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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des A in P, geboren am 18. März 1977, vertreten durch Mag. Roja Claudia Missaghi, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Erzherzog Rainer-Ring 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 1. Oktober 2001, Zl. Fr 3939/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen albanischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer sei am 26. September 1998 in einem Lkw versteckt (illegal) nach Österreich eingereist. Unter der Angabe, er sei jugoslawischer Staatsangehöriger, habe er einen Asylantrag gestellt. Als Beweis für seine Identität habe er eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt. Dadurch habe er erreichen wollen, dass er als Kosovo-Albaner klassifiziert und ihm ein Asylrecht bzw. eine Aufenthaltsberechtigung eingeräumt werde. Sein Asylantrag sei letztinstanzlich negativ entschieden worden. Auf Grund des unter der falschen Identität eingebrachten Asylantrages seien dem Beschwerdeführer vorläufige Aufenthaltsberechtigungen mit Gültigkeit vom 12. November 1998 bis 11. August 2000 erteilt worden. Im Zug von Erhebungen gegen albanische Staatsangehörige seien gefälschte jugoslawische Geburtsurkunden und Reisedokumente sichergestellt worden. Als einer der Verdächtigen sei auch der Beschwerdeführer aufgeschienen. Er habe zugegeben, dass er aus Albanien und nicht aus dem Kosovo stammen würde. Er hätte deshalb eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt, weil er gefürchtet habe, als Albaner aus Österreich abgeschoben zu werden. Da sein Cousin Probleme "mit der Blutrache" hätte, würde er fürchten, dass diese Blutrache auch ihn treffen könnte. Auf Grund der ihm als angeblichen Kosovo-Albaner gewährten Bundesbetreuung seien Kosten in der Höhe von S 45.360,-- sowie Sozialhilfeaufwand von S 18.000,-
- als Schaden entstanden. Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt sei er deshalb nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 StGB zu einer auf drei Jahre bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt worden. Sein Asylverfahren sei gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG wieder aufgenommen worden; dabei sei festgestellt worden, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Albanien gemäß § 8 Asylgesetz 1997 zulässig sei. Die Möglichkeit, zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen, habe der Beschwerdeführer nicht genützt.
Die in § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG genannten Tatbestandsmerkmale lägen vor. Der Beachtung der für die Einreise nach und die Ausreise aus Österreich bestehenden Vorschriften komme im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen liege ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen vor. Der Beschwerdeführer habe sowohl gegen strafgesetzliche Bestimmungen als auch gegen die Sichtvermerkspflicht verstoßen. Er habe somit in mehrfacher Weise Sachverhaltselemente verwirklicht, denen im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung besonderes Interesse zukomme. Auf Grund der bisherigen Vorfälle sei bezüglich der gesetzten Verhaltensweisen jedenfalls eine Wiederholungsgefahr zu befürchten. Insofern sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde und allfälligen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufen würde. Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse und es komme den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes scheine daher erforderlich und es könnten diesen, der öffentlichen Ordnung besonders abträglichen Komponenten keine für den Beschwerdeführer positiven Sachverhaltselemente gegenüber gestellt werden. Die belangte Behörde sehe sich daher außer Stande, die Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers anzuwenden. Weder aus seinen niederschriftlichen Angaben noch aus späterem Vorbringen könnten maßgebliche Privat- und Familieninteressen im Sinn des § 37 FrG festgestellt werden. Die dort vorgesehene Abwägung sei daher nicht erforderlich, ebenso wenig die Prüfung, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei.
Unter Bedachtnahme auf § 39 FrG sei ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde, oder unbefristet zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden könne. Wegen der Missachtung fremdenrechtlicher und strafrechtlicher Bestimmungen sei ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren notwendig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Vorerst verweist die Beschwerde darauf, dass die Behörde erster Instanz das Aufenthaltsverbot auch mit einem anhängigen Verfahren betreffend den Erwerb von Hehlereigut begründet habe. Dieses Verfahren sei mit Freispruch rechtskräftig beendet worden, weshalb das nunmehr ausgesprochene Aufenthaltsverbot ausschließlich auf die Verwendung einer gefälschten Geburtsurkunde gestützt werden dürfte.
Dieses Vorbringen geht ins Leere, weil die belangte Behörde dem Aufenthaltsverbot ohnehin den Verdacht der Hehlerei nicht zu Grunde gelegt hat.
