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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauG Stmk 1995 §5 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der Gemeinde Fohnsdorf, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. Juli 2000, Zl. 03- 12.10 F 85-00/1, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: R AG in T, vertreten durch Dr. Kurt Konopatsch und Dr. Sonja Jutta Sturm-Wedenig, Rechtsanwälte 8700 Leoben, Franz-Josef-Straße 4) zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der beschwerdeführende Gemeinde den Betrag von EUR 908,-- bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Gesellschaft beantragte am 15. Februar 1990 (Datum des Einlangens) beim Gemeindeamt der beschwerdeführenden Gemeinde neben der Erteilung einer Widmungsbewilligung (welche nicht mehr beschwerdegegenständlich ist) die Erteilung einer Baubewilligung für eine Mineral-Recycling-Anlage auf den im angefochtenen Bescheid näher bezeichneten Grundstücken, die nach dem am 26. Juni 1989 im Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde beschlossenen "zweiten Flächenwidmungsplan" im "Aufschließungsgebiet - Industrie- und Gewerbegebiet II" gelegen sind, wobei diese Widmung im Bauzonenplan unter "B 37" wie folgt begründet wurde:
"Mängel: Aufschließung Haldenabbau
Maßnahmen: Funktionskonzept, Teilbebauungsplan".
Über dieses (kombinierte) Ansuchen der mitbeteiligten Partei wurde am 18. Juni 1990 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
Über das Widmungsansuchen erging letztendlich im Säumnisverfahren das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1995, Zl. 94/06/0012, mit welchem das Widmungsansuchen der mitbeteiligten Partei abgewiesen wurde. Auf dieses Erkenntnis wird zum weiteren Geschehen und - sofern nicht ausdrücklich darauf Bezug genommen wird - zur darin vertretenen rechtlichen Beurteilung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Mit Eingabe vom 18. Jänner 1999 beantragte die mitbeteiligte Partei (neuerlich) die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Mineral-Recycling-Anlage auf den bereits im vorangegangenen Verfahren bezeichneten Grundstücken.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 12. Juli 1999 mit der Begründung abgewiesen, nach dem Kalkül des raumplanerischen Sachverständigen sei das gegenständliche Aufschließungsgebiet, in welchem sich die Baugrundstücke befänden, Bestandteil des Abbaugebietes der "Wodzickyhalde". Dort sei nach wie vor mit Schwelbränden zu rechnen, die eine Volumensreduzierung nach sich ziehen könnten, die die Standfestigkeit des geschütteten Haldenmaterials in Frage stelle. Auch die Voraussetzungen für eine Erteilung der Baubewilligung gemäß § 32 Abs. 2 Stmk. ROG lägen nicht vor, da die angestrebte Bewilligung weder der Erfüllung der fehlenden Baulandvoraussetzungen dienen noch die gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandvoraussetzungen mit dem Bauvorhaben gesichert sei. Auf Grund der vorliegenden Ausweisung als Aufschließungsgebiet mit dem zugeordneten Mangel "Aufschließung Haldenabbau" werde eine vollwertige Baulandeignung erst angenommen werden können, wenn auf Grundlage eines entsprechenden Funktionskonzeptes dieser Haldenabbau abgeschlossen sei. Das eingereichte Projekt widerspreche daher dem Flächenwidmungsplan.
Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Gesellschaft Berufung mit dem wesentlichen Vorbringen, der einzige Grund für die Ausweisung als Aufschließungsgebiet sei (lediglich) die mangelnde Abwasserentsorgung gewesen, welche aber nunmehr gewährleistet sei, so dass kein Grund für eine Abweisung des Bauansuchens mehr bestehe.
Diese Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 17. Dezember 1999 abgewiesen, wobei diese der Begründung des bekämpften Bescheides lediglich ergänzend anfügte, in dem im Widmungsverfahren ergangenen hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1995, Zl. 94/06/0012, habe der Verwaltungsgerichtshof die Abweisung des Ansuchens zwar lediglich mit dem Aufschließungsmangel der Abwässerbeseitigung begründet, damit sei aber keineswegs erschöpfend auf allenfalls darüber hinaus gehende Gründe für eine Abweisung des (Widmungs- bzw.) Bauansuchens eingegangen worden; insbesondere sei in diesem Erkenntnis eine Aussage über die Beurteilung der Standfestigkeit des Gebietes nicht erfolgt.
Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Vorstellung an die belangte Behörde.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 10. Juli 2000 gab die belangte Behörde dieser Vorstellung statt, behob den Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde wegen Verletzung von Rechten der mitbeteiligten Gesellschaft und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde zurück.
Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der von ihr in Anwendung gebrachten Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde unter Verweis auf das - dieselbe Anlage und ebenfalls das Widmungsverfahren betreffende - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Februar 1993, Zl. 92/06/0190, aus, es ergebe sich aus § 23 Abs. 3 ROG, dass die Gemeinde nur unter zwei alternativen Voraussetzungen innerhalb des Baulandes ein Aufschließungsgebiet festlegen dürfe, nämlich (1) aus dem Grund mangelhafter Erschließung im Zeitpunkt der Planerstellung des Flächenwidmungsplanes oder (2) wenn das dort näher bezeichnete öffentliche Interesse der Verwendung als Bauland entgegenstehe. Für dieses Verfahren sei lediglich die mangelhafte Erschließung
(1) von Bedeutung. Davon ausgehend sei auch im (Säumnis-) Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, Zl. 94/06/0012, ein Amtssachverständiger mit der Erstattung von Befund und Gutachten (lediglich) zu der Frage beauftragt worden, ob und inwieweit hinsichtlich der im Aufschließungsgebiet liegenden Grundstücke
a) Aufschließungsmängel für die Festlegung von Industrie- und Gewerbegebiet II - Aufschließungsgebiet maßgebend gewesen seien (§ 23 Abs. 3 des Stmk. ROG) und ob diese noch bestünden;
b) die Bewilligung des vorliegenden Projektes der Erfüllung der fehlenden Baulandsvoraussetzungen dienen würde oder
c) die gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandvoraussetzungen mit dem Bauvorhaben gesichert sei.
Dieser Sachverständige habe zum im Zeitpunkt der Ausweisung im Flächenwidmungsplan und nach wie vor bestehenden Aufschließungsstand der betreffenden Grundstücke ausgeführt, dass die Wasserversorgung aus dem öffentlichen Leitungsnetz vorliege, eine nutzbare Aufschließungsstraße zum Areal führe, jedoch noch keine dem Stand der Technik entsprechende Abwasserreinigung vorhanden sei. Der Gutachtensauftrag habe sich somit keineswegs nur auf die Frage bezogen, ob aus Sicht des Amtssachverständigen ein Aufschließungsmangel hinsichtlich Abwasser gegeben gewesen sei. Vielmehr hätten im damaligen Verfahren "Aufschließungsmängel, die zur Festlegung als Aufschließungsgebiet geführt haben", festgestellt werden sollen. Die Tatsache des Haldenabbaus und die damit verbundenen bodenmechanischen Risken seien nicht Gegenstand der Auseinandersetzung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gewesen. Der Grund hiefür sei jedoch darin gelegen, dass die Tatsache der Standsicherheit und Tragfähigkeit des Bodens keinen Aufschließungsmangel im Sinne des § 23 Abs. 3 ROG darzustellen vermöge. Grund für die Ausweisung als "Aufschließungsgebiet" hätte nur die mangelnde Aufschließung gewesen sein können, nicht aber Maßnahmen, die das Grundstück in einen standsicheren Zustand hätten bringen sollen. Es hätte einer verfassungskonformen Verordnungsinterpretation widersprochen, wolle man annehmen, dass der Verordnungsgeber ein Grundstück, bei dem die natürlichen Voraussetzungen (insbesondere Bodenbeschaffenheit) nicht vorgelegen seien, (dennoch) als Aufschließungsgebiet ausgewiesen habe. Eine solche Ausweisung würde dem § 23 