TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/5 2002/18/0057

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Veröffentlicht am 05.04.2002
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §10;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des H in Wien, geboren 1963, vertreten durch Dr. Christian Barmüller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Löwelstraße 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Oktober 2001, Zl. SD 864/01, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Oktober 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 6. April 2000 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 4. Jänner 1995 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 9. Jänner 1995 einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig abgewiesen worden sei. Auf Grund einer dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei ein Zurückweisungsbeschluss gemäß § 44 Abs. 3 Asylgesetz 1997 ergangen. Am 12. September 2000 habe der unabhängige Bundesasylsenat den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 neuerlich abgewiesen. Dagegen habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht, der keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei.

Am 18. Dezember 1997 sei der Beschwerdeführer von Organen des Arbeitsinspektorates bei der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung betreten worden. Deshalb sei über ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. Dezember 1998 ein Aufenthaltsverbot erlassen worden. Eine Berufung gegen diesen Bescheid sei von der belangten Behörde abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei derzeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

Am 7. November 1998 sei der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des Suchtgifthandels festgenommen worden. Am 28. Jänner 1999 sei er wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und Abs. 3 Suchtmittelgesetz und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 leg. cit. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, davon sieben Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von September 1998 bis 7. November 1998 zumindest 5 kg Haschisch und 1 kg Marihuana an diverse Interessenten in der Absicht verkauft habe, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Bei diesen Suchtgiftmengen habe es sich um eine große Menge in Sinn des § 28 Suchtmittelgesetz gehandelt. Auf Grund dieser Verurteilung sei gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 30. März 1999 ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Die dagegen gerichtete Berufung sei von der belangten Behörde mit Bescheid vom 1. August 2001 mit der Maßgabe abgewiesen worden, dass sich das Aufenthaltsverbot auf § 48 Abs. 1 FrG zu stützen habe.

Angesichts des der Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens und im Hinblick auf die der Suchtgiftkriminalität innewohnende Wiederholungsgefahr könne kein Zweifel daran bestehen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Sicherheit gefährde. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer, der selbst in der Zeit von Frühjahr 1997 bis 7. November 1998 wiederholt Suchtgift erworben und besessen habe, über einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten zumindest rund 5 kg Haschisch und 1 kg Marihuana in der Absicht verkauft habe, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, könne für ihn derzeit keine positive Verhaltensprognose erstellt werden, zumal das besagte Fehlverhalten noch nicht so lange zurückliege, dass eine zuverlässige Prognose über künftiges Wohlverhalten erstellt werden könnte.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes habe die Behörde bei der Frage, ob ein Versagungsgrund vorliege, zu prüfen, ob der weitere Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit derart gefährden würde, dass die in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigten. Dabei genieße das Familienleben eines Fremden mit österreichischen Staatsangehörigen grundsätzlich einen erhöhten Schutz. Voraussetzung dafür sei, dass diese familiäre Beziehung zu einem Zeitpunkt begründet worden sei, als der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei und mit der Erteilung einer weiteren Bewilligung habe rechnen dürfen. Der Beschwerdeführer habe am 28. Februar 2000 in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Zu diesem Zeitpunkt habe er aber zumindest davon ausgehen müssen, dass sich sein Aufenthaltsverbotsverfahren auf Grund seiner Suchtgiftverurteilung noch im Berufungsstadium befinde.

Unter Berücksichtigung der Schwere des dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Fehlverhaltens und der nach wie vor aufrechten Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei der Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht des Beschwerdeführers auf das Zusammenleben mit seiner österreichischen Ehegattin im Interesse der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers lasse seine Geringschätzung für die österreichische Rechtsordnung erkennen, weshalb der Versagungsgrund gemäß § 47 Abs. 2 FrG vorliege. Die durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkte Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei von solchem Gewicht, dass ihm der von ihm begehrte Aufenthaltstitel auch in Ansehung seiner privaten Verhältnisse nicht erteilt werden könne. Die Versagungsgründe gemäß § 10 FrG fänden auf die in § 47 FrG umschriebenen Personen generell nicht Anwendung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die §§ 47, 48 und 49 FrG haben auszugsweise folgenden

Inhalt:

"§ 47. (1) Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, unterliegen der Sichtvermerkspflicht.