Nicht nachvollziehbar ist das weitere Beschwerdevorbringen, es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er über den "Umweg" der Z. 6 des § 36 Abs. 2 FrG die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes erreichen wollte, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG (wegen der Höhe der verhängten Strafe) nicht erfüllt seien. Dieses Vorbringen verkennt die Systematik des § 36 Abs. 1 und Abs. 2 FrG. Hätte der Gesetzgeber die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur nach einer bestimmten strafgerichtlichen Verurteilung für zulässig erklären wollen, hätte es der Aufnahme der weiteren Tatbestände des § 36 Abs. 2 FrG nicht bedurft. Gerade dadurch wird deutlich, dass Verhaltensweisen als Grundlage für ein Aufenthaltsverbot herangezogen werden können, die nicht zu einer strafgerichtlichen Verurteilung in einer bestimmten Höhe geführt haben.
Weiters wirft die Beschwerde der belangten Behörde vor, sie habe keine Feststellungen getroffen, ob der Beschwerdeführer auch "bei ausschließlicher Angabe der wahren Umstände" eine Aufenthaltsberechtigung hätte erlangen können. Dem ist entgegenzuhalten, dass es im Rahmen des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht darauf ankommt, ob der angestrebte Zweck auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten hätte erlangt werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0011).
Der Gerichtshof hegt somit gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht habe, keine Bedenken.
Die Beschwerde vermag aber auch keine Rechtswidrigkeit der weiteren Ansicht der belangten Behörde aufzuzeigen, dass durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Soweit die Beschwerde nämlich auf die Angst des Beschwerdeführers vor der Blutrache in Albanien verweist, vor der er geflüchtet sei, ist ihr zu entgegnen, dass es bei der Prognose nach § 36 Abs. 1 FrG auf ein Verschulden des Fremden nicht ankommt, weil das Aufenthaltsverbot keine Strafe darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 98/21/0380). Aus dem festgestellten Verhalten des Beschwerdeführers ist seine Bereitschaft zur Missachtung fremdenrechtlicher Bestimmungen abzuleiten, denen - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt. Wenn die belangte Behörde aus dem festgestellten Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Prognose in der Form ableitet, dass er auch in Zukunft fremdenrechtliche Bestimmungen missachten könnte, so vermag der Gerichtshof eine Rechtswidrigkeit dieser Annahme nicht zu erkennen.
Weiters kommt dem Beschwerdevorbringen keine Berechtigung zu, dem zufolge die belangte Behörde nicht von einer Verwirklichung von Sachverhaltselementen "in mehrfacher Weise", "denen allesamt im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung besonderes Interesse zukommt", hätte ausgehen dürfen, hat doch der Beschwerdeführer tatsächlich sowohl gegen fremdenrechtliche als auch gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen.
Die Beschwerde verweist darauf, dass der dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung ausschließlich im Zeitpunkt seiner Einreise gelegen sei und seither drei Jahre des Wohlverhaltens vergangen seien. Abgesehen davon, dass diese Frist noch keineswegs so lang ist, um einen Wegfall der Gefährdungsprognose bejahen zu können, kann angesichts der festgestellten Betrugshandlungen nicht von einem Wohlverhalten nach der Einreise die Rede sein.
Berechtigung kommt dem Beschwerdevorbringen insoweit zu, als es sich gegen die Ansicht der belangten Behörde wendet, die Abwägung nach § 37 FrG sei nicht erforderlich. Im Blick auf den zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides doch ca. dreijährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland hätte die belangte Behörde einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben nicht verneinen dürfen. Dadurch wurde der Beschwerdeführer allerdings nicht in subjektiven Rechten verletzt, überwiegt doch das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und der Verhinderung strafbarer Handlungen die (auch unter der Annahme in Österreich aufhältiger Geschwister) wenig ausgeprägte Integration des Beschwerdeführers im Inland beträchtlich. (Die Beschwerdebehauptung, dass der Beschwerdeführer einer geregelten Arbeit nachgehe, findet weder im angefochtenen Bescheid noch im Akteninhalt Deckung.) Es ist somit auch kein Umstand ersichtlich, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.
Letztlich wendet sich die Beschwerde gegen die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes.
In diesem Zusammenhang sprach der Gerichtshof bereits aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0004), dass bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer eines auf § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG gestützten Aufenthaltsverbotes der weitere Aufenthaltsverbotstatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG mit seiner Beschränkung auf fünfjährige Aufenthaltsverbote berücksichtigt werden muss. Vorliegend verstieß der Beschwerdeführer aber nicht nur gegen fremdenrechtliche Vorschriften, sondern auch gegen Vorschriften des Strafgesetzbuches. Aus diesem Grund durfte die belangte Behörde die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit mehr als fünf Jahren bemessen. Wenn sie dabei auch die Höchstdauer herangezogen hat, kann dies im Blick auf den festgestellten Asylmissbrauch doch nicht als rechtswidrig gesehen werden, sind doch keine Umstände ersichtlich (und werden auch in der Beschwerde nicht behauptet), dass mit einem Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bereits nach einer kürzeren Frist zu rechnen sei.
Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 22. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001210177.X00Im RIS seit
03.06.2002Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009