Abs. 3 ROG widersprechen und stünde daher im Verdacht der Gesetzwidrigkeit. Aus diesem Grunde werde davon ausgegangen, dass zwar im geltenden Flächenwidmungsplan das gegenständliche Grundstück als Aufschließungsgebiet mit den Mängeln Aufschließung "Haldenabbau" ausgewiesen worden sei, der Begriff "Haldenabbau" jedoch nicht in diesem Sinne verstanden werden könne, dass damit die natürlichen Voraussetzungen für eine Verbauung (Standsicherheit, Tragfähigkeit) fehlten. Die Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Grundstück um ein Haldenabbaugebiet handelt, habe aber jedenfalls zur Folge, dass die Frage der Bauplatzeignung im Sinne des § 5 Abs. 1 Ziff. 4 BauG einer entsprechenden Prüfung zu unterziehen sei. Die Frage der Tragfähigkeit und der Standsicherheit des Baugrundstückes sei aber von einem raumplanerischen Sachverständigen nicht in ausreichender und abschließender Weise geprüft, es hätte hiezu jedenfalls (auch) der Einholung eines bodenmechanischen Gutachtens bedurft. Hätte die auf Grundlage eines bodenmechanischen Gutachtens festgestellte mangelnde Tragfähigkeit des Bodens durch eine Modifikation des Vorhabens (Projektsänderung) aus der Welt geschafft werden können, hätte die Baubehörde überdies nicht sofort mit einer Versagung vorgehen dürfen, sondern sie hätte die Bauwerberin zur Änderung ihres Projektes auffordern müssen. Überdies hätte bei der Frage des mangelnden Nachweises der Tragfähigkeit des Bodens gemäß § 22 Abs. 3 BauG die Möglichkeit bestanden, weitere Nachweise zu verlangen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Im Wesentlichen wird vorgebracht, der im Säumnisverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 94/06/0012, bestellte Amtssachverständige sei mit der Erstattung von Befund und Gutachten zu detaillierten (oben bereits wiedergegeben) Fragen beauftragt worden, zu denen auf die im Bauzonenplan unter "B 37" ausgewiesenen "Mängel: Aufschließung Haldenabbau" nicht eingegangen worden sei. Dementsprechend habe sich das Gutachten auch nur mit Infrastrukturfragen zur Wasserversorgung, Straßenerschließung und Abwasserentsorgung befasst, mit dem Ergebnis, eine ausreichende Abwasserentsorgung (Kanalanschluss) sei nicht gegeben und werde durch das Projekt auch nicht beseitigt. Lediglich davon ausgehend habe der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 12. Oktober 1995, Zl. 94/06/0012, das (Widmungs-)Ansuchen abgewiesen. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens habe die Erstbehörde die Sach- und Rechtsnatur der ausgewiesenen Mängelbezeichnung "Aufschließung Haldenabbau" erstmals inhaltlich behandelt und sei (rechtens) zum Ergebnis gekommen, die Tatsache des Haldenabbaues und die damit verbundenen bodenmechanischen Risken stellten ein solches öffentliches Interesse dar, welches die Ausweisung eines (ansonsten für die Bebauung geeigneten) Baulandes als Aufschließungsgebiet rechtfertigen könne. Ein Flächenwidmungsplan (als Verordnung) erzeuge so lange Bindungswirkung, als dieser nicht (im Rahmen der Fortschreibung der Flächenwidmung) geändert oder (zufolge eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes) behoben werde. Ob die Tatsache der (mangelnden) Standsicherheit und Tragfähigkeit des Bodens einen Aufschließungsmangel im Sinn des § 23 Abs 3 ROG darzustellen vermöge, sei daher am Wortlaut der Norm zu messen. Diese weise mit der Formulierung "Mängel:
Aufschließung Haldenabbau" eine vollziehbare Begründung auf. Das Gesetz selbst definiere keine konkreten Infrastrukturvoraussetzungen, bei deren Fehlen von "mangelhafter Erschließung" zu sprechen sei; gleichermaßen seien die sonstigen öffentlichen Interessen (außer mit einem verweisenden Bezug) nicht näher definiert worden. Es sei daher Sache der Vollziehung, im jeweiligen Anlassfall und dementsprechend im einzelnen die Mängel zu bezeichnen. Damit sei nicht die Frage zu vermengen, ob im Einzelfall ein Mangel rechtskonform angenommen worden sei. Der Mangelbezeichnung "Aufschließung Haldenabbau" sei ein Inhalt zu unterstellen, wie dies die Baubehörde rechtens getan habe. Eine Halde bestehe aus Schüttmaterial, welches über viele Jahrzehnte angeliefert worden sei. Dieses Schüttmaterial liege auf gewachsenem Grund, welcher für sich ohne weiteres vollwertiges Bauland darstellen könne. Die Halde selbst sei daher nicht ein Teil des zu Bebauung bestimmten Bodens, sondern ein "Kunstkörper aus Abraummaterial". Die Vorgabe, dass diese Halde abzubauen sei, bevor eine Bebauung ermöglicht werde, sei daher legitim. Ein solcher Abbau führe zu einer Aufschließung des "Kunstkörpers" im Sinne eines kontinuierlichen Abbauvorganges. Damit werde ermöglicht, den Boden nach Maßgabe des Fortschrittes dieser "Aufschließung Haldenabbau" einer Bebauung zuführen zu können. In diesem Sinne sei daher eine Formulierung, welche auf die Aufschließung des Haldenabbaues eingehe, durchaus auch im Sinne der Baufreiheit (indem es dem Eigentümer möglich sein solle, diese Grundflächen nach Maßgabe des Abbaufortschrittes - und nicht erst nach vollständigem Abbau des Gesamtkunstkörpers - einer Bebauung zuzuführen). Zum selben Ergebnis führe die Überlegung, dass das öffentliche Interesse an einem solchen Haldenabbau legitim sei, stelle dieser doch eine Altlast aus der seinerzeitigen Bergbautätigkeit dar, bei der es im legitimen wirtschaftlichen, aber auch siedlungspolitischen Interesse der Planungsbehörde gelegen sein könne, diese örtlichen Verhältnisse im Streben nach einer geordneten Siedlungspolitik und -entwicklung zu bereinigen. Die Frage der Tragfähigkeit und Standsicherheit des Baugrundstückes sei daher in diesem Falle nicht eine solche nach § 5 Abs. 1 Z. 4 BauG, sondern eine, die im Zusammenhang mit einer geordneten Siedlungsentwicklung insgesamt zu lesen sei.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gesellschaft - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127 (in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 41/1991) lauten (Hervorhebungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"§ 23
Bauland
(1) Als vollwertiges Bauland dürfen, soweit nicht Ausnahmen gemäß Abs. 2 vorgesehen werden, nur Grundflächen festgelegt werden, die dem voraussichtlichen Baulandbedarf für die zu erwartende Siedlungsentwicklung in der Gemeinde entsprechen und
1. auf Grund der natürlichen Voraussetzungen ... nicht von einer Verbauung ausgeschlossen sind;
2. eine Aufschließung einschließlich Abwasserbeseitigung mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigung aufweisen oder diese sich im Bau befindet;
3. deren Aufschließung keine unwirtschaftlichen öffentlichen Aufwendungen insbesondere für die Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, Energieversorgung oder Verkehrsverbindungen, hygienische oder kulturelle Versorgung sowie den Hochwasserschutz erforderlich machen würden;
4.
...
5.
...
Im Bauland sind nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit gesondert auszuweisen: Auffüllungsgebiete, Aufschließungsgebiete, Sanierungsgebiete und vollwertiges Bauland mit den erforderlichen Baugebieten.
(2) ...
