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L92055 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Salzburg;Norm
BPGG 1993 §9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der A in S, vertreten durch Dr. Heinrich Schellhorn, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 5. Februar 1999, Zl. 3/01-27.358/- 2 1999, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 7. Mai 1998 wurde Mag. K. zum einstweiligen Sachwalter für die Beschwerdeführerin, und zwar zur Besorgung dringender Angelegenheiten, darunter "Regelung des Lebensunterhalts", bestellt. Unter Verwendung eines Formulares des Amts der Salzburger Landesregierung stellte der einstweilige Sachwalter am 8. Juni für die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe durch Kostenübernahme ab 1. Mai 1998 in Alteneinrichtungen gemäß § 17 des Salzburger Sozialhilfegesetzes (SSHG). Dieser Antrag langte am 15. Juni 1998 bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung ein. Aus nicht vom einstweiligen Sachwalter stammenden Angaben im erwähnten Formular geht hervor, dass die Beschwerdeführerin bereits am 6. Mai 1996 in das Seniorenwohnhaus R. in Straßwalchen aufgenommen worden war. Im Verwaltungsakt erliegen an die Beschwerdeführerin adressierte Rechnungen des Seniorenwohnhauses für die Monate Mai (in Höhe von S 17.019,--) und Juni 1998 (in Höhe von S 16.470,--).
Mit Bescheid vom 21. September 1998 sprach die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung aus, dass für die Beschwerdeführerin ab 15. Mai 1998 bis 31. Dezember 1998 die Aufenthaltskosten im Seniorenwohnhaus aus Sozialhilfemitteln abzüglich der Eigenleistung getragen würden, wobei die Eigenleistung vom 15. Mai bis zum 31. Mai 1998 S 6.055,90 und ab 1. Juni 1998 monatlich S 11.043,10 betrage und direkt an das Heim zu zahlen sei.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die Salzburger Landesregierung mit Bescheid vom 5. Februar 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 6, 8 und 17 SSHG teilweise Folge und änderte den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend ab, dass die Sozialhilfegewährung ab dem Tag der Antragstellung, dem 15. Juni 1998, beginne und für den Zeitraum 15. Juni 1998 bis 30. Juni 1998 eine Eigenleistung von S 5.867,50, für den Zeitraum 1. Juli bis 30. September 1998 eine Eigenleistung von S 11.735,-- sowie für den Zeitraum 1. Oktober bis 31. Dezember 1998 eine Eigenleistung von S 11.667,-- zu entrichten sei. In der Begründung führte die Salzburger Landesregierung nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Bestimmungen des SSHG aus, bei der rechtlichen Würdigung des Berufungsfalles sei vorerst davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auf Grund der mit dem Heimträger eingegangenen Unterbringungs- bzw. Pflegevereinbarung diesem die offenkundig ab 1. Mai 1998 zumindest teilweise aushaftenden Pflegegebühren schulde. Aus sozialhilferechtlicher Sicht sei hiezu zu bemerken, dass bei der Gewährung von Sozialhilfe grundsätzlich auf den Bestand einer aktuellen Notlage abzustellen sei. Leistungen für die Vergangenheit schieden damit aus. Hiezu sei auszuführen, dass auch offene Schulden als solche generell keinen von der Sozialhilfe abzudeckenden Bedarf darstellten und für sich allein keine aktuelle Notlage bewirken. Lediglich dann, wenn sich diese Schulden auch aktuell auswirkten, diese beispielsweise bereits gerichtlich eingetrieben (gepfändet) würden oder hierdurch der Verlust der Unterkunft drohe, sei entsprechend Sozialhilfe zu gewähren. Für derart drastische Auswirkungen lägen im gegenständlichen Verfahren keine Anhaltspunkte vor, zumal die laufende Unterbringung, Pflege und Betreuung durch die (teilweise) Tragung der Altenheimkosten aus Mitteln der Sozialhilfe gewährleistet sei. Eine rückwirkende Sozialhilfegewährung könne bei Beachtung von § 6 Abs. 2 SSHG weder für einen Zeitraum vor dem Zeitpunkt der Antragseinbringung noch von Amts wegen für einen Zeitraum vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Kenntnis durch die Behörde erfolgen. Der Sozialhilfeträger habe erstmals durch den am 15. Juni 1998 eingegangenen Antrag von der Unterbringung der Beschwerdeführerin im Altenheim in Straßwalchen Kenntnis erlangt. Eine vorangehende Mitteilung von dritter Seite oder allenfalls eine eigene Wahrnehmung sei nicht erfolgt. Die Begründung des Bescheides enthält weiters eine nähere Aufstellung der Berechnung hinsichtlich der im Spruch angegebenen Perioden der Eigenleistung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof ist das Salzburger Sozialhilfegesetz (SSHG), LGBl. Nr. 19/1975, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 115/1998 maßgeblich. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen lauten (auszugsweise):
"Einsetzen und Fortdauer der Hilfe
§ 3
Die Sozialhilfe hat rechtzeitig einzusetzen. Sozialhilfe ist nicht nur zur Beseitigung einer bestehenden Notlage, sondern auch vorbeugend zu gewähren, wenn dadurch einer drohenden Notlage entgegen gewirkt werden kann. Die Sozialhilfe ist auch nach Beseitigung der Notlage fortzusetzen, soweit das notwendig ist, um die Wirksamkeit der geleisteten Hilfe zu sichern oder Rückschläge zu vermeiden.
