von ihr beherrschten Unternehmens kraft Gesetzes zur Arbeitsleistung zugewiesenen Beamten ist, ihm jedoch die Stellung der sachlich in Betracht kommenden obersten Behörde zukommt, weil hiefür nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Möglichkeit genügt, unter anderem durch Ausübung des Weisungsrechtes den Inhalt der (unterbliebenen) Entscheidung zu bestimmen (vgl. dazu z.B. VwSlg. 2742/A und 12.123/A)."
Die Disziplinarkommission ist eine unabhängige Behörde, hinsichtlich derer keine "Funktion wahrgenommen" werden kann. Sie war vielmehr seit Inkrafttreten des PTSG in seiner Stammfassung unmittelbar bei der "obersten Dienstbehörde", im gegenständlichen Fall also beim Bundesministerium für Finanzen, einzurichten und auch eingerichtet. Daher war gemäß § 98 Abs. 3 BDG 1979 der Bundesminister für Finanzen als "Leiter der Zentralstelle" zur Bestellung des Vorsitzenden, seiner Stellvertreter und der von Dienstgeberseite zu bestellenden weiteren Mitglieder der Disziplinarkommission berufen. Mit der ausdrücklichen Erwähnung der beim Bundesministerium für Finanzen einzurichtenden Disziplinarkommission seit der Novelle BGBl. I Nr. 6/1999 wurde demnach diesbezüglich keine Änderung bewirkt.
An diesem Ergebnis kann es nichts ändern, dass im Gesetz das Wort "einzurichtende" verwendet wird. In den Erläuterungen (RV 1476 BlgNR 20. GP, 29) wird dieser Ausdruck nicht näher ausgeführt. Angesichts der vorstehenden Überlegungen kann "einzurichtend" jedenfalls nicht bedeuten, dass damit eine Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen neu und anstatt der bereits bestehenden Disziplinarkommission hätte geschaffen werden sollen. Eine tatsächliche Änderung (die in den Erläuterungen, aaO, auch Erwähnung findet) trat nur im Hinblick auf das vom Zentralausschuss auf die Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten übergegangene Bestellungsrecht für ein Mitglied des zuständigen Senates der Disziplinarkommission ein.
Handelt es sich aber um keine neue Disziplinarkommission anstelle einer bisher bestehenden, gilt die vor dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 6/1999 vorgenommene Bestellung ihrer Mitglieder über diesen Zeitpunkt hinaus weiter, zumal kein Endigungsgrund gemäß § 100 Abs. 4 BDG 1979 in den gegenständlichen Fällen hervorgekommen ist.
Die Verfassungsbestimmung des § 17a Abs. 2 PTSG (BGBl. I Nr. 161/1999), nach der in Dienstrechtsangelegenheiten kein Rechtsmittel an oberste Organe des Bundes zulässig sowie die Weisungsfreiheit des Vorsitzenden des Vorstandes in der Funktion als Leiter der obersten Dienst- und Pensionsbehörde normiert ist, hat auf Grund der unverändert belassenen ausdrücklichen Regelung betreffend Disziplinarverfahren im § 17 Abs. 9 PTSG bzw. § 99 BDG 1979 an der Zuständigkeit der Disziplinarkommission beim Bundesminister für Finanzen sowie der Disziplinaroberkommission keine Änderung gebracht.
Die vom Beschwerdeführer behauptete Unzuständigkeit der Disziplinarkommission erster Instanz liegt daher nicht vor.
2) Des Weiteren rügt der Beschwerdeführer den Bestellungsvorgang des von der Gewerkschaft bestellten Senatsmitgliedes der Behörde erster Instanz. Er argumentiert zusammengefasst damit, dass diesem die "Bestellung" von der Dienstbehörde lediglich mit Dienstanweisung zur Kenntnis gebracht worden sei, es hätte aber eines Bescheides bedurft. Dieser Bescheid wäre, weil der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten die Behördeneigenschaft fehle, von der Österreichischen Post AG, Direktion Graz, Personalamt, zu erlassen gewesen. Ein bloßes zur Kenntnis Bringen eines fremden Willensaktes (hier "Bestellung" durch die Gewerkschaft) entspreche der Funktion eines eine Nachricht überbringenden Boten, sei aber kein auf die Erlassung eines eigenen dienstrechtlichen Bescheides gerichteter Willensakt der Dienstbehörde.
2.1) Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass § 17 Abs. 9 Z. 4 PTSG inhaltlich eine Spezialvorschrift sowohl zu § 98 Abs. 3 zweiter Satz BDG 1979 als auch zu § 17 Abs. 9 Z. 3 PTSG darstellt. In beiden Fällen handelt es sich in diesem Sinne um solche Mitglieder der Disziplinarkommission, die nach der Spezialnorm von einem anderen Organ als dem nach § 98 Abs. 3 BDG 1979 genannten Leiter der Zentralstelle bzw. dem in § 17 Abs. 9 Z. 3 PTSG vorgesehenen Bundesminister für Finanzen zu bestellen sind. Aus der Zusammenschau der Normen ergibt sich, dass § 17 Abs. 9 Z. 3 PTSG, der undifferenziert von einer Bestellung "dieser (Anm: in Z. 2 leg. cit genannten) Mitglieder" durch den Bundesminister für Finanzen spricht, nicht einen zweifachen Bestellvorgang normiert. Insofern ist § 17 Abs. 9 Z. 4 PTSG auch eine lex specialis zu § 17 Abs. 9 Z. 3 PTSG; es bedarf demnach nur einer Bestellung (eigentlich wohl eine Entsendung) durch die Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten.
