Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. H. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des M T in W, vertreten durch Kunz-Schima-Wallentin & Partner, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Porzellangasse 4-6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. Dezember 1998, RV/843-17/01/98, betreffend Umsatzsteuervorauszahlungen für März 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Vertrag vom 12. Dezember 1991 übertrug Charlotte B als Hauptmieterin des Dachgeschosses eines im siebten Wiener Gemeindebezirk gelegenen Wohnhauses ihre aus dem Mietvertrag resultierenden Rechte und Pflichten um das Entgelt von 5,5 Mio. S an den Beschwerdeführer, der das Objekt untervermietete.
Mit Vertrag vom 28. März 1996 übertrug der Beschwerdeführer die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag 5,75 Mio. S an Dr. L. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass eine umsatzsteuerpflichtige Veräußerung des Mietrechts durch den Beschwerdeführer vorliege, und erfasste den Umsatz durch Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für März 1996. Das Finanzamt errechnete das Entgelt, indem es aus dem Preis von 5,75 Mio. S die als darin enthalten angenommene Umsatzsteuer von 20% herausrechnete. Die festgesetzte Umsatzsteuer betrug 958.333,33 S.
Die Berufung, in welcher der Beschwerdeführer vorbrachte, mangels nachhaltiger Tätigkeit sei er nicht Unternehmer, wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab. Durch die vorangegangene Vermietungstätigkeit habe der Beschwerdeführer die Unternehmereigenschaft begründet. Die Umsatzsteuerpflicht erfasse auch Hilfs- und Nebengeschäfte aus dieser Vermietung.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, der in Rede stehende Vorgang sei als Grundstücksveräußerung anzusehen und daher umsatzsteuerbefreit. Der Erwerber des Mietrechts könne das Objekt für ca. 90 Jahre nutzen und sei daher einem wirtschaftlichen Eigentümer gleichzuhalten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer sei zugunsten des Dr. L aus dem Hauptmietverhältnis ausgeschieden und habe dafür das im Vertrag vom 28. März 1996 angeführte Entgelt erhalten. In der damit vorgenommenen Übertragung des Mietrechts einschließlich des Rechts auf Untervermietung und auf Mietrechtsweitergabe gegen eine Zahlung von 5,75 Mio. S sei ein Leistungsaustausch zu erblicken. Der Beschwerdeführer habe im Berufungsverfahren vorgebracht, Gegenstand des Leistungsaustausches sei die Übertragung des Nutzungsrechtes an der Dachgeschosswohnung gewesen. Nach Ansicht der belangten Behörde ändere der Umstand, dass im Vertrag vom 28. März 1996 von der Ablöse getätigter Investitionen die Rede sei, nichts daran, dass Gegenstand des Geschäfts der Erwerb des Mietrechts und des damit verbundenen Untervermiet- und Weitergaberechtes gewesen sei. Die Übertragung des Mietrechts stelle eine sonstige Leistung dar.
Dr. L sei in die Mietrechte eingetreten und sei seither zur laufenden Mietzahlung an den Hauseigentümer verpflichtet. Ein Mietverhältnis bestehe sohin zwischen dem Hauseigentümer und Dr. L, nicht hingegen zwischen dem Beschwerdeführer und Dr. L. Daher komme im gegenständlichen Fall der ermäßigte Steuersatz des § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 nicht zur Anwendung. Es liege auch keine Grundstückslieferung iSd § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 vor. Es sei nämlich ein Mietrecht übertragen worden, und somit kein Grundstück.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
§ 3 Abs. 1 UStG 1994 definiert Lieferungen als Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über den Gegenstand zu verfügen.
Gemäß Art. 5 Abs 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie) ist als Lieferung zu verstehen die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
Die bloße Einräumung von Gebrauchs- und Nutzungsrechten führt nicht zur Übertragung der Verfügungsmacht. Der Unternehmer muss vielmehr Substanz, Wert und Ertrag des Gegenstandes zuwenden. Es kommt darauf an, dass der wirtschaftliche Gehalt des Vorganges darauf gerichtet ist, dem Abnehmer die wirtschaftliche Substanz des Gegenstandes endgültig zuzuwenden (vgl. Ruppe, UStG 19942, § 3 Tz 33).