(3) Innerhalb des Baulandes sind Grundflächen als Aufschließungsgebiete festzulegen, wenn sie zur Zeit der Planerstellung mangelhaft erschlossen sind oder das öffentliche Interesse (wirtschaftliche und siedlungspolitische Interessen u. dgl.) der Verwendung als Bauland entgegensteht. Die Gründe für die Festlegung sind im Wortlaut anzuführen. Wenn eine bestimmte zeitliche Reihenfolge der Erschließung zweckmäßig ist, kann das Aufschließungsgebiet in verschiedene Aufschließungszonen unterteilt werden. Die Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet hat der Gemeinderat nach Erfüllung der Aufschließungserfordernisse unter Anführung der Gründe für die Aufhebung und der Festlegung, ob eine Bebauungsplanung im Sinne des § 27 Abs. 1 notwendig ist, mit Zweidrittelmehrheit zu beschließen. Diese Änderung des Flächenwidmungsplanes ist nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung 1967 bzw. des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967 kundzumachen.
...
§ 32
Rechtswirkung der Flächenwidmungspläne,
der Bebauungspläne und der Bebauungsrichtlinien
(1) Verordnungen und Bescheide der Gemeinde auf Grund von Landesgesetzen dürfen einem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan oder Bebauungsrichtlinien nicht widersprechen.
(2) Vor Aufhebung der Festlegung von Bauland als Aufschließungsgebiet im Sinne des § 23 Abs. 3 ist die Erteilung von Widmungs- und Baubewilligungen nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, zulässig, wenn
a) die Bewilligungen der Erfüllung der fehlenden Baulandvoraussetzungen dienen oder
b) die gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandvoraussetzungen mit dem Bauvorhaben gesichert ist."
Der § 5 des Steiermärkischen Baugesetzes - Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995, lautet:
"§ 5 Bauplatzeignung
(1) Eine Grundstücksfläche ist als Bauplatz für die vorgesehene Bebauung geeignet, wenn
1. eine Bebauung nach dem Steiermärkischen Raumordnungsgesetz zulässig ist,
2. eine hygienisch einwandfreie und für den Verwendungszweck der geplanten baulichen Anlage ausreichende Wasserversorgung sowie
3. eine für den Verwendungszweck der geplanten baulichen Anlage entsprechende Energieversorgung und Abwasserentsorgung sichergestellt ist,
4. der Untergrund tragfähig ist sowie die vorgesehene Bebauung keine Gefährdung der Standsicherheit benachbarter baulicher Anlagen zur Folge hat,
5. Gefährdungen durch Lawinen, Hochwasser, Grundwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen u.dgl. nicht zu erwarten sind und
6. eine für den Verwendungszweck geeignete und rechtlich gesicherte Zufahrt von einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche besteht.
(2) Die Gemeinde kann durch Verordnung für das Gemeindegebiet oder Teile desselben entsprechend dem Gebietscharakter, ferner für einzelne Bebauungsweisen Mindest oder Maximalgrößen für Bauplätze festlegen. "
Die Voraussetzungen der Z. 1 bis 6 dieser Gesetzesstelle müssen kumulativ vorliegen. Liegt auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, erweist sich das Projekt als nicht bewilligungsfähig.
Im Beschwerdefall vertritt die beschwerdeführende Gemeinde die Auffassung, die Voraussetzung nach § 5 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG iVm § 23 Abs. 1 ROG läge nicht vor, was bereits zur Abweisung des Bauansuchens führe; die belangte Behörde hingegen vertritt die Auffassung, lediglich die Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Z. 4 Stmk. BauG bleibe (bei sonstiger Zulässigkeit des beantragten Projekts) zu prüfen.
Nach § 5 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG darf eine Baubewilligung nicht in Widerspruch zum geltenden Flächenwidmungsplan stehen. Damit verweist diese Bestimmung auf die gegebene Zulässigkeit nach den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen (z.B. § 23 ROG). Liegt bereits eine Unzulässigkeit der geplanten Bauführung nach dieser Gesetzesstelle vor (also ein Widerspruch zu den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen), so erübrigt sich eine weitere Prüfung des Vorliegens der für die Erteilung einer Baubewilligung ferner geforderten Voraussetzungen (wie jener nach § 5 Abs. 1 Z. 2-6 leg. cit).
