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60/03 Kollektives Arbeitsrecht;Norm
ARG 1984 §12a;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2001/11/0087Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12. Jänner 2001, Zl. UVS- 04/A/43/5/1999/4 (hg. Zl. 2001/11/0086), und vom 15. Jänner 2001, Zl. UVS-04/A/44/6/1999/3 (hg. Zl. 2001/11/0087), betreffend Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes (mitbeteiligte Partei: P in W, vertreten durch Alix Frank Rechtsanwälte KEG, 1010 Wien, Schmerlingplatz 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit zwei Straferkenntnissen des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 22. Bezirk, vom 7. Dezember 1998 wurde die Mitbeteiligte wegen im April 1998 durch Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen in Solarien (die nicht in einer betrieblichen Einheit mit Bädern standen) begangener Übertretungen des § 3 Abs. 1 Arbeitsruhegesetz (ARG) und des § 3 Abs. 2 leg.cit. bestraft.
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden von der belangten Behörde in Stattgebung der Berufungen der Mitbeteiligten die Straferkenntnisse behoben und die Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, mit den jeweiligen Straferkenntnissen sei der Mitbeteiligten zur Last gelegt worden, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit zur Vertretung nach außen Berufene der L GmbH zu verantworten, dass in jeweils näher bezeichneten Arbeitsstätten
1. namentlich genannten Arbeitnehmerinnen eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen habe (Wochenenderuhe), nicht gewährt worden sei und 2. die Wochenenderuhe für namentlich genannte Arbeitnehmerinnen, die nicht mit unbedingt notwendigen Abschluss-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt gewesen seien, nicht spätestens am Samstag um 13.00 Uhr begonnnen habe.
Nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzesstellen führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, bei Solarien handle es sich um Freizeitbetriebe im Sinne des Art. XIII Z. 7 der ARG-VO, wozu auf ein Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 15. Juni 1994 und auf eine darin zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes verwiesen werde. Sie würden auch im hier anzuwendenden Kollektivvertrag als Freizeitbetriebe bezeichnet. In Ermangelung einer "definitiven" normativen Regelung zur Beurteilung, ob Solarien als Freizeitbetriebe anzusehen seien, habe die erwähnte Judikatur nichts an Aktualität verloren und es sei somit von einer Beschäftigung der Dienstnehmerinnen in Freizeitbetrieben auszugehen, für die gemäß § 12 Abs. 1 ARG eine Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe zugelassen sei.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstatte eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 3 Abs. 1 und 2 und § 12a des Arbeitsruhegesetzes (ARG), BGBl. Nr. 144/1983 in der Fassung BGBl. I Nr. 46/1997, lauten:
"§ 3. (1) Der Arbeitnehmer hat in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe). Während dieser Zeit darf der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies auf Grund der §§ 2 Abs. 2, 10 bis 18 zulässig ist.
(2) Die Wochenendruhe hat für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13 Uhr, für Arbeitnehmer, die mit unbedingt notwendigen Abschluss-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15 Uhr zu beginnen.
...
§ 12a. (1) Der Kollektivvertrag kann weitere Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe zulassen, wenn dies zur Verhinderung eines wirtschaftlichen Nachteils sowie zur Sicherung der Beschäftigung erforderlich ist.
(2) Soweit dies nach der Art der Tätigkeit zweckmäßig ist, hat der Kollektivvertrag die nach Abs. 1 zulässigen Arbeiten einzeln anzuführen und das für die Durchführung notwendige Zeitausmaß festzulegen. "
§ 12 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes (ARG) BGBl. Nr. 144/1983 idF. BGBl. I Nr. 46/1997 lautet:
"§ 12. (1) Durch Verordnung sind für Arbeitnehmer in bestimmten Betrieben Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe für Arbeiten zuzulassen, wenn diese
1.
...
2.
im Hinblick auf während der Wochenend- oder Feiertagsruhe hervortretende Freizeit- und Erholungsbedürfnisse und Erfordernisse des Fremdenverkehrs notwendig sind;
3. ...
(2) Soweit dies nach der Art der Tätigkeit zweckmäßig ist, hat die Verordnung die nach Abs. 1 zulässigen Arbeiten einzeln anzuführen und das für die Durchführung notwendige Zeitausmaß festzulegen. Arbeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den nach Abs. 1 zulässigen Arbeiten stehen oder ohne die diese nicht durchführbar wären, sind zuzulassen, soweit sie nicht vor oder nach der Wochenend- oder Feiertagsruhe vorgenommen werden können. "
§ 1 Abs. 1 der Arbeitsruhegesetz-Verordnung (ARG-VO), BGBl. Nr. 149/1984, lautet:
"§ 1. (1) Während der Wochenend- und Feiertagsruhe dürfen Arbeitnehmer nur die in der Anlage angeführten Tätigkeiten während der jeweils angeführten Zeiträume ausüben."
Art. XIII. Z. 6 und 7 der Anlage zur Arbeitsruhegesetz-Verordnung lautet:
"XIII Fremdenverkehr, Freizeitgestaltung, Kongresse, Konferenzen
...
6. Freibäder, Hallenbäder, Saunabetriebe, Wannen- und Brausebäder, sanitäre Anlagen; Erholungszentren
Beaufsichtigung des Betriebes, Betreuung der Kassa;
Badeaufsicht; Betreuung der technischen Anlagen; Wartung der Sauna; Reinigung; Verleih von Sportgeräten, Badewäsche, Liegestühlen usw.; Schwimmunterricht an Samstagen bis 18 Uhr;
Massage und Fußpflege während der zulässigen Betriebszeiten.
