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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §111;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Mai 2001, Zl. MA 15-II-K 9/2001, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Ing. K in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verpflichtete den Mitbeteiligten mit Bescheid vom 16. April 1997 gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als Geschäftsführer einer (im Konkurs befindlichen) Gesellschaft mbH, die auf dem Konto dieser Gesellschaft als Beitragsschuldnerin aushaftenden, uneinbringlich gewordenen Sozialversicherungsbeiträge in einer bestimmten Höhe zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG ergebenden Höhe zu bezahlen.
Der vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch wurde zunächst mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. Mai 1998 als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im Gefolge des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, 98/08/0191, 0192, mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2000, 98/08/0288, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Mit dem nunmehrigen (Ersatz-)Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des Mitbeteiligten statt und stellte fest, dass der Mitbeteiligte nicht verpflichtet sei, als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG die auf dem Beitragskonto dieser Gesellschaft rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren und Verzugszinsen an die Beschwerdeführerin zu bezahlen.
In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, nach der neueren Judikatur (Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, 98/08/0191, 0192) könne eine zur Vertretung juristischer Personen berufene Person nur bei Verstoß gegen die §§ 111 und 114 Abs. 2 ASVG zur Haftung herangezogen werden. Im gegenständlichen Falle stehe auf Grund der Aktenlage, insbesondere der Aussage der Vertreterin der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2001 fest, dass der gesamte Beitragsrückstand an offenen Sozialversicherungsbeiträgen, darunter auch für die Nachträge, vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds beglichen worden sei. Mangels offener Sozialversicherungsbeiträge treffe den Mitbeteiligten keine Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht festgestellt, dass der gesamte Beitragsrückstand vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds beglichen worden sei. Die Niederschrift der belangten Behörde vom 21. März 2001 sei missverständlich. Es sei jedoch evident, dass der genannte Fonds nur die Dienstnehmer-Beitragsanteile bezahle. Es fehle eine gesetzliche Grundlage dafür, dass der Fonds auch Dienstgeber-Beitragsanteile zu bezahlen habe. Dieser Sachverhalt hätte von der belangten Behörde ohne Probleme aufgeklärt werden können. Darüber hinaus übersehe die belangte Behörde, dass der Mitbeteiligte gemäß § 83 ASVG auch für Verzugszinsen und Verwaltungskosten einzustehen habe, welche hinsichtlich der Dienstnehmerbeitragsanteile auflaufen. Weiters machte die Beschwerdeführerin geltend, der zur Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG Berufene könne nicht durch Zahlungen des Fonds von seiner Haftung befreit werden. Schließlich wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, 98/08/0191, 0192, ausgesprochene Rechtsansicht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird. Der Mitbeteiligte gab keine Stellungnahme ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist die Beschwerdeführerin zu ihren gegen die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, wie sie in dem zitierten Erkenntnis des verstärkten Senates zum Ausdruck kommt, gerichteten Ausführungen auf die aus § 63 Abs. 1 VwGG erfließende Bindungswirkung hinzuweisen. Diese Bindungswirkung, welche nicht nur für die Verwaltungsbehörde bei Erlassung eines Ersatzbescheides, sondern auch für den Verwaltungsgerichtshof bei dessen Prüfung besteht, ergibt sich im Beschwerdefall aus dem hg. Vorerkenntnis 98/08/0288, das auf das zitierte Erkenntnis des verstärkten Senates aufbaut.
Strittig ist der Inhalt der Erklärung der Vertreterin der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2001. Der protokollierte Wortlaut dieser Erklärung lautet:
"Die Vertreterin der Wiener Gebietskrankenkasse teilt mit, dass sämtliche offenen Sozialversicherungsbeiträge mittlerweile vom Insolvenz-Ausfallgeldfonds bezahlt wurden, weist aber darauf hin, dass nach dem OGH-Urteil vom 6.5.1998, GZ 13 Os 59/98, die Zahlung durch den Insolvenz-Ausfallgeldfonds nicht als schuldbefreiend gewertet werden kann."