...
Rechtsanspruch
§ 5
Auf die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat der Hilfe
Suchende einen Rechtsanspruch; ... .
Anspruch
§ 6
(1) Ein Hilfe Suchender, der sich im Lande Salzburg aufhält, hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, wenn er den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
(2) Die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes wird grundsätzlich nur auf Antrag gewährt. Sie ist auch ohne Antrag zu gewähren, sobald dem Sozialhilfeträger Tatsachen bekannt werden, die eine Hilfeleistungen erfordern, und eine Antragstellung dem Hilfe Suchenden auf Grund besonderer Umstände nicht zumutbar ist.
...
Lebensbedarf
§ 10
(1) Zum Lebensbedarf gehören:
1. der Lebensunterhalt;
...
(2) Der Lebensbedarf kann in Form von Geldleistungen, Sachleistungen oder persönlicher Hilfe gesichert werden. ... .
Lebensunterhalt
§ 11
Der Lebensunterhalt umfasst die nötige Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beiheizung und andere notwendige persönliche Bedürfnisse sowie im angemessenen Umfang die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben. ...
Antragstellung
§ 32
Anträge auf die Zuerkennung von Leistungen der Sozialhilfe
sind bei der Bezirksverwaltungsbehörde oder bei der Gemeinde
einzubringen. ... .
...
Ersatzansprüche Dritter gegen dem Sozialhilfeträger
§ 47
(1) Musste einem Hilfe Suchenden zur Sicherung des Lebensbedarfes so dringend Hilfe gewährt werden, dass der Sozialhilfeträger nicht vorher benachrichtigt werden konnte, hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der die Hilfe geleistet hat, die Kosten zu ersetzen.
(2) Ersatzfähig sind nur die Kosten, die innerhalb von drei Monaten vor der Anzeige entstanden sind; nach der Anzeige aufgewendete Kosten sind nur insoweit ersatzfähig, als sie aufgewendet wurden, bevor der Sozialhilfeträger über die Gewährung von Hilfe entschieden hat.
...
(4) Eine Anzeige im Sinn des Abs. 2 kann an jede Bezirksverwaltungsbehörde des Landes gerichtet werden. Diese hat die Anzeige, wenn sie nicht selbst zur Entscheidung zuständig ist, an die nach § 30 Abs. 1 zuständige Bezirksverwaltungsbehörde weiter zu leiten.
(5) Über den Ersatz der Kosten entscheidet die Bezirksverwaltungsbehörde, an welche die Anzeige nach Abs. 4 gerichtet oder weiter geleitet wurde."
Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "gesetzlichen Recht auf Gewährung der Sozialhilfe ab dem 01.05.1998 verletzt". Die Feststellungen der belangten Behörde werden in der Beschwerde hingegen nicht bestritten.