7. Betriebe des Freizeit- oder Fremdenverkehrsbereiches wie Parkanlagen, Campingplätze, Sportbetriebe (zB Bootsvermietung, Sportgeräteverleih, Eislaufplätze, Golfplätze, Kegelbahnen, Minigolf-, Miniaturgolf-, Kleingolfplätze, Tennisplätze, Tennishallen, Tischtennisanlagen), Schischulen, Tanzschulen, Spielhallen, Spielautomatenaufsteller und -verleiher (einschließlich Musikautomaten), Sehenswürdigkeiten, persönliche Dienstleistungen im Fremdenverkehr wie Gepäckträger, Fremdenführer, Parkplatzbewacher, Lotsen
Alle Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes und zur Betreuung der Gäste oder Kunden unbedingt erforderlich sind. "
§ 4 Abs. 1 des Kollektivvertrages zwischen der Wirtschaftskammer Wien, Sektion Tourismus und Freizeitwirtschaft, Fachgruppe Bäder, einerseits und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, persönlicher Dienst, andererseits, der nach seinem § 1 unter anderem auch für Solarienbetriebe, die der Fachgruppe Bäder angehören, gültig ist (im Folgenden Kollektivvertrag), lautet:
"§ 4. (1) Die Regelung der Arbeitszeit erfolgt nach den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (BGBl. Nr. 461/69) in der jeweiligen Fassung. Solarienbetriebe gelten nach dem Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates für Wien UVS-07/06/003234/94 vom 15.6.1994 im Sinne des Arbeitsruhegesetzes und der Arbeitsruheverordnung BGBl. Nr. 149/1984, Art. XIII Z. 7 als Freizeitbetrieb. "
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Beurteilung der gegenständlichen Betriebe als Freizeitbetriebe und damit gegen die Anwendbarkeit des Ausnahmenkataloges auf sie durch die belangte Behörde. Seiner Ansicht nach sei aus der Aufzählung des Art. XIII Z. 7 ARG-VO zu erkennen, dass es sich bei "Betrieben des Freizeitbereiches" um Einrichtungen handeln müsse, die dem Bedürfnis der Bevölkerung nach sportlicher oder anderer aktiver Betätigung an Wochenenden bzw. an Feiertagen entgegen kämen. Der passive Gebrauch einer Bräunungsanlage sei jedenfalls mit den genannten Einrichtungen nicht vergleichbar und somit - trotz demonstrativer Aufzählung - keine analoge Auslegung zulässig. Diese Einrichtung sei eher vergleichbar mit Dienstleistungen wie Frisör- oder Kosmetikbetrieben, wofür in der ARG-VO eingeschränkte Regelungen bestünden. Die von der belangten Behörde genannte Entscheidung vom 15. Juni 1994 komme nicht zum Tragen, weil sie für die hier zu beurteilende Frage nicht aussagekräftig sei. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, es bestehe zwar gemäß § 12a ARG die Möglichkeit, Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe durch Kollektivvertrag zuzulassen. Die von der belangten Behörde genannte Kollektivvertragsregelung des § 4 könne jedoch mangels Deutlichkeit - sie beziehe sich ihrerseits nur auf das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 15. Juni 1994 - nicht als Zulassung gemäß § 12a ARG angesehen werden und sei offensichtlich auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien nicht als solche betrachtet worden.
Dieses Vorbringen ist im Ergebnis nicht zielführend:
Wie auf Grund der vorhin dargestellten Rechtslage ersichtlich ist, kann gemäß § 12a Abs. 1 ARG der Kollektivvertrag Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe zulassen, wenn dies zur Verhinderung eines wirtschaftlichen Nachteils sowie zur Sicherung der Beschäftigung erforderlich ist.
Der Beschwerdeführer ist zwar im Recht, wenn er vorbringt, dass der Hinweis in § 4 Abs. 1 des hier anzuwendenden Kollektivvertrages auf den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Wien vom 15. Juni 1994 und die Formulierung, dass Solarienbetriebe auf Grund dieses Bescheides als Freizeitbetriebe "gelten", eine gewisse Undeutlichkeit in sich birgt. Die Anführung des Bescheides in diesem Zusammenhang ist überflüssig. Die Undeutlichkeit der Norm bewirkt jedoch noch nicht, dass sie nicht angewendet werden dürfte, sondern macht sie - wie jede andere Norm - auslegungsbedürftig. Hiebei ist zu berücksichtigen, dass es nicht die Aufgabe des normativen Teiles des Kollektivvertrages ist, über Geschehnisse in der Rechtsprechung bloß zu berichten, sodass die entsprechende Formulierung in § 4 Abs. 1 des Kollektivvertrages nicht dahin ausgelegt werden kann, die Kollektivvertragsparteien wollten lediglich einen Hinweis auf den genannten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates aufnehmen und die Erwähnung der Solarien habe lediglich narrativen Charakter. Die Anführung der Solarien in dieser Bestimmung hat ersichtlich nur den Zweck, die Ausnahmen nach Art. XIII Z. 7 der Anlage zur ARG-VO auch für Solarienbetriebe zuzulassen und damit zu ermöglichen, dass in diesen während der Wochenend- und Feiertagsruhe Arbeitnehmer in gleicher Weise beschäftigt werden können, wie in den in Art. XIII Z. 7 genannten Betrieben. Damit war das Verhalten der mitbeteiligten Partei nicht rechtswidrig.
Da sich die Beschwerde schon aus diesem Grunde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.
Ein Kostenersatz (an die belangte Behörde) findet im Grunde des § 47 Abs. 4 VwGG nicht statt, die mitbeteiligte Partei hat die Zuerkennung von Aufwandersatz nicht beantragt.
Wien, am 22. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001110086.X00Im RIS seit
10.06.2002Zuletzt aktualisiert am
01.10.2013