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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
EStG 1988 §4 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Oswald Karminski-Pielsticker, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Große Neugasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 10. Dezember 1999, Zl. RV/265-16/01/97, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Komponist. Für das Streitjahr erklärte er neben einem Ruhebezug nach seiner Tätigkeit als ordentlicher Professor an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst negative Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Komponist in Höhe von S 161.991,--. Mit Einkommensteuerbescheid vom 26. Mai 1997 erkannte das Finanzamt diverse Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben der selbständigen Tätigkeit an.
In seiner dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass es für seine Tätigkeit unabdingbar sei, über den laufenden Kulturbetrieb außergewöhnlich gut informiert zu sein. Er sei daher gezwungen, Konzert-, Opern- und Theateraufführungen in weit umfangreicherem Ausmaß zu besuchen, als dies normalerweise der Fall wäre. Es werde daher ersucht, die ohnedies um einen Privatanteil von 50 % gekürzten Aufwendungen für den Besuch der kulturellen Veranstaltungen als Betriebsausgaben anzuerkennen.
Mit Vorhalt vom 14. Jänner 1999 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, seiner selbständigen Tätigkeit als Komponist fehle die Eignung, in absehbarer Zeit einen Gesamtgewinn abzuwerfen. Aus den für 1995 erklärten Einnahmen in Höhe von S 297.568,69 seien die aus dem Sozialfonds der AKM und der Austro-Mechana erhaltenen Zahlungen (so genannte Altersquote bzw. Altersausgleich) auszuscheiden. Diese Einnahmen würden nicht als unmittelbares Entgelt für bestimmte Leistungen gegeben, sondern hingen von der Erreichung eines bestimmten Alters, von der Stellung eines Antrages und von dem übrigen Einkommen des Leistungswerbers ab. Sie seien deshalb bei der Berechnung des Gewinnes oder Verlustes aus der Tätigkeit als Komponist nicht zu berücksichtigen. Lasse man bei Berechnung der Einkünfte als Komponist die (nicht bezifferten) Einnahmen aus den Sozialfonds außer Ansatz, habe der Beschwerdeführer seit Jahren aus dieser Tätigkeit Verluste erzielt.
Im Schreiben vom 14. April 1999 trat der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers dieser Ansicht entgegen. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen der bedeutendsten Komponisten für klassische zeitgenössische Musik; er habe zahlreiche Opern und Ballette, insbesondere für TV und Radio, komponiert. Der Beschwerdeführer sei zur Zeit immer noch schöpferisch tätig und müsse sich über die Entwicklungen auf dem Musiksektor stets auf dem Laufenden halten. Die erklärten Einnahmen seien zur Gänze als Ausfluss der kompositorischen Tätigkeit anzusehen. Bei der Komposition handle es sich seit jeher um die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers, welche zweifellos mit der Absicht verbunden sei, daraus auch Gewinne zu erzielen. Die schöpferische Tätigkeit könne keinesfalls als Hobby- oder Freizeittätigkeit eingestuft werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid 1995 insoweit ab, als nunmehr die Einnahmen seitens der AKM und der Austro-Mechana im Gesamtbetrag von S 294.208,-- als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ohne jeglichen Abzug von Betriebsausgaben der Besteuerung zugrunde gelegt wurden. Nach Wiedergabe des § 1 Abs. 1 der Liebhabereiverordnung führte die belangte Behörde zunächst begründend aus, bei der Beurteilung einer Betätigung als Einkunftsquelle komme es vorrangig auf objektive Umstände an. Liebhaberei liege vor, wenn eine Betätigung objektiv nicht geeignet sei, Gewinne abzuwerfen. Da weder Altersquote noch Alterausgleich in unmittelbarem Zusammenhang mit den Einnahmen als Komponist stünden, ergäben sich unter Außerachtlassung dieser Einnahmen in den Jahren 1988 bis 1997 lediglich negative Einkünfte aus der Tätigkeit als Komponist; der so errechnete Gesamtverlust betrage S 3,235.891,--. Es herrsche in allen Jahren ein krasses Missverhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben. Der bisher angesammelte Verlust könne im Hinblick auf das fortgeschrittene Alter und den schlechten Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in Zukunft nicht mehr ausgeglichen werden. Der Beschwerdeführer habe letztmals im Jahr 1992 Einnahmen aus einer Ballettaufführung erzielt. In der Folge seien ihm lediglich geringfügige Einnahmen von einem näher bezeichneten Unternehmen zugeflossen. Seine Tätigkeit als Komponist sei im Jahr 1995 als Voluptuar zu bezeichnen. Da es sich bei der Altersquote der AKM und dem Altersausgleich der Austro-Mechana um Pensionseinkünfte handle, stünden Betriebsausgaben nicht zu.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde geht in ihrer Liebhabereibeurteilung davon aus, dass Altersquote (Altersausgleich) allein deshalb nicht den Einkünften als Komponist zugeordnet werden dürfte, weil sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der kompositorischen Tätigkeit des Beschwerdeführers stünde, sondern freiwillig geleistet werde.