Nach § 23 Abs. 1 ROG dürfen nur Grundflächen als Bauland festgelegt werden, die die Voraussetzungen der Z. 1 bis 5 erfüllen. Nach Abs. 3 leg. cit. sind Aufschließungsgebiete u.a. innerhalb des als Bauland gewidmeten Gebietes gelegene Flächen, die erst mangelhaft erschlossen und daher im Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes noch nicht vollwertig als Bauland nutzbar sind. Die Gründe für die Festlegung als Aufschließungsgebiet sind im Wortlaut der Widmungsregelung darzulegen, wobei - wie der Verwaltungsgerichtshof in dieser Angelegenheit bereits in seinem Erkenntnis vom 11. Februar 1993, Zl. 92/06/0190, ausgesprochen hat - die Gründe für diese Ausweisung einerseits und die für eine Behebung des Aufschließungsmangels für erforderlich gehaltenen Maßnahmen andererseits einer gesonderten Betrachtung unterzogen werden müssen. Nur der Grund der Ausweisung bzw sein Wegfall sind im Zusammenhang mit der Anwendung des § 32 Abs 2 Stmk ROG von Bedeutung. Welche Maßnahmen dem Gemeinderat zur Beseitigung der Aufschließungsmängel für geeignet erschienen sind (wie "Funktionskonzept, Teilbebauungsplanung"), muss außer Betracht bleiben, weil die Anwendung des § 32 Abs 2 Stmk ROG nicht voraussetzt, dass die Beseitigung der Mängel durch eben diese (von der Gemeinde allenfalls ins Auge gefassten) Maßnahmen erfolgt sein muss. Die Beantwortung der Frage, ob eine Baubewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 1 Stmk. BauG in Verbindung mit § 32 Abs. 2 lit. a und b ROG trotz der vorliegenden Aufschließungswidmung erteilt werden kann, hängt nur davon ab, ob die Bewilligung der Beseitigung der im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeinderates gegebenen Aufschließungsmängel dient oder die gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandvoraussetzungen mit dem Bauvorhaben sichergestellt ist.
Der Grund für die Ausweisung des hier beschwerdegegenständlichen Gebietes als Aufschließungsgebiet wurde mit "Haldenabbau" angegeben. Eine vollwertige Baulandeignung läge somit nur vor, wenn dieser Aufschließungsmangel - mit welchen Mitteln und auf welche Art und Weise immer - zwischenzeitig beseitigt wurde oder zumindest gleichzeitig mit dem Projekt beseitigt würde, etwa durch sukzessive Abtragung des Haldenmaterials. Da zeitliche Vorgaben nicht aktenkundig sind erscheint es auch prima facie nicht unvorstellbar, im Laufe von Jahrzehnten eine Reduktion der Halde zu erreichen, was die Vorgangsweise des Verordnungsgebers als nicht grundsätzlich bedenklich erscheinen lässt. Gemäß dem angeführten § 32 Abs. 2 Stmk. ROG wäre die Erteilung der Baubewilligung trotz der Widmung als Aufschließungsgebiet zulässig, wenn das beantragte Projekt auch die Beseitigung des Aufschließungsmangels (hier: Haldenabbau) vorsähe oder diese mit der Fertigstellung des Bauvorhabens sichergestellt wäre. Derartiges ist im verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben nicht beantragt worden.
Im Beschwerdefall haben die Gemeindebehörden zutreffend die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 32 Abs. 2 Stmk. ROG trotz der Widmung "Aufschließungsgebiet" nicht vorliegen, da die angestrebte Bewilligung weder der Erfüllung der fehlenden Baulandvoraussetzungen dient noch die gleichzeitige Fertigstellung der fehlenden Baulandvoraussetzungen mit dem Bauvorhaben gesichert wäre; das Bauvorhaben sei in Hinblick auf seine Widmung nicht zulässig. Eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Stmk. BauG war somit entbehrlich.
In Verkennung der oben dargelegten Rechtslage belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 4. April 2002
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Planung Widmung BauRallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000060137.X00Im RIS seit
11.07.2002