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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §15 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des Z in Graz, geboren am 3. April 1969, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 17. Dezember 1999, Zl. Fr 191/1999, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 31, 33 Abs. 1 und 37 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus Österreich aus. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass dem Beschwerdeführer am 9. November 1993 und am 11. Juli 1994 Touristensichtvermerke ausgestellt worden seien, während deren Gültigkeitsdauer (bis 4. Dezember 1993 bzw. bis 2. August 1994) er mehrmals nach Österreich eingereist sei. Seit seiner letzten, mangels gültigen Sichtvermerks illegalen Einreise am 2. Februar 1995 halte er sich (jedoch) unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, weil er über keinerlei Bewilligung nach dem Asyl- oder Fremdengesetz verfüge. Ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei mit rechtskräftigem Bescheid vom 24. September 1996 abgewiesen worden. "Unter den gegebenen Umständen" sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland rechtlich ausgeschlossen. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Die öffentliche Ordnung werde schwer beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Den demnach bestehenden öffentlichen Interessen an der Erlassung einer Ausweisung seien die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich gegenüberzustellen. Diese seien jedoch angesichts der Dauer seines Aufenthaltes in Österreich nicht so stark ausgeprägt, dass sie schwerer zu gewichten wären als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse. Das gelte auch unter Bedachtnahme auf seine familiäre Situation. Der Beschwerdeführer habe 1996 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet, doch sei diese Ehe in der Zwischenzeit im beiderseitigen Einvernehmen geschieden worden. Nunmehr lebe er mit seiner Lebensgefährtin zusammen, die am 11. Februar 1998 in Österreich ein gemeinsames Kind zur Welt gebracht habe und die den Beschwerdeführer finanziell unterstütze. Diese "Umstände" seien jedoch während des unberechtigten Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet geschaffen worden; er habe daher nicht mit Recht davon ausgehen können, dass er ein gemeinsames Familienleben mit seiner Lebensgefährtin und einem gemeinsamen Kind in Österreich legal entfalten werden könne. Insgesamt erweise sich die Ausweisung daher trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers als dringend geboten und damit als zulässig. Dass der Beschwerdeführer bei einer Abschiebung nach Jugoslawien iS des § 57 Abs. 1 FrG bedroht sei, stehe der Erlassung dieser Maßnahme nicht entgegen. Schließlich komme auch eine Abstandnahme von der Erlassung einer Ausweisung im Rahmen des der Behörde offen stehenden Ermessens nicht in Frage, zumal einerseits die Möglichkeit bestehe, dass der Beschwerdeführer von seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind im Ausland besucht werde und er andererseits während seines Aufenthaltes in Österreich - nach der Aktenlage am 14. Mai 1995 - auch straffällig geworden sei, indem er einem Gastwirt mit der Sprengung seines Lokales gedroht habe (Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen a S 100,--). Auch lasse die Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe und er somit über keine eigenen finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Unterhaltes verfüge, eine positive Zukunftsprognose für einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet nicht zu.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:
Die Beschwerde tritt der Ansicht der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte und dass damit der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG verwirklicht sei, nicht entgegen. Sie bekämpft jedoch einerseits die behördliche Beurteilung nach § 37 FrG und macht andererseits geltend, dass die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. Dezember 1999 festgestellt habe, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Jugoslawien Gefahr laufe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, weshalb derzeit die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Heimatstaat unzulässig sei.
Richtig ist, dass nach der Aktenlage mit Erlassung des bekämpften Ausweisungsbescheides seitens der belangten Behörde auch ein Feststellungsbescheid des vom Beschwerdeführer dargestellten Inhalts nach § 75 FrG erlassen worden ist. Die belangte Behörde gelangte demnach also zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer aus dem Grund des § 57 Abs. 1 FrG bezogen auf sein Heimatland Refoulement-Schutz zu gewähren sei.
Gemäß § 15 Abs. 1 Asylgesetz 1997 ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen rechtskräftig abgewiesen wurde und die sich ohne rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet befinden, mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen ist, wenn gemäß § 8 leg. cit. festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist. Im Rahmen eines Asylverfahrens wird daher für Fremde, deren Asylantrag unberechtigt ist und die wie der Beschwerdeführer Refoulement-Schutz bezogen auf ihr Heimatland genießen - die Feststellung nach § 8 Asylgesetz 1997 entspricht inhaltlich, hinsichtlich des Heimatstaates des Fremden, der Feststellung nach § 75 FrG - aufenthaltsrechtlich in besonderer Weise Vorsorge getroffen. Für Fremde, denen Refoulement-Schutz von den Fremdenbehörden gewährt wurde, gibt es keine derartige Anordnung. Dieser Personenkreis, dem der Beschwerdeführer angehört, findet allerdings in § 10 Abs. 4 FrG besondere Erwähnung. Zufolge dem ersten Satz dieser Vorschrift kann die Behörde Fremden trotz Vorliegens bestimmter Versagungsgründe - ua. dann, wenn sie sich nach Umgehung der Grenzkontrolle nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten (§ 10 Abs. 1 Z 4 leg. cit.) - in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen gemäß dem zweiten Satz des § 10 Abs. 4 FrG insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind.
Einerseits lässt die zuletzt genannte Bestimmung selbst klar erkennen, dass Personen, die aus den Gründen des § 57 FrG nicht zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden dürfen, regelmäßig von Amts wegen die dort vorgesehene Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sein wird. Andererseits führt aber - bezieht sich der zuerkannte Refoulement-Schutz wie hier auf den Heimatstaat des Fremden - auch die dargestellte Regelung des § 15 Abs. 1 Asylgesetz 1997 zu diesem Ergebnis, weil man andernfalls zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Wertungswiderspruch gelangte. Es wäre nämlich nicht ersichtlich, warum ein Fremder in der Position des Beschwerdeführers nur über Stellung eines - unbegründeten - Asylantrages in den Genuss eines Aufenthaltsrechtes gelangen sollte.
Ausgehend von diesen Überlegungen braucht im vorliegenden Fall die Richtigkeit der behördlichen Beurteilung nach § 37 Abs. 1 FrG nicht geprüft zu werden. Unabhängig vom Ausgang einer solchen Überprüfung kann nämlich die Erlassung einer Ausweisung nach § 33 Abs. 1 FrG in einer Konstellation wie der gegenständlichen nicht als im Sinne des Gesetzes liegend erkannt werden. Daran ändert auch die strafgerichtliche Verurteilung aus dem Jahr 1995 nichts, zumal das ihr zugrunde liegende Fehlverhalten bei Bescheiderlassung bereits knapp fünf Jahre zurücklag.
Nach dem Gesagten hätte die belangte Behörde angesichts ihrer Entscheidung nach § 75 FrG von ihrer Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung nach § 33 Abs. 1 FrG nicht Gebrauch machen dürfen. Der bekämpfte Bescheid ist daher mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 22. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000210011.X00Im RIS seit
03.06.2002