Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der M Handels-GmbH in G, vertreten durch Dr. Ingrid Köhler, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 33, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 15. Oktober 20001, Zl. 322.089/1- III/A/9/01, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i. A. Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. April 2000 gemäß § 71 Abs. 2 und 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es im Wesentlichen, der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. April 2000 sei am 21. April 2000 an eine von der beschwerdeführenden Partei gegenüber der Post zur Empfangnahme einer solchen Sendung bevollmächtigte Person zugestellt worden. Mit einer am 9. Mai 2000 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung per Post eingebrachten Eingabe habe die beschwerdeführenden Partei gegen den in Rede stehenden Bescheid Berufung erhoben. Mit Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 2. Juni 2000 sei der beschwerdeführenden Partei die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist zur Stellungnahme vorgehalten worden. Dieses Schreiben sei der anwaltlichen Vertreterin der beschwerdeführenden Partei am 6. Juni 2000 zugestellt worden. Mit einer am 21. Juni 2000 beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit eingelangten Eingabe habe die beschwerdeführende Partei den Antrag gestellt, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu bewilligen. Mit Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 26. Juni 2000 sei der Wiedereinsetzungsantrag an den Landeshauptmann von Niederösterreich zuständigkeitshalber übermittelt worden. Der Landeshauptmann von Niederösterreich habe in der Folge den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist abgewiesen. Nach Vorlage der gegen diesen Bescheid von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Berufung sei dieser mit Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 19. September 2001 vorgehalten worden, dass sie den Antrag auf Wiedereinsetzung verspätet eingebracht habe.
Wie es in der Begründung weiters heißt, sei das Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 2. Juni 2000, mit dem der beschwerdeführenden Partei die Versäumung der Frist zur Einbringung der Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. April 2000 mitgeteilt worden sei, am 6. Juni 2000 zugestellt worden. Der mit 20. Juni 2000 datierte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist sei von der beschwerdeführenden Partei bei der unzuständigen Stelle - Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit - eingebracht worden.
Der am 21. Juni 2000 beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit eingelangte Wiedereinsetzungsantrag sei am 27. Juni 2000 an den Landeshauptmann von Niederösterreich zuständigkeitshalber übermittelt worden. Da der Wiedereinsetzungsantrag zwar binnen zwei Wochen zur Post gegeben worden sei, bei der unrichtigen Stelle aber erst nach Ablauf der Frist eingelangt sei und daher nicht mehr innerhalb der "Berufungsfrist" an die richtige Stelle habe weitergeleitet werden können, sei der Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb der hiefür gemäß § 71 Abs. 2 AVG vorgeschriebenen zweiwöchigen Frist eingebracht worden. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage sei somit der Wiedereinsetzungsantrag in Abänderung des mit der vorliegenden Berufung angefochtenen Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. Oktober 2000 als verspätet zurückzuweisen gewesen. Hieran vermöge das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bereits einer geschäftsmäßigen Behandlung unterzogen worden sei, ohne dass bislang der Einwand der Verfristung erhoben worden wäre und daher dieser Einwand selbst verfristet und daher rechtsunerheblich sei, nichts zu ändern, weil sich die Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG mit der vorliegenden Verwaltungssache grundsätzlich in gleicher Weise wie die Behörde erster Instanz zu befassen habe und den erstinstanzlichen Bescheid nach eigenen Sachverhaltsfeststellungen und eigener rechtlichen Beurteilung nach jeder Richtung hin abändern könne.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 12. Dezember 2001, B 1603/01 und Folgezahl, ab; antragsgemäß wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 71 AVG hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein
unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die
Frist einzuhalten ... und sie kein Verschulden oder nur ein
minderer Grad des Versehens trifft, oder ...
...
(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen
nach dem Wegfall des Hindernisses ... gestellt werden.
...
(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war, ..."
Nach § 63 Abs. 5 erster Satz AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Soweit die beschwerdeführende Partei auch im vorliegenden Beschwerdefall über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist die Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung releviert, so ist darauf zu verweisen, dass auch dann, wenn die Berufung rechtzeitig gewesen wäre, in diesem Fall eine einen Wiedereinsetzungsantrag rechtfertigende Fristversäumung nicht vorläge (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 92/04/0229); davon abgesehen ist in der Frage der Rechtzeitigkeit der Berufung auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/04/0245, zu verweisen.
In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, das Schreiben, worin - unter Aufforderung zur Stellungnahme - mitgeteilt worden sei, dass nach der Aktenlage die Berufung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen eingebracht worden sei, sei vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ergangen. Es sei also diese Aufforderung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit so interpretiert und verstanden worden, dass selbstverständlich bei ihm die rechtserheblichen Umstände über die Rechtzeitigkeit aufzuklären seien. Daher sei die vom Bundesminister aufgetragene Stellungnahme, verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wieder an das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit - eben als Aufforderer - mit Schriftsatz vom 20. Juni 2000 abgefertigt worden.
Die beschwerdeführende Partei bekämpft mit dem diesbezüglichen Vorbringen nicht, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist bei der Behörde erster Instanz einzubringen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. September 1998, Zl. 97/06/0023). Das Beschwerdevorbringen zielt vielmehr auf ein mangelndes Verschulden an der Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist ab. Für die Frage der Versäumung der im § 71 Abs. 2 AVG vorgesehenen zweiwöchigen Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages - gegen die Versäumung dieser Frist findet keine Wiedereinsetzung statt (§ 71 Abs. 5 AVG) - ist es aber rechtlich irrelevant, ob die Partei (deren Vertreter) kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens an der Einhaltung der Frist trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0282).
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vermag aber auch nicht aufgezeigt zu werden, wenn in der Beschwerde - wie bereits im Verwaltungsverfahren - darauf abgestellt wird, der Landeshauptmann von Niederösterreich habe sich "inhaltlich auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingelassen". Wie die belangte Behörde zutreffend (unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/09/0201) ausgeführt hat, hat sich die Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG mit der vorliegenden Verwaltungssache grundsätzlich in gleicher Weise wie die Behörde erster Instanz zu befassen und kann den erstinstanzlichen Bescheid nach eigenen Sachverhaltsfeststellungen und eigener rechtlichen Beurteilung nach jeder Richtung hin abändern. Eine Beschränkung der vollen Abänderungsbefugnis der Berufungsbehörde besteht nur insofern, als "Sache" der Rechtsmittelentscheidung der Gegenstand des vorinstanzlichen Bescheides in dem Umfang ist, der von der Behörde ausdrücklich angefochten wurde (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1968, Slg. Nr. 7378/A). Dass in diesem Sinne die belangte Behörde ihre Sachentscheidungsbefugnis überschritten habe, wird in der Beschwerde gar nicht behauptet.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 3. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001040246.X00Im RIS seit
03.06.2002