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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1997 §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des JW in W, geboren am 7. Dezember 1963, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Februar 2001, Zl. 208.806/1-XII/36/99, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch gemäß § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste am 11. Dezember 1998 über den Flughafen Wien Schwechat in das Bundesgebiet ein. Bei seiner noch am Einreisetag durchgeführten Einvernahme durch die Bundespolizeidirektion Schwechat begründete er die Stellung eines Asylantrages damit, dass sein Vater bei der MPR sei, mehr könne er nicht angeben. In der Folge führte er vor dem Bundesasylamt aus, dass er in Kinshasa "Politik" studiert und seine Heimat wegen der führenden Teilnahme an einer Demonstration vom 5. Dezember 1998 - weswegen er gesucht werde - verlassen habe. Im Fall einer Rückkehr befürchte er Tötung oder Verurteilung zum Tode.
Das Bundesasylamt sowie - nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - die belangte Behörde erachteten die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen als unglaubwürdig. Sie wiesen den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und stellten gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo zulässig sei.
Dass den Angaben des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden könne, begründete die belangte Behörde ua. damit, dass sie über den österreichischen Honorarkonsul in Kinshasa bei der Universität Kinshasa angefragt habe, ob der Beschwerdeführer - seinen Behauptungen entsprechend - von 1996 bis 1998 an der Universität Kinshasa als "Student der Politik" inskribiert gewesen sei. Aus der Anfragebeantwortung vom 10. Juni 2000 ergebe sich zweifelsfrei, dass dies nicht der Fall sei; dies sei von dem vom österreichischen Konsulat beigezogenen Vertrauensanwalt durch Rückfrage bei einer namentlich bezeichneten Person an der Fakultät der Sozial-, Politik- und Administrativwissenschaften (der Universität Kinshasa) ermittelt worden. Sei er nicht Student gewesen, könne er auch nicht an Studentenprotesten beteiligt gewesen sein und insbesondere nicht an einer angeblich am 5. Dezember 1998 durchgeführten Studentendemonstration teilgenommen haben.
Zur allgemeinen Situation in der Demokratischen Republik Kongo traf die belangte Behörde folgende Feststellungen:
"Der Präsident der DR Kongo Laurent-Desire Kabila fiel am 16.1.2001 einem Mordanschlag zum Opfer. In der Folge wurde sein Sohn Joseph Kabila als neuer Staatspräsident vereidigt.
Derzeit werden etwa 60 % des Staatsgebietes von der Staatsregierung unter dem nunmehrigen Präsidenten Joseph Kabila kontrolliert, dessen Vater mit den als 'AFDL' bezeichneten Streitkräften im Mai 1997 Kinshasa einnahm und dadurch den Sturz des Mobutu-Regimes bewirkte. Ende 1998 hat die Regierung allerdings die Kontrolle über etwa 40 % des Staatsgebietes an Rebellenorganisationen, insbesondere an die RCD verloren, die von Ruanda bzw. Uganda unterstützt und von Mitgliedern der ethnischen Gruppe der Tutsi dominiert wird. Der Aufstand begann im Juli/August 1998, als Laurent-Desire Kabila die tutsi-stämmigen Politiker absetzte und versuchte, die Militäreinheiten von Ruanda und Uganda, die ihn beim Sturz Mobutus unterstützt hatten, aus dem Land zu vertreiben.
Die Menschenrechtslage in dem von der Staatsregierung dominierten Landesteil ist im allgemeinen als eher ungünstig zu bezeichnen. Zwar wurden nach Machtantritt Laurent-Desire Kabilas im Mai 1997 die Gegner des früheren Staatspräsidenten Mobutu zur Rückkehr in die DR Kongo und zur Mitwirkung eingeladen und kehrten verschiedene Persönlichkeiten aus dem Exil in die DR Kongo zurück und wurden verschiedentlich auch in die Regierungsarbeit eingebunden. Die Tätigkeit von Oppositionsparteien ist jedoch gemäß einem vom Staatspräsidenten im Mai 1997 erlassenen Dekret 'suspendiert'. Die Aufhebung dieses Dekretes wurde mehrfach angekündigt, ist bisher jedoch nicht erfolgt. Die politischen Parteien selbst wurden nicht verboten, dürfen jedoch im Wesentlichen nur innere Verwaltungsangelegenheiten erledigen, und müssen sich einem Prozess der 'Neuregistrierung' unterziehen. Die Auswirkungen der 'Suspendierung' der politischen Tätigkeit von Oppositionsparteien sind unterschiedlich, in manchen Distrikten wird dieses Verbot weniger strikt gehandhabt. Die Regierung unter Staatspräsident Kabila setzt sich aus Angehörigen diverser ethnischer Gruppen, geographischer Regionen und verschiedener politischer Parteien zusammen. Jene Personen, die nicht der AFDL angehören, dürfen an der Regierung jedoch - mit geringem politischen Einfluss - lediglich als Privatpersonen und nicht als Repräsentanten ihrer Partei teilnehmen.
