TE Vwgh Erkenntnis 2002/3/22 2001/02/0122

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Veröffentlicht am 22.03.2002
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/06 Schubverkehr;

Norm

FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §61 Abs2;
RückübernahmeAbk Deutschland 1998 Abschn2 Art2 Abs1;
RückübernahmeAbk Deutschland 1998 Abschn2 Art2 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des BG, geboren 1966, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. Juni 2001, Zl. uvs-2001/11/056-3, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 22. Mai 2001 wurde über den Beschwerdeführer unter Berufung auf §§ 61 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz unter Anwendung des § 57 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. Ausweisung bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit oder zur Sicherung der Abschiebung die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft angeordnet. Gemäß § 69 Abs. 3 Fremdengesetz gelte diese zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab dem Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes (welches im gleichen Bescheid unter Spruchpunkt II. verhängt wurde; gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde einer allfälligen Berufung gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt) als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

In der Begründung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer "laut Bahnticket" am 13. April 2001 von Mailand über den Brenner durch Österreich in Richtung BRD gereist und an diesem Tag von deutschen Beamten kontrolliert worden sei. Er habe eine echte Carta d'identita bzw. Permesso di Soggiorno und auf weitere Nachfrage einen ghanischen Reisepass ausgehändigt, welcher auf die Personalien des Beschwerdeführers ausgestellt gewesen sei. Es sei jedoch festgestellt worden, dass in diesem Reisepass das Lichtbild ausgewechselt worden sei. Der Beschwerdeführer sei demnach mit einem ungültigen Reisedokument nach Österreich eingereist. Zudem sei er nicht imstande, die notwendigen Mittel zu seinem Lebensunterhalt nachzuweisen und habe auch keine Aussicht auf die Ausstellung einer arbeitsrechtlichen Bewilligung für Österreich. Die Arbeitsaufnahme in Österreich ohne entsprechende arbeitsrechtliche Bewilligung sei nicht möglich.

Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2000 erhob der Beschwerdeführer eine "Schubhaftbeschwerde" an die belangte Behörde. Er stellte den Antrag, die belangte Behörde wolle "feststellen, dass die seit dem 22.05.01 vollzogene Schubhaft rechtswidrig war und ist" (neben verfahrensrechtlichen Anträgen und einem Antrag auf Kostenersatz).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. Juni 2001 wies die belangte Behörde die Schubhaftbeschwerde gemäß § 72 Abs. 1 und § 73 Abs. 1, 2 und 4 Fremdengesetz (FrG) als unbegründet ab und stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Des Weiteren wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes abgewiesen und ein Kostenersatz auferlegt. Nach Wiedergabe der Vorgänge im Verwaltungsverfahren und der anzuwendenden Normen führte die belangte Behörde aus, dass die Bezirkshauptmannschaft Kufstein mit Bescheid vom 22. Mai 2001 gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von drei Jahren für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen und einer allfälligen Berufung gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt habe, sodass das Aufenthaltsverbot sofort durchsetzbar geworden sei.

Der Beschwerdeführer sei mit einem ungültigen Reisedokument nach Österreich eingereist und verfüge über keinen Titel zu einem rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich. Er verfüge nicht über die erforderlichen Barmittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Das gültige Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers für Italien begründe keinen rechtmäßigen Aufenthaltstitel für Österreich. Da eine Rückübernahme des Beschwerdeführers durch Italien zur Zeit nicht gesichert sei und nicht angenommen werden könne, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könne, komme eine Aufhebung der Schubhaft nicht in Frage.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, dass die österreichische Behörde ihn nur zur Durchbeförderung nach Italien hätte übernehmen dürfen. Er sei von einem deutschen Gericht verurteilt worden und habe ein Aufenthaltsrecht in Italien, weshalb er gemäß Art. 2 des Abkommens mit Italien (BGBl. III Nr. 160/1998) bzw. Art. 5 des Abkommens mit Deutschland (BGBl. III Nr. 19/1998), von Italien übernommen werden müsse. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Österreich sei "absolut unnotwendig", er wolle mit Österreich "nichts zu tun haben". Auf Grund der zum Zeitpunkt seiner Rückübernahme von Deutschland nach Österreich gültigen italienischen Aufenthaltsberechtigung halte er sich gemäß § 31 Abs. 1 Z. 3 FrG rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Damit zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf:

