TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/4 2002/08/0019

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Veröffentlicht am 04.04.2002
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs5;
AlVG 1977 §9 Abs6;
AlVG 1977 §9 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des R in V, vertreten durch Dr. Paul Grossmann, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Heiliggeiststraße 8, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 20. Februar 2001, Zl. LGSTi/V/1212/3800 02 13 56-709/2001, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nahm mit dem Beschwerdeführer am 11. Jänner 2001 eine Niederschrift über die Nichtannahme bzw. das Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung auf. Demnach sei dem Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice am 28. Dezember 2000 eine Beschäftigung als Fliesenleger beim Dienstgeber T. mit möglichem Arbeitsantritt am 9. Jänner 2001 zugewiesen worden. Dagegen brachte der Beschwerdeführer die Einwendung vor, er würde voraussichtlich Ende März 2001 wieder bei dem Unternehmen V. zu arbeiten beginnen.

Mit Bescheid vom 25. Jänner 2001 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 9. Jänner 2001 bis 19. Februar 2001 verloren habe. Der angeführte Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen würde. Eine Nachsicht werde nicht erteilt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine vom Arbeitsmarktservice zugewiesene Beschäftigung mit möglichem Arbeitsantritt am 9. Jänner 2001 ohne triftigen Grund nicht angenommen hätte und Nachsichtsgründe nicht anerkannt werden könnten.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid legte der Beschwerdeführer dar, dass er eine Wiedereinstellungszusage des Unternehmens V. hätte. Dort wäre er seit über vier Jahren beschäftigt und verfüge über entsprechende Kenntnisse und Qualifikationen für die Ausführung der anfallenden Arbeit. Beim Vorstellungsgespräch bei dem Unternehmen T. habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass eine Beschäftigung seinerseits nur befristet bis Ende März 2001 (zu diesem Zeitpunkt hätte die Wiedereinstellungszusage gegolten) erfolgen könne. Daraufhin habe das Unternehmen kein Interesse an der Einstellung mehr gezeigt. Der Beschwerdeführer meinte in der Berufung, dass ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Erteilung einer Nachsicht vorläge.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Gesetzeszitaten begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer beim Vorstellungsgespräch seine Absicht kundgetan hätte, wieder zu seinem früheren Dienstgeber wechseln zu wollen. Damit habe er den Eindruck erweckt, dass er die angebotene Beschäftigung lediglich als Übergangslösung betrachte. Das Unternehmen T. wäre jedoch an der Vergabe einer längerfristigen Beschäftigung interessiert gewesen. Wenngleich der Beschwerdeführer auch bereit gewesen wäre, vorübergehend die Beschäftigung bei dem Unternehmen T. anzunehmen, so hätte er dennoch dadurch in Kauf genommen, dass dieses Dienstverhältnis nicht zu Stande komme, da er auf der Wiedereinstellung bei seinem früheren Dienstgeber beharrt hätte. Berücksichtigungswürdige Umstände für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (so - ausgehend von dem hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132 - etwa das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0219, und zahlreiche weitere Erkenntnisse).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042, Slg. Nr. 13.722/A, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0050).

Eine Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG hat der Verwaltungsgerichtshof auch dann bejaht, wenn der Arbeitslose beim Vorstellungsgespräch, wenn auch wahrheitsgemäß, seine Intention zum Ausdruck bringt, die als Dauerstellung angebotene zumutbare Beschäftigung nur als Übergangslösung zu betrachten, weil er damit - bezogen auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz als Dauerstellung - seine Arbeitswilligkeit in Zweifel stellt (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 8. April 1997, Zl. 94/08/0072). Dadurch, dass der Beschwerdeführer beim Vorstellungsgespräch gesagt hat, wieder bei seinem früheren Dienstgeber auf Grund einer Einstellungszusage desselben arbeiten zu wollen, hat er den Tatbestand des Vereitelung erfüllt, wobei auch kein Zweifel daran bestehen kann, dass das Verhalten des Beschwerdeführers für die Weigerung des Unternehmens T., ihn einzustellen, kausal war.

Unter einer Wiedereinstellungszusage im Sinne des § 9 Abs. 5 AlVG ist, wie § 9 Abs. 6 und Abs. 7 AlVG klar erweisen, eine rechtsverbindliche Vereinbarung zwischen dem früheren Dienstgeber und dem Arbeitslosen, auf Grund derer dieser verpflichtet ist, seine Beschäftigung zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen, zu verstehen. Eine (schlichte) Zusage, den Arbeitslosen künftig einstellen (wiedereinstellen) zu wollen (ohne dass dem eine arbeitsrechtliche Verpflichtung des Arbeitslosen zum Arbeitsantritt gegenübersteht), hindert nicht die Zuweisung zu einer anderen zumutbaren Beschäftigung (vgl. die Erkenntnisse vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0147, und vom 20. Dezember 1994, Zl. 93/08/0129; zu einer - im vorliegenden Fall nicht gegebenen - verpflichtenden Einstellungsvereinbarung vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 94/08/0156). In § 9 Abs. 6 und 7 AlVG ist somit vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht worden, dass der Beseitigung der Arbeitslosigkeit Vorrang vor einer verbindlichen Wiedereinstellungszusage zukommt.

Da ein solches Verhalten, wie es der Beschwerdeführer gesetzt hat, weiters nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, das Zustandekommen eines angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern, lag auch bedingter Vorsatz des Beschwerdeführers im Sinne der oben zitierten hg. Rechtsprechung vor. Er hat durch sein Verhalten das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses in Kauf genommen und sich damit abgefunden. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist dieses Nichtzustandekommen dem Beschwerdeführer anzulasten und nicht deswegen dem Unternehmen T., weil es ausschließlich einen Mitarbeiter auf Dauer wollte. An der Vereitelung des Zustandekommens des Beschäftigungsverhältnisses ändert es auch nichts, dass der Beschwerdeführer bereit gewesen wäre, für die Zeit bis zur Wiederbeschäftigung bei seinem ehemaligen Dienstgeber das Beschäftigungsverhältnis anzutreten.

Der belangten Behörde kann aber auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass keine berücksichtigungswürdigen Nachsichtsgründe vorliegen. Nach § 10 Abs. 2 AlVG ist der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B. der Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Berücksichtigungswürdige Nachsichtsgründe könne nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber nur solche sein, die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes den Arbeitslosen unverhältnismäßig härter träfe als dies sonst ganz allgemein der Fall ist. Eine bloße Einstellungszusage stellt keinen solchen Grund dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 93/08/0233).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 4. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080019.X00

Im RIS seit

13.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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