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe das wirtschaftliche Eigentum an der Dachgeschosswohnung übertragen. Gegenstand des Leistungsaustausches sei die Übertragung des Nutzungsrechts für 91 Jahre gewesen. Angesichts dieses Zeitraumes zeige sich die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums darin, dass die Vermietung unbeweglichen Vermögens im außerbetrieblichen Bereich von einer Nutzungsdauer von 67 Jahren, im betrieblichen Bereich von einer solchen von 50 Jahren ausgehe. Da der Erwerber das Objekt sohin für die gesamte Nutzungsdauer und darüber hinaus nutzen und das Nutzungsrecht auch an Dritte übertragen könne, sei er wirtschaftlicher Eigentümer geworden. Es liege daher die Lieferung eines Gegenstandes, nämlich eines Grundstückes vor. Dieser Vorgang sei gemäß § 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994 von der Umsatzsteuer befreit.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Wenn er auf das ca. 90 Jahre währende Nutzungsrecht verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser Zeitraum der tatsächlichen Nutzungsdauer des Dachbodens, nicht hingegen der vom EStG (§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. e und § 8 Abs. 1 EStG) vorgegebenen Nutzungsdauer gegenüberzustellen ist. Letztere kann bei Gebäuden in solider Bauweise aber auch deutlich länger als hundert Jahre sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24.Oktober 1990, 87/13/0119). Im gegenständlichen Fall kommt hinzu, dass der Nutzungsberechtigte ein laufendes Mietentgelt zu bezahlen hat und - nach Punkt 4. und 13. des zugrundeliegenden Mietvertrages - das Mietverhältnis bei Säumigkeit hinsichtlich der Mietzinszahlung (oder auch im Falle eines erheblichen nachteiligen Gebrauchs) auch vor Ablauf der ca. 90 Jahre gekündigt werden kann. Punkt 8 des Mietvertrages regelt, dass die vom Mieter in die Wohnung getätigten Investitionen nach Beendigung des Mietverhältnisses entschädigungslos auf den Hauseigentümer übergehen. Auch sind dem Hauseigentümer keine Beschränkungen hinsichtlich der Veräußerung oder Belastung des Objektes auferlegt. Solcherart ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde nicht von einer endgültigen Zuwendung der wirtschaftlichen Substanz an den Nutzungsberechtigten ausgegangen ist.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die Übertragung des Nutzungsrechtes sei, sollte sie nicht als Lieferung der Dachgeschosswohnung anzusehen sein, eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung. Dann komme aber - der Erwerber nutze das Objekt zu Wohnzwecken - gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 der ermäßigte Steuersatz von 10% und nicht der von der belangten Behörde herangezogene Steuersatz von 20% zur Anwendung. Hätte der Beschwerdeführer die Dachgeschosswohnung an Dr. L untervermietet, wäre unzweifelhaft die angesprochene Steuersatzermäßigung zur Anwendung gekommen. Es sei aber nicht einsichtig, warum die Untervermietung anders behandelt werden sollte als die Übertragung des Mietrechtes. Das Entgelt für die Abtretung des Mietrechtes müsse wie ein voraus bezahltes (Unter)Mietentgelt beurteilt werden.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.
Gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf 10% für die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke, ausgenommen eine als Nebenleistung erbrachte Lieferung von Wärme.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken steuerfrei. Nicht befreit ist u. a. die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke.
Artikel 13 der Sechsten Richtlinie regelt Steuerbefreiungen im Inland. Artikel 13 Teil B Buchstabe b sieht vor:
"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen,
...
b) die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ..."
Gemäß Art. 13 Teil C können die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken für eine Besteuerung zu optieren.
Der Beitrittsvertrag räumte Österreich das Recht ein, einen ermäßigten Steuersatz auf die Vermietung von Grundstücken zu Wohnzwecken anwenden, sofern der Satz nicht unter 10% liegt.
Die Vermietung von Grundstücken im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie besteht zunächst darin, dass der Vermieter eines Grundstücks dem Mieter gegen Zahlung des Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, seine Sache zu gebrauchen und andere davon auszuschließen. Die Vermietung von Grundstücken umfasst aber unzweifelhaft auch die von einem Mieter vorgenommene Untervermietung (vgl. EuGH 9. Oktober 2001, C-108/99, Cantor Fitzgerald International, Rn 31).
Dem zitierten Urteil des EuGH C-108/99 ist zu entnehmen (Rn 32), dass die "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" im Sinne der Sechsten Richtlinie eine Dienstleistung ist, bei der es um die Übertragung des Rechts auf Gebrauch eines Grundstückes geht.
In dem dem Urteil C-108/99 zugrunde liegenden Sachverhalt übertrug die (Vor)Mieterin die Rechte und Pflichten aus einem Mietvertrag auf eine Nachmieterin. Die (Vor)Mieterin leistete der Nachmieterin ein Entgelt dafür, dass letztere dem Übergang des Mietverhältnisses zustimmte. Die Dienstleistung der Nachmieterin (entgeltliche Übernahme des Mietverhältnisses) beurteilte der EuGH nicht als Übertragung des Rechts auf Gebrauch eines Grundstückes, war es doch die Nachmieterin, die die Gebrauchsmöglichkeit erhielt (und nicht einem anderen einräumte).
Der EuGH weist im zitierten Urteil ausdrücklich darauf hin, dass es nicht gleichgültig sei, ob der Vor- oder der Nachmieter die Dienstleistung (oder die Zahlung) zugunsten des jeweils anderen erbringt (Rn 18).
Im vorliegenden Fall erbringt der (Vor)Mieter die Leistung an den Nachmieter. Die Leistung besteht in der Übertragung des Rechts auf Gebrauch eines Grundstückes. Solcherart ist die Dienstleistung als Vermietung und Verpachtung von Grundstücken im Sinne der Sechsten Richtlinie anzusehen.
Dem Begriff der Vermietung iSd § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 ist ein Verständnis wie jenem der Vermietung von Grundstücken im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe b und Teil C der Sechsten Richtlinie beizumessen.
Da sich die vom Beschwerdeführer erbrachte Leistung unstrittig auf "Grundstücke für Wohnzwecke" bezogen hat, sind im Beschwerdefall die Voraussetzungen des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes nach § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 erfüllt.
Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 501/2001.
Wien, am 20. März 2002
Gerichtsentscheidung
EuGH 61999J0108 Cantor Fitzgerald International VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 VermietungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999150041.X00Im RIS seit
11.07.2002Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013