Aus den diesbezüglich unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid und dem Inhalt der Verwaltungsakten ergibt sich, dass der im Besitz einer gültigen italienischen Aufenthaltsberechtigung befindliche Beschwerdeführer am 13. April 2001 mit dem Zug von Italien kommend über Österreich nach Deutschland reiste. Auf Grund des verfälschten Reisepasses (das Lichtbild wurde ausgetauscht) wurde er in Deutschland inhaftiert und gerichtlich verurteilt. Mit Schreiben vom 17. April 2001 stellte die Polizeiinspektion Kiefersfelden (Deutschland) einen "Antrag auf Übernahme eines Drittstaatsangehörigen Art. 2/II" des (mit 15. Jänner 1998 in Kraft getretenen) Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Rückübernahme von Personen an der Grenze (Rückübernahmeabkommen), BGBl. III Nr. 19/1998.

Die im Antrag bezogene Bestimmung lautet:

"Abschnitt II

Übernahme von Drittstaatsangehörigen bei rechtswidriger

Einreise oder Aufenthalt

Artikel 2

(1) Jede Vertragspartei übernimmt auf Antrag der anderen Vertragspartei ohne besondere Formalitäten die Person, die nicht die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei besitzt (Drittstaatsangehöriger), wenn nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, dass sie aus dem Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei rechtswidrig in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei eingereist ist. Rechtswidrig ist eine Einreise, wenn der Drittstaatsangehörige im Zeitpunkt der Einreise in das Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die nach den innerstaatlichen Vorschriften der ersuchenden Vertragspartei geltenden Voraussetzungen für die Einreise nicht erfüllt.

(2) Jede Vertragspartei übernimmt nach vorheriger Benachrichtigung formlos einen Drittstaatsangehörigen, um dessen Übernahme die andere Vertragspartei innerhalb von vier Tagen nach seiner rechtswidrigen Einreise ersucht. Soweit diese Voraussetzungen nicht vorliegen, kann die Übernahme nach Absatz 1 beantragt werden.

..."

Zur Begründung der rechtswidrigen Einreise in das Hoheitsgebiet von Deutschland stützte sich die antragstellende Polizeiinspektion auf die Verfälschung des Reisepasses des Beschwerdeführers. Mit Schreiben vom 18. April 2001 stimmte die Bezirkshauptmannschaft Kufstein der Rückübernahme des Beschwerdeführers zu. Die Rückübernahme erfolgte am 22. Mai 2001.

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer, ein Drittstaatsangehöriger im Sinne der zitierten Bestimmung, unbestrittenermaßen aus dem Hoheitsgebiet Österreichs in das Hoheitsgebiet Deutschlands eingereist ist und nach den Ausführungen der deutschen Behörde im Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland die nach den deutschen Vorschriften geltenden Voraussetzungen für die Einreise nicht erfüllt hat, war Österreich zur Rückübernahme verpflichtet.

Die vom Beschwerdeführer geforderte Anwendung des Abschnittes III ("Durchbeförderung") Art. 5 des Rückübernahmeabkommens kommt schon deshalb nicht in Frage, weil eine "Durchbeförderung" nicht Gegenstand des Antrages der deutschen Behörde war.

Es kann dahinstehen, ob sich der Beschwerdeführer rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, weil auch über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die Schubhaft verhängt werden darf, wenngleich nur unter der Einschränkung, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Dem angefochtenen Bescheid ist zumindest eine solche bestimmte Tatsache zu entnehmen, nämlich dass der Beschwerdeführer nicht über die erforderlichen Barmittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfüge (vgl. § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG). Die Tatsache seiner Mittellosigkeit wird vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt; ebenso wenig, dass er sich im Besitz eines verfälschten Reisepasses befand.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 22. März 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001020122.X00

Im RIS seit

24.06.2002

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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