(2) Sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind, genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen, wenn sie an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind.

...

(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:

1. Ehegatten;

...

§ 48. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist nur zulässig, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. ...

...

§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. Die Gültigkeitsdauer der ihnen die beiden ersten Male erteilten Niederlassungsbewilligung beträgt jeweils ein Jahr.

..."

1.2. Da der Beschwerdeführer unstrittig mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet ist, genießt er gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG Niederlassungsfreiheit. Gemäß § 47 Abs. 2 erster Satz iVm § 49 Abs. 1 FrG hat er einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, sofern sein Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Die Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist gemäß § 48 Abs. 1 FrG auch Zulässigkeitsvoraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer. Eine den Eingriff in das Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK rechtfertigende Gefährdung öffentlicher Interessen ist sowohl für die Versagung einer Niederlassungsbewilligung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2000, Zl. 98/19/0304) als auch für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (siehe § 37 FrG) erforderlich.

2.1. Wegen des von der belangten Behörde als Grund für die Versagung der Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs. 2 erster Satz FrG herangezogenen Suchtgiftdelikts wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. August 2001 gemäß § 48 Abs. 1 FrG ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 14. Februar 2002, Zl. 2002/18/0012, als unbegründet abgewiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof mit eingehender Begründung ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ungeachtet dessen, dass das Suchtgiftdelikt bereits drei Jahre zurückliege und das Gericht einen Teil der neunmonatigen Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen habe, die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Die Ansicht der belangten Behörde, die in § 48 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme wäre gerechtfertigt, begegne daher keinen Bedenken. Im Rahmen der Überprüfung der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots ungeachtet der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers (inländischer Aufenthalt seit 1995, Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen, Unterhaltssicherung durch die Schwiegereltern) zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei und den genannten persönlichen Interessen kein größeres Gewicht zukomme als den öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes.

2.2. Der angefochtene Bescheid wurde nicht einmal drei Monate nach dem Aufenthaltsverbotsbescheid erlassen. Dass in dieser Zeit eine relevante Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sei, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

Soweit der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren auf sein Wohlverhalten seit der Tatbegehung, auf die Tatsache, dass das Gericht nur eine relativ geringe und zum Teil bedingt nachgesehene Strafe verhängt habe und auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen verweist, ist er auf die Ausführungen im zitierten Erkenntnis vom 14. Februar 2002 zu verweisen, wonach ungeachtet dieser Umstände auf Grund seines Fehlverhaltens sogar die - gegenüber der Versagung einer Niederlassungsbewilligung jedenfalls einen gravierenderen Eingriff darstellende - Erlassung eines mit zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes zulässig sei.

Mit dem weiteren Vorbringen, die belangte Behörde habe sich weder mit den konkreten Umständen seiner Straftat noch mit den seit der Straftat grundlegend geänderten "allseitigen Verhältnissen" auseinandergesetzt, gelingt es der Beschwerde nicht, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen, bringt sie doch nicht vor, welche zusätzlichen Umstände die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen.

3. Da die belangte Behörde schon aus diesen Gründen den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu Recht abgewiesen hat, braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob die vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 2000/19/0117, als obiter dictum vertretene Ansicht, die in § 10 FrG geregelten Versagungsgründe seien auf begünstigte Drittstaatsangehörige nicht anzuwenden, auch auf den Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. zutrifft, wenn das diesen Versagungsgrund bildende Aufenthaltsverbot auf Grund der Bestimmung des § 48 leg. cit. erlassen worden ist.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 5. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002180057.X00

Im RIS seit

01.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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