TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/21 99/20/0395

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Veröffentlicht am 21.03.2002
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §30 Abs1;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des MBY in Wien, geboren am 28. Februar 1960, vertreten durch Maga. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. März 1999, Zl. 208.580/0-V/14/98, betreffend §§ 6 und 8 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde am 2. Jänner 1998 in Wien Mitte bei einer Polizeikontrolle angehalten, wies sich mit einem verfälschten französischen Reisepass aus und wurde daraufhin festgenommen. Bei einer polizeilichen Einvernahme am 8. Jänner 1998 gab er an, er habe im Kongo an Versammlungen bezüglich Lohnerhöhungen teilgenommen und werde beschuldigt, regierungsfeindliche Versammlungen geleitet zu haben. Er sei "General-Sekretär dieser Versammlungen in Kongo-Brazzaville" gewesen.

Am 12. Jänner 1998 beantragte der Beschwerdeführer Asyl. Bei seiner Ersteinvernahme vor dem Bundesasylamt am 20. Jänner 1998 gab er an, er sei in Pointe-Noire geboren, u.a. in "Daleci" und Pointe-Noire zur Schule gegangen, an verschiedenen Schulen in (der Region) Niari als Lehrer berufstätig und zuletzt in Pointe-Noire wohnhaft gewesen. Nach der daran anschließenden Vernehmung des Beschwerdeführers zu seinem Reiseweg wurde die Einvernahme vorerst beendet und das Dublin-Referat des Bundesasylamtes mit dem Fall befasst.

Bei der Fortsetzung seiner Einvernahme am 15. Februar 1999 - das Asylverfahren des Beschwerdeführers war in der Zwischenzeit gemäß § 30 Abs. 1 AsylG eingestellt gewesen - wurde der Beschwerdeführer einer eingehenden Befragung über seinen behaupteten Herkunftsstaat "Kongo-Brazzaville" unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen gab er nun an, er sei in "Dolosi", einem Ort mit etwa 2000 Einwohnern in der Nähe von Potopoto, Generalsekretär der UPADS, der Panafrikanischen Union für soziale Demokratie des ehemaligen Präsidenten Lissouba, gewesen und deshalb "im November 1998" eingesperrt worden, habe aber aus dem Gefängnis fliehen können. Im Falle einer Rückkehr würde er von der Miliz von Denis Sassou-Nguesso umgebracht werden. Generalsekretär der UPADS sei von 1995 bis 1996 Bernard "Corella" (gemeint offenbar: Kolelas) gewesen.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 16. Februar 1999 den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 Asylgesetz als offensichtlich unbegründet ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die Republik Kongo" sei zulässig.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen, ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erlassenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 6 Z 3 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die Dem. Rep. Kongo" sei zulässig.

In der Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe angegeben, "aus der demokratischen Republik Kongo" zu stammen. Bei der Befragung zu seinen Fluchtgründen habe er angegeben, "Staatsangehöriger von Kongo-Brazzaville" und wegen seiner Tätigkeit in der Partei von "Lessouba" (so die Schreibweise der belangten Behörde) verfolgt worden zu sein. Das Bundesasylamt habe den Asylantrag gemäß § 6 Z 3 AsylG abgewiesen und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die Demokratische Republik Kongo" festgestellt. Es habe dem Beschwerdeführer eine Vielzahl von Widersprüchen in seinen Angaben sowie u.a. auch den Umstand vorgehalten, dass er trotz seiner Bildung und seiner behaupteten politischen Funktion nicht in der Lage gewesen sei, "den Namen eines Parteiführers der gegnerischen Gruppierung" richtig zu schreiben. Das "Bild widersprüchlicher bzw. den täglichen Erfahrungen des Lebens widersprechender Aussagen" werde dadurch abgerundet, dass die Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtweg nicht der Realität entsprächen. Die Berufung sei daher gemäß § 6 Z 3 AsylG abzuweisen gewesen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers hätten sich "ausschließlich auf eine angebliche Verfolgung in der DR Kongo" bezogen, wobei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, die von ihm geschilderten Geschehnisse glaubhaft zu machen. Es sei daher die "Zulässigkeit der Rückverbringung des Asylwerbers in die DR Kongo auszusprechen" gewesen. Von einer mündlichen Verhandlung habe Abstand genommen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Sämtliche Ausführungen im angefochtenen Bescheid, in denen - hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers und der erstinstanzlichen Erledigung seines Antrages - auf die Demokratische Republik Kongo Bezug genommen wird, sind aktenwidrig. Die belangte Behörde, die den Beschwerdeführer schon im Kopf des angefochtenen Bescheides als "StA. der Dem. Rep. Kongo" bezeichnet, hat - wie auch die Beschwerde zutreffend aufzeigt - nicht erkannt, dass es sich bei der Demokratischen Republik Kongo, dem ehemaligen Zaire, nicht um den behaupteten Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ("Kongo-Brazzaville", "Republik Kongo"), sondern um einen anderen afrikanischen Staat handelt. Sie hat sich mit dem Sachverhalt nicht hinreichend vertraut gemacht und über das offensichtliche Fehlen der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers sowie die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in Bezug auf einen Herkunftsstaat entschieden, der - weil er im Verwaltungsverfahren überhaupt nicht vorgekommen ist - nicht Ausgangspunkt der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft bzw.

Gegenstand des Ausspruches gemäß § 8 AsylG zu sein hatte.

     Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42

Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

     Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die

§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-

Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 21. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999200395.X00

Im RIS seit

03.06.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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