Die belangte Behörde hat auf Grund dieser Erklärung angenommen, dass der gesamte Beitragsrückstand vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds beglichen worden sei und daher mangels rückständiger Sozialversicherungsbeiträge den Mitbeteiligten keine Haftung treffen könne.
Dieser Auffassung kann, wie die Beschwerdeführerin zutreffend aufzeigt, nicht gefolgt werden. Gegenstand des Verfahrens ist die Haftung des Mitbeteiligten für die auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren. Mangels eines einschränkenden Hinweises im bekämpften erstinstanzlichen Bescheid und in dem diesen angeschlossenen Rückstandsausweis umfassen die Sozialversicherungsbeiträge sowohl die Dienstnehmer- als auch die Dienstgeberanteile. Nach der in Rede stehenden Erklärung wurden "sämtliche offenen Sozialversicherungsbeiträge" bezahlt, aber, und das ist entscheidend, vom "Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds". Der die diesbezügliche Verpflichtung dieses Fonds normierende § 13a IESG ist mit "Dienstnehmer-Beitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung" überschrieben. Er spricht in seinem Abs. 1 von "den auf den Dienstnehmer entfallenden Beitragsanteilen" und in seinem Abs. 2 von den "Dienstnehmerbeitragsanteilen". Dieser rechtliche Hintergrund wurde mit der in Rede stehenden Erklärung zweifellos angesprochen und war daher bei Auslegung dieser Erklärung zu berücksichtigen. Die Erklärung kann daher nur dahingehend gedeutet werden, dass sämtliche offenen Dienstnehmerbeitragsanteile durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bezahlt worden sind. Insoweit wurde die Beitragsschuldnerin, die in Konkurs geratene Gesellschaft mbH, von ihrer Verpflichtung gegenüber der Beschwerdeführerin befreit. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass insoweit kein Raum für eine Inanspruchnahme des gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nur für den Ausfall haftenden Mitbeteiligten besteht. Dies gilt auch für die Zinsen und Verwaltungskosten im Sinne des § 83 ASVG (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Juli 2001, 2001/08/0061).
Die Haftung des Mitbeteiligten für die Dienstgeberanteile samt Nebengebühren bleibt davon aber unberührt. Im wiederholt zitierten Erkenntnis des verstärkten Senates hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen und näher begründet, die Inanspruchnahme der Haftung der im § 67 Abs. 10 ASVG genannten Personen setze voraus, dass diese ihnen sozialversicherungsrechtlich auferlegte Verpflichtungen verletzt haben. Im genannten Erkenntnis sind als solche Verpflichtungen jene zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge im Sinne des § 114 Abs. 2 ASVG und die - wegen der sich gemäß § 9 VStG auch an Vertreter richtenden verwaltungsstrafrechtlichen Sanktion - Auskunfts- und Meldepflicht im Sinne des § 111 Abs. 1 i.V.m. § 33 ff ASVG genannt. Ein Verstoß gegen die zuletzt genannten Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher - sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Beitragsforderung kausal ist - zu einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG führen. Ob dem Mitbeteiligten eine Meldepflichtverletzung in diesem Sinne zur Last liegt, hat die belangte Behörde nicht geprüft. Ohne Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Unterlassung erforderlicher Meldungen auf Umstände gründete, die dem Mitbeteiligten vorgeworfen werden können. Es bedarf daher konkreter Feststellungen über den Gegenstand, dessen Meldung unterblieben ist, ehe dem Mitbeteiligen entgegengehalten werden könnte, er habe in Kenntnis dieser Umstände trotz der ihn treffenden Mitwirkungsverpflichtung (vgl. hiezu insbesonders die hg. Erkenntnisse vom 27. Juli 2001, 2001/08/0069, und vom 20. Februar 2002, 2001/08/0193) nichts Geeignetes vorgebracht, das an einem Verschulden in Form von zumindest leichter Fahrlässigkeit am Unterbleiben der Meldung zweifeln ließe.
Da es dem angefochtenen Bescheid somit an einer wesentlichen Beurteilungsgrundlage mangelt, bei Unterbleiben dieses Fehlers aber ein anderes Ergebnis des Verfahrens denkbar wäre, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 4. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001080115.X00Im RIS seit
13.08.2002