Zunächst ist festzuhalten, dass sich aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit demjenigen des erstinstanzlichen Bescheides ergibt, dass die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Sozialhilfe in Form von Sicherung des Lebensbedarfes für die Zeit vom 1. Mai 1998 bis zum Einlangen des Antrags bei der Erstbehörde (15. Juni 1998) abgewiesen hat. Im Beschwerdefall ist ausschließlich von Interesse, ob die Beschwerdeführerin durch diese Abweisung in Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Rechtsauffassung, ausgehend vom Zweck des SSHG und dessen § 3 ergebe sich, dass der maßgebliche Zeitpunkt, zu welchem Sozialhilfe einzusetzen habe, derjenige sei, zu welchem "die Tatsachen entstehen", die den Rechtsanspruch im Sinne des SSHG nach sich ziehen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei dem Gesetz in keiner Bestimmung zu entnehmen, dass Sozialhilfe nicht für einen Zeitraum zugesprochen werden könne, der vor dem Tage der Antragstellung liegt. Entscheidend sei vielmehr, für welchen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen nach dem SSHG vorliegen. Wenn nach § 3 SSHG davon auszugehen sei, dass Sozialhilfe rechtzeitig einzusetzen hat, könne im Zusammenhang mit dem Rechtsanspruch des Hilfe Suchenden auf Gewährung der Sozialhilfe "wohl nur davon ausgegangen werden", dass eine Antragstellung auf Gewährung der Sozialhilfe rückwirkend auf jenen Zeitpunkt, zu welchem der Rechtsanspruch auf Gewährung der Sozialhilfe entstanden sei, möglich und von der Behörde auch zu bewilligen sei.
Dieser Rechtsansicht der Beschwerdeführerin ist nicht zu folgen.
Zwar trifft es zu, dass nach § 3 erster Satz SSHG die Sozialhilfe rechtzeitig einzusetzen hat. Gemäß § 3 zweiter Satz ist Sozialhilfe nicht zur Beseitigung einer bestehenden Notlage, sondern auch vorbeugend zu gewähren, wenn dadurch einer drohenden Notlage entgegen gewirkt werden kann. Aus dieser Bestimmung geht deutlich hervor, dass dem SSHG die Abwehr einer bestehenden, allenfalls auch einer (unmittelbar) drohenden Notlage vorschwebt. Der Beschwerdeführerin ist auch beizupflichten, dass nach § 5 SSHG auf die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs ein Rechtsanspruch besteht. Ebenso zutreffend erkennt die Beschwerdeführerin, dass Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gemäß § 6 Abs. 2 zweiter Satz SSHG auch ohne Antrag zu gewähren ist, sobald dem Sozialhilfeträger Tatsachen bekannt werden, die eine Hilfeleistung erfordern, wenn eine Antragstellung dem Hilfe Suchenden auf Grund besonderer Umstände nicht zumutbar ist. Dies kann im Zusammenhalt mit § 3 SSHG nur bedeuten, dass Sozialhilfe auch von Amts wegen zur Abwehr einer bestehenden oder drohenden Notlage zu gewähren ist. Den von der Beschwerdeführerin daraus gezogenen Schluss, Hilfeleistung sei "rückwirkend" bis zu jenem Zeitpunkt, zu welchem ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Sozialhilfe an sich bereits bestanden hat, möglich und zu bewilligen, trägt das SSHG freilich nicht. Die Verpflichtung zur Gewährung von Sozialhilfe für vergangene (vor der Antragstellung gelegene) Zeiträume kann auch nicht im Wege einer Gegenüberstellung mit § 9 des Bundespflegegeldgesetzes interpretativ erreicht werden. Der Landesgesetzgeber war entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht gehalten, eine ausdrückliche Bestimmung dahingehend aufzunehmen, dass der Sozialhilfeanspruch erst mit Antragstellung beginnt, um "rückwirkende " Sozialhilfegewährung, wie sie der Beschwerdeführerin vorschwebt, auszuschließen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das SSHG in § 47 sicherstellt, dass in Fällen, in denen einem Hilfe Suchenden zur Sicherung des Lebensbedarfes so dringend Hilfe gewährt werden musste, dass der Sozialhilfeträger nicht vorher benachrichtigt werden konnte, ein Anspruch des Hilfeleistenden auf Kostenersatz durch den Sozialhilfeträger besteht.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 22. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999110073.X00Im RIS seit
10.06.2002