Damit hat die belangte Behörde verkannt, dass Betriebseinnahmen alle geldwerten Zuwendungen sind, die durch den Betrieb des Abgabepflichtigen veranlasst sind, wobei auch ein bloß mittelbarer Zusammenhang mit dem Betrieb genügt (vgl. Hofstätter/Reichel, Tz. 5 zu § 4 Abs. 3 EStG 1988). Werden etwa Geschäftsbeziehungen unterhalten und erbringt ein Vertragspartner neben dem unmittelbaren Entgelt weitere freiwillige Zuwendungen, sind auch diese Zuwendungen Betriebseinnahmen, sofern sie in Verbindung mit den Geschäftsbeziehungen stehen.
Als Folge ihres Rechtsirrtums hat die belangte Behörde keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen, nach Maßgabe welcher rechtlicher Grundlagen die genannten Verwertungsgesellschaften Zahlungen an den Beschwerdeführer geleistet haben. Ob das Vorbringen des Beschwerdeführers, in den strittigen Zuflüssen seien auch Tantiemen (also mit der kompositorischen Tätigkeit unmittelbar zusammenhängende Einnahmen) in näher bezeichneter Höhe enthalten, gegen das Neuerungsverbot verstößt, kann vor dem Hintergrund dieser Ausführungen auf sich beruhen.
Auf Basis ergänzender Sachverhaltsfeststellungen zu den zwischen dem Beschwerdeführer und den genannten Verwertungsgesellschaften bestehenden Rechtsbeziehungen wird die belangte Behörde sodann an Hand des Veranlassungszusammenhanges zu beurteilen haben, ob Altersquote und Altersausgleich den Einnahmen aus kompositorischer Tätigkeit zuzurechnen sind oder gleich "Pensionseinkünften" eine eigene Einkunftsquelle darstellen. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass Ruhe- und Versorgungsbezüge typischerweise mit der (zumindest teilweisen) Beendigung der ihnen zugrunde liegenden aktiven Betätigung in Zusammenhang stehen.
Auch zur Frage, wann eine Tätigkeit nach § 1 Abs. 1 Liebhabereiverordnung (BGBl. Nr. 33/1993 - LVO) als Einkunftsquelle zu qualifizieren ist, liegt dem Bescheid ein Rechtsverständnis zu Grunde, das der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen vermag. Wie der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Februar 2002, 96/15/0219, zur diesbezüglich inhaltsgleichen Liebhabereiverordnung BGBl. Nr. 322/1990 ausgeführt hat, stellt die LVO bei Tätigkeiten, die unter § 1 Abs. 1 leg.cit. fallen, das subjektive Ertragstreben in den Mittelpunkt der Betrachtung, sodass im Rahmen der durch § 2 Abs. 1 leg. cit. normierten Kriterienprüfung das Schwergewicht auf die bis zum jeweiligen Veranlagungsjahr eingetretene Entwicklung, nicht hingegen auf nachfolgende Jahre zu legen ist und dem Alter oder dem Gesundheitszustand des Abgabepflichtigen in diesem Zusammenhang keinerlei Bedeutung zukommt. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt überdies nicht erkennen, weshalb bei der Beurteilung der Ertragsfähigkeit der künstlerischen Betätigung des Beschwerdeführers mit dem Jahr 1988 zu beginnen ist, obzwar außer Streit steht, dass der Beschwerdeführer seine selbständige Tätigkeit auch schon vor diesem Zeitpunkt ausgeübt hat.
Der angefochtene Bescheid war daher nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Eine Kostenentscheidung entfiel, weil der Beschwerdeführer die Zuerkennung von Aufwandersatz vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beantragt hat.
Wien, am 27. März 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000130020.X00Im RIS seit
17.07.2002Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013