Der bloße Umstand, dass eine Person einer Oppositionspartei wie beispielsweise der von Etienne Tshisekedi geleiteten UDPS-Fraktion angehört, ist nicht geeignet, eine politische Verfolgung darzutun. Eine politische Verfolgung kann nur dann angenommen werden, wenn eine Person politisch aktiv ist und solcher Art die Aufmerksamkeit der staatlichen Behörden auf sich gezogen hat. Wenn ein Oppositionspolitiker politische Schriften verteilt hat oder an einem verbotenen politischen Treffen teilgenommen und solcher Art, die 'Suspendierung' der oppositionellen politischen Tätigkeit missachtet hat, kann es zu Verfolgungsmaßnahmen kommen. Eine offene oppositionelle politische Betätigung ist in der DR Kongo verboten. Hingegen haben nominelle Mitglieder von Oppositionsparteien, die sich nicht in politischen Aktivitäten engagieren oder Kritik an der Regierung üben, keine Verfolgung zu befürchten. Auch politische Betätigung im Exil führt nicht jedenfalls zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen. Maßgeblich ist, ob es sich um eine eigene, von der betreffenden Person ausgehende Bekundung des politischen Willens handelt, die eine Gefährdung für die Regierung darstellen kann.
Der Umstand, dass eine Person in der Regierungszeit des Staatspräsidenten Mobutu in der Staatsverwaltung tätig war, ist für sich allein nicht ausreichend, um eine unter der nunmehrigen Staatsregierung bestehende Verfolgungsgefahr zu begründen. Unter den früheren Anhängern Mobutus sind mehrere Gruppen zu unterscheiden. 26 ehemalige hochrangige Gefolgsleute wurden wegen Veruntreuung und finanzieller Unregelmäßigkeiten im Makala-Gefängnis inhaftiert. Hingegen ist ein früherer Minister unter Mobutu, Saolona Bemba, nun Minister in der neuen Staatsregierung. Eine größere Anzahl früherer Minister lebt weiterhin weitgehend ungestört in Kinshasa. Verschiedene höhere Verwaltungsbeamte der Mobutu-Verwaltung wurden durch neue Beamte, zunächst vor allem durch ethnische Ruandesen, ersetzt. Auf den niedrigeren Ebenen gab es wenige Veränderungen."
Des Weiteren wird im bekämpften Bescheid - im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung, er müsse bei einer Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo mit schweren Menschenrechtsverletzungen bis hin zum Tode rechnen - ausgeführt:
"Eine stichprobenartige Überprüfung durch die deutsche Botschaft in Kinshasa hat ergeben, dass diese Personen (abgewiesene Asylwerber, die in die Demokratische Republik Kongo abgeschoben wurden) in aller Regel unbehelligt bleiben und nach einer gesonderten Überprüfung durch die Beamten der DGM, in besonders gelagerten Fällen auch durch Beamte des kongolesischen Nachrichtendienstes ANR sowie der Zoll- und Gesundheitsbehörden zu ihren Familienangehörigen gelangen können. Besonderheiten ergeben sich lediglich hinsichtlich jener Passagiere, die aus Nairobi kommend nach Kinshasa einreisen. Diese werden generell von den am Flughafen tätigen Beamten der Migrationsbehörde und des kongolesischen Nachrichtendienstes eingehender untersucht und zum Reiseweg befragt. Ziel ist es, eine befürchtete Infiltration von Angehörigen der Rebellenallianz aus den besetzten Gebieten im Osten der DR Kongo auf dem Luftweg über die kongolesische Hauptstadt Kinshasa zu vermeiden. Wird von kongolesischer Seite festgestellt, dass die aus Nairobi eingereisten Passagiere im Transit aus Europa kommen, so ist im Regelfall keine weiter gehende besondere Behandlung festzustellen. Die Behandlung der abgeschobenen Asylwerber und deren weiteres Schicksal wird kontinuierlich von namhaften kongolesischen Menschenrechtsorganisationen beobachtet. Es sind nach eingehender Überprüfung keine Fälle bekannt geworden, in denen rückkehrende Asylwerber zwangsrekrutiert oder bei Weigerung exekutiert worden wären. Es liegen weiters keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Kinder von Abgeschobenen an staatliche Aufbewahrungsorte verbracht würden und später als Straßenkinder enden würden. Es sind auch keine Fälle bekannt geworden, in denen abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr vom Militärsondergericht zum Tode verurteilt worden wären."
