TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/20 2000/09/0179

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Veröffentlicht am 20.03.2002
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

61995CJ0171 Recep Tetik VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
AuslBG §4c Abs2;
EURallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. Johannes Neumayer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9- 11, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom 31. August 2000, Zl. LGSW/10/13115/ABA 698.547/2000, betreffend Befreiungsschein, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 5. November 1996 beim Arbeitsmarktservice Angestellte Wien eingelangten Antrag begehrte der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, die Ausstellung eines Feststellungsbescheides dahingehend, dass er die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich des ARB 1/80 erfülle.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid des Arbeitsmarktservice Angestellte Wien vom 13. November 1996, mit welchem die Feststellung getroffen worden war, der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen des Art 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich des ARB 1/80 nicht und sei daher für die Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung nicht vom AuslBG ausgenommen, ersatzlos auf (Spruchpunkt 1) und wies unter einem das als Antrag nach § 4c Abs. 2 AuslBG umgedeutete Begehren des Beschwerdeführers vom 5. November 1996 ab. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der wesentlichen Rechtslage begründete die belangte Behörde diese Abweisung damit, der Beschwerdeführer weise Beschäftigungszeiten von 28. März 1992 bis 12. Februar 1993 und ab 1. April 1993 fortlaufend bis zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit per 6. Juli 1996 auf. Die unbestrittene Unterbrechung des Beschäftigungsverlaufs vom 13. Februar bis 31. März 1993 verhindere aber ein Zurückgreifen auf davor liegende Beschäftigungszeiträume. Die Fristenberechnung vor dem 1. Januar 1995 (Beitritt Österreichs zur Union) könne erst mit dem Wiederaufnahme der Beschäftigung per 1. April 1993 beginnen. Bis zum 6. Juli 1996 ergäben sich aber keine vier Jahre; Zeiträume selbständiger Erwerbstätigkeit seien nicht anrechenbar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Art. 6 Satz 1 (Abs. 1) ARB Nr. 1/80 hat folgenden Wortlaut:

"Artikel 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat

-

nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

-

nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

-

nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

(3)..."

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, vom 13. Februar bis zum 31. März 1993 nicht beschäftigt gewesen zu sein. Er hält den angefochtenen Bescheid aber - zusammengefasst - deswegen für rechtswidrig, weil diese Unterbrechung seiner unselbständigen Beschäftigung eine unverschuldete gewesen sei und ihm die Neueinstellung bereits zugesagt gewesen, er damit aber dem Arbeitsmarkt nicht mehr als vermittelbar zur Verfügung gestanden sei. Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 sehe auch eine ununterbrochene Tätigkeit für den Erwerb der darin verbrieften Rechte nicht vor.

Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Er stellt die tatsächliche Unterbrechung seiner unselbständigen Beschäftigung im oben genannten, vor dem Beitritt Österreich zur Europäischen Union (per 1. Januar 1995) gelegenen Zeitraum nicht in Abrede. Nach dem Verlust seiner Beschäftigung im Jahre 1993 konnte er sich aber noch nicht auf einen allenfalls durch die Zurücklegung von in Art. 6 Abs. 1 des (erst später in Kraft getretenen) Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 umschriebenen Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung erworbenen Anspruch auf Fortsetzung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nach den - erst mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 wirksamen - Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 - etwa im Lichte des auch von ihm in der Beschwerde zitierten Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 23. Jänner 1997, in der Rechtssache C-171/95 (Recep Tetik) - berufen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 1997, Zl. 96/21/0100, vom 18. Dezember 1997, Zl. 97/09/0152, vom 15. April 1998, Zl. 98/09/0044, vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/09/0361, und vom 7. Juli 1999, Zl. 97/09/0308 u.a.). Daher hat die vor dem 1. Jänner 1995 gelegene Unterbrechung der Beschäftigung des Beschwerdeführers auch zum Untergang der davor erworbenen Anwartschaft auf die mit dem ersten Gedankenstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 verbundene Rechtsposition geführt. Von dieser Rechtsprechung abzugehen bieten die Beschwerdeausführungen keinen Anlass. In Hinblick auf die gefestigte diesbezügliche Rechtsprechung sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, der Anregung des Beschwerdeführers zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nachzukommen.

Die vom 1. April 1993 bis zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit per 6. Juli 1996 zu berücksichtigende Zugehörigkeit zum österreichischen Arbeitsmarkt erfüllte noch nicht die zeitlichen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich des ARB Nr. 1/80.

Die Beschwerde erweist sich somit bereits aus diesem Grund als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. März 2002

Gerichtsentscheidung

EuGH 61995J0171 Recep Tetik VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000090179.X00

Im RIS seit

10.06.2002

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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