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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der B in K, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, RechtsanwaltgesmbH in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 8. Juni 2001, Zl. LGS600/ALV/1218/2001-Br/S, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat mit der Beschwerdeführerin am 3. Mai 2001 eine Niederschrift betreffend die Nichtannahme bzw. das Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung aufgenommen. Demnach sei der Beschwerdeführerin vom Arbeitsmarktservice am 19. April 2001 eine Beschäftigung als Marketingassistentin beim Dienstgeber H. mit möglichem Arbeitsantritt am 1. Mai 2001 zugewiesen worden. Nach den Angaben des potentiellen Dienstgebers habe die Beschwerdeführerin einen Tag zu spät (Bewerbungsfrist wäre bis 27. April 2001 gewesen) angerufen. Die Beschwerdeführerin hätte Einwendungen gegen die Höhe des Entgeltes und die Arbeitszeit gehabt. Die Bewerbung sei absichtlich zu spät erfolgt, da sowieso kein Interesse der Beschwerdeführerin bestanden hätte. Die Beschwerdeführerin gab dazu laut Niederschrift an, dass zwar über die Bezahlung gesprochen worden sei (die Entlohnung von S 15.000.- wäre ihr zu gering erschienen), nicht jedoch über die Arbeitszeit (sie sei jederzeit einsatzbereit). Das Gespräch sei für die Besetzung der Stelle aber bereits unerheblich gewesen, da ihr gleich am Beginn mitgeteilt worden sei, dass die Stelle bereits vergeben wäre. Die Beschwerdeführerin hätte im Übrigen bereits drei Tage zuvor versucht, die zuständige Kontaktfrau zu erreichen, welche jedoch telefonisch nie erreichbar gewesen wäre.
Mit Bescheid vom 9. Mai 2001 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aus, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG für die Zeit vom 1. Mai 2001 bis 11. Juni 2001 verloren habe. Der angeführte Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen würde. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin eine vom Arbeitsmarktservice zugewiesene Arbeit nicht angenommen habe.
In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie die Stelle sehr gerne angenommen hätte. Nachdem sie das Schreiben des Arbeitsmarktservice erhalten habe, habe sie drei Tage lang versucht, die für die Stellenbesetzung zuständige Frau F. telefonisch zu erreichen, um einen Vorstellungstermin zu vereinbaren. Dies sei vergeblich gewesen. Erst auf Grund ihres Drängens habe man ihr die Mobiltelefonnummer von Frau F. gegeben. Dann habe sie Frau F. endlich erreicht, diese hätte ihr aber gleich zu Beginn des Gespräches erklärt, dass die Stelle an eben diesem Tag besetzt worden wäre und folglich bereits vergeben sei.
Laut Aktenvermerk der belangten Behörde vom 18. Mai 2001 habe Frau F. dieser gegenüber telefonisch erklärt, dass es nicht stimme, dass sie drei Tage nicht erreichbar gewesen sei. Sie sei entweder im Büro oder mit Mobiltelefon immer erreichbar gewesen. Wenn der Anrufer eine Nachricht hinterlasse, rufe sie in jedem Fall zurück. Dass die Beschwerdeführerin im Büro angerufen habe, sei zutreffend, doch habe sie weder eine Nachricht hinterlassen noch laut Hinweis des Büros die Mobiltelefonnummer von Frau F. verlangt. Hätte die Beschwerdeführerin diese Nummer verlangt, wäre sie ihr auch sofort gegeben worden. Die Beschwerdeführerin habe einen Tag nach Ablauf der vereinbarten Bewerbungsfrist Frau F. am Mobiltelefon angerufen, wobei ihr mitgeteilt worden sei, dass die Stelle bereits besetzt wäre. Diese Ermittlungsergebnisse hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin nach der Aktenlage nicht zur Kenntnis gebracht.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Dienstverhältnis nicht zu Stande gekommen sei, da sich die Beschwerdeführerin nicht innerhalb der aufgetragenen Bewerbungsfrist, sondern erst am 28. April 2001 mit dem Dienstgeber telefonisch in Verbindung gesetzt hätte. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass Frau F. telefonisch nie erreichbar gewesen wäre, könne nicht gefolgt werden, denn wie Frau F. dazu mitgeteilt habe, wäre sie jederzeit über ihr Büro telefonisch erreichbar, entweder im Büro selbst oder mit Mobiltelefon. Wenn der Anrufer eine Nachricht im Büro hinterlasse, was bei der Beschwerdeführerin nicht der Fall gewesen sei, rufe Frau F. in jedem Fall zurück. Abgesehen davon werde dem Anrufer auf Verlangen auch sofort von der Sekretärin die Mobiltelefonnummer der Frau F. bekannt gegeben. Diese Telefonnummer sei der Beschwerdeführerin auch bei einem späteren Anruf mitgeteilt worden und sie habe dann am 28. April 2001 telefonisch Kontakt mit Frau F. aufgenommen. Da die Beschwerdeführerin der Aufforderung des Arbeitsmarktservice, sich bis spätestens 27. April 2001 beim Dienstgeber H. persönlich vorzustellen, nicht nachgekommen sei, sondern erst am 28. April 2001, also nach Ablauf der Vorstellungsfrist, mit dem Dienstgeber telefonisch Verbindung aufgenommen habe, habe sie eine mögliche Arbeitsaufnahme durch ihr Verhalten eindeutig vereitelt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.
Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (so - ausgehend von dem hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132 - etwa das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0219, und zahlreiche weitere Erkenntnisse).
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reich zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0042, Slg. Nr. 13.722/A, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0050).
Die Beschwerde macht geltend, dass der Beschwerdeführerin keine Gelegenheit gegeben worden sei, zu den Ermittlungen der belangten Behörde Stellung zu nehmen. In diesem Fall hätte sie Beweise in Form von Rufnummernaufzeichnungen vorlegen können, aus denen hervorgegangen wäre, dass sie bereits am 24. April 2001 mit Frau F. gesprochen habe. Unterlagen, die dieses Beschwerdevorbringen zu erhärten geeignet erscheinen, waren der Beschwerde beigelegt.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg, weil die belangte Behörde, hätte sie der Beschwerdeführerin zu den aus dem Aktenvermerk vom 18. Mai 2001 ersichtlichen Ermittlungsergebnissen Parteiengehör gewährt, zu einem anderen Ergebnis ihrer Ermittlungen und Entscheidungsgrundlagen hätte kommen können (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, 1987, auf Seite 610 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Das Gespräch der Beschwerdeführerin mit Frau F., auf dessen Verspätung die belangte Behörde ihren Bescheid allein stützt, hätte, sofern die Ausführungen der Beschwerdeführerin zutreffen, dann nämlich entweder vorher stattgefunden bzw. hätte die belangte Behörde jedenfalls nicht davon ausgehen dürfen, dass sich die Beschwerdeführerin erst am 28. April 2001 telefonisch mit dem potenziellen Dienstgeber in Verbindung gesetzt hat.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 4. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002080024.X00Im RIS seit
13.08.2002