2.2) Dass bei der "Bestellung" des Mitgliedes AS E durch diese Gewerkschaft der gewerkschaftsintern vorgesehene Willensbildungsprozess nicht eingehalten worden sei, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet; dafür gibt es auch sonst keine Anzeichen. Da es aber - wie ausgeführt - zur Gültigkeit der "Bestellung" keiner weiteren "Bestellung" durch die Dienstgeberseite bedarf, ist es für die Gültigkeit einer "Bestellung" durch die Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten rechtlich belanglos, in welcher Form die bestellten Mitglieder von deren Dienstgeber davon verständigt wurden. In welcher Weise die vom Beschwerdeführer angesprochenen Dienstpflichten der von der Gewerkschaft bestellten Senatsmitglieder in Bezug auf die Ausübung ihrer Funktion gegenüber ihrem Dienstgeber begründet werden, ist unbeachtlich, weil es nicht um eine etwaige Dienstpflichtverletzung eines solchen Senatsmitgliedes geht, sondern lediglich um die Rechtsgültigkeit der "Bestellung".
3) Der Beschwerdeführer behauptet schließlich die mangelnde Bescheidqualität ("absolute Nichtigkeit") des Einleitungsbeschlusses vom 15. April 1999, weil diese Erledigung "ohne Unterschrift bzw. Beglaubigung ausgefertigt und zugestellt worden seien".
3.1) Eine derartige Mangelhaftigkeit wäre im Disziplinarverfahren in jedem Verfahrensstadium wahrzunehmen. An der Bescheidqualität dieser Erledigung besteht jedoch seitens des Verwaltungsgerichtshofes keine Zweifel.
§ 18 Abs. 4 AVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I. Nr. 158/1998 lautet:
"Jede schriftliche Erledigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, haben schriftliche Erledigungen auch die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten. An die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Erledigung mit dem Erledigungstext des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die Genehmigung im Sinne des Abs. 2 aufweist; das Nähere wird durch Verordnung geregelt. Werden schriftliche Erledigungen vervielfältigt, so bedarf nur das Original der Unterschrift oder der Beglaubigung. Schriftliche Erledigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt worden sind oder die telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise übermittelt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung."
In der bei den Verwaltungsakten befindlichen Urschrift des angeführten Einleitungsbeschlusses findet sich außer der Unterschrift des genehmigenden Organs dessen in Maschinenschrift leserlich beigefügter Name. Auch die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung dieses Bescheides entspricht den Anforderungen automationsunterstützter Erledigungen im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG; sie enthält den Namen des Genehmigenden. Ob eine Erledigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt wurde, ist nicht nur aus der "DVR-Nr.", sondern u.a. auch aus der Art und Form, in der Schriftstücke ausgedruckt werden, zu erkennen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1998, Zl. 98/05/0142 ua). Es muss sich auch nicht um eine "Massenerledigung" handeln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0398). Für den Verwaltungsgerichtshof ist im vorliegenden Fall schon auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes der Ausfertigung im Zusammenhang mit dem Erscheinungsbild der Urschrift offenkundig, dass die strittige Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt worden ist (vgl. hinsichtlich der Verwendung von Textverarbeitungssystemen das hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/11/0265).
Dass mit der Ausfertigung des Einleitungsbeschlusses auch "Begleitschreiben der Österreichischen Post AG bzw. der Post und Telekom Austria AG" mitgesendet worden seien, hat auf die Bescheidqualität des Einleitungsbeschlusses überhaupt keinen Einfluss.
4) Unter der Überschrift "Nichtigkeit des Einleitungsbeschlusses" führt der Beschwerdeführer (im Hinblick auf die Bestellung eines Senatsmitgliedes der Behörde erster Instanz durch den Fachausschuss) des Weiteren aus, der diese Beschlüsse erlassende Senat sei unrichtig zusammengesetzt gewesen (dies gesteht die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu). Dass der Einleitungsbeschluss in Rechtskraft erwachsen sei, ändere nichts an seiner "absoluten Nichtigkeit".
Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass die österreichische Rechtsordnung nach der ständigen diesbezüglich übereinstimmenden Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts keine absolut nichtigen Bescheide kennt, sondern nur die Vernichtbarkeit von Bescheiden im Sinne der Nichtigerklärung gemäß § 68 Abs. 4 AVG. Rechtskräftigen Bescheiden kommt uneingeschränkte Rechtskraftwirkung - auch wenn sie mit einem Nichtigkeitsmangel im Sinne des § 68 Abs. 4 Z. 1 bis 4 AVG behaftet sind - solange zu, als sie nicht mit Bescheid als nichtig erklärt worden sind. Dies gilt sogar für Bescheide einer unzuständigen Stelle (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1456 f, E 321 ff wiedergegebene Rechtsprechung). § 68 Abs. 4 AVG enthält nur eine Ermächtigung der Behörde, jedoch kein subjektiv-öffentliches Recht auf Ausübung der darin enthaltenen Ermächtigung (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, Seite 1441, insbesondere unter E 227 u E 231 wiedergegebene Rechtsprechung).
Da in den gegenständlichen Fällen von § 68 Abs. 4 AVG nicht Gebrauch gemacht wurde, durfte die belangte Behörde zu Recht auf den rechtskräftigen, die Verjährung ausschließenden Einleitungsbeschluss aufbauend das Disziplinarverfahren weiterführen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. März 2002
Schlagworte
Ausfertigung mittels EDVEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001090184.X00Im RIS seit
13.06.2002Zuletzt aktualisiert am
16.07.2012