Über die gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
1. Zur Abweisung des Asylantrages:
Der Entscheidung der belangten Behörde in der Asylfrage hält der Beschwerdeführer nur entgegen, dass diese einen so genannten "Vertrauensanwalt" beigezogen habe, obwohl im Verfahren darauf hingewiesen worden sei, dass erhebliche Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit dieser Person bestünden; tatsächlich sei mittlerweile angeordnet worden, dass dieser "Vertrauensanwalt" nicht mehr herangezogen werden dürfe, weil sich in mehreren Verfahren ergeben habe, dass er die Unwahrheit bezeugt hätte. Im Übrigen komme einem "Vertrauensanwalt" die Stellung eines nicht amtlichen Sachverständigen zu, weshalb er - was jedoch unterlassen worden sei - hätte beeidet werden müssen.
Mit diesem Vorbringen wendet sich der Beschwerdeführer nicht grundsätzlich gegen die Beiziehung eines "Vertrauensanwaltes". Die Frage, ob die Vorgangsweise der belangten Behörde - Anfrage an die Universität Kinshasa (im Weg über österreichische Vertretungsbehörden, die ihrerseits den strittigen "Vertrauensanwalt" beigezogen haben), ob der Beschwerdeführer im Zeitraum 1996 bis 1998 als Student inskribiert gewesen sei - angesichts des vom Beschwerdeführer in seiner Berufung vom 3. Mai 1999 gestellten Antrages auf Beschaffung einer ihn betreffenden Inskriptionsbestätigung von Amts wegen mit dem Gesetz im Einklang stand (vgl. zur Problematik näher das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2000, Zl. 99/20/0488), braucht freilich unabhängig davon nicht beantwortet zu werden. Selbst unter der Annahme, die konkrete Anfrage wäre ungeachtet des erwähnten Antrages unzulässig gewesen, war es der belangten Behörde mangels eines bestehenden Beweisverwertungsverbotes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0470) nämlich nicht verwehrt, die Ergebnisse ihrer Anfrage (das sind die im bekämpften Bescheid erwähnte Anfragebeantwortung des österreichischen Honorarkonsuls in Kinshasa vom 10. Juni 2000 bzw. die dieser Anfragebeantwortung angeschlossene Stellungnahme des "Vertrauensanwaltes") im Rahmen ihrer Beweiswürdigung zu verwerten. Hiezu hat der Verwaltungsgerichtshof in beiden eben genannten Erkenntnissen ausgesprochen, dass es sich dabei nicht um einen Beweis durch Sachverständige iS des § 52 AVG handle, sondern um ein Beweismittel eigener Art. Der Vorwurf, der tätige "Vertrauensanwalt" hätte als nicht amtlicher Sachverständiger beeidet werden müssen, geht daher fehl.
Soweit der Beschwerdeführer Zweifel an der Zuverlässigkeit des "Vertrauensanwaltes" anmeldet, spricht er die Richtigkeit der behördlichen Beweiswürdigung an. Dabei vermag er freilich keine Umstände aufzuzeigen, die im Rahmen der auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkten Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zu einem Erfolg führen könnten. Einerseits bleiben nämlich die Vorwürfe gegen den konkret beigezogenen "Vertrauensanwalt" wie schon im Verwaltungsverfahren (in der in der Beschwerde erwähnten Stellungnahme vom 15. Februar 2001 ist nur davon die Rede, dass es auf Grund von nicht näher dargestellten Recherchen seitens der Caritas Österreich erhebliche Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit dieses "Vertrauensanwaltes" gäbe) völlig unsubstantiiert; andererseits wird auf die weiteren - hier nicht dargestellten, dem Verwaltungsgerichtshof jedoch nachvollziehbaren - Überlegungen der belangten Behörde, mit denen sie die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers begründete, mit keinem Wort eingegangen. Hat es damit bei der behördlichen Beweiswürdigung zu bleiben, so erweist sich die Beschwerde insoweit, als sie sich gegen die Abweisung des Asylantrages richtet, als unbegründet. Sie war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
2. Zum Ausspruch nach § 8 AsylG:
Erkennbar unter Bezugnahme auf § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 FrG macht der Beschwerdeführer geltend, dass der Deutsche Bundestag am 24. Jänner 2001 entschieden habe, es seien alle Abschiebungen in die Demokratische Republik Kongo sofort zu stoppen, weil die Menschenrechtslage zu "desolat" sei. Hintergrund für diese Entscheidung sei gewesen, dass sich die Menschenrechtslage im Kongo derart zugespitzt habe, dass man davon sprechen müsse, es werde jeder Abgeschobene der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt. Trotz Verbreitung in internationalen Medien habe die belangte Behörde diesen Umstand nicht berücksichtigt und auf eine ältere Situationsbeschreibung vom Oktober 2000 Bezug genommen.
Eine zur Untermauerung dieses Vorbringens der Beschwerde beigelegte Kopie einer Meldung des Pressezentrums des Deutschen Bundestages vom 24. Jänner 2001 hat im Wesentlichen folgenden Inhalt:
"Abschiebestopp in die Demokratische Republik Kongo begrüßt Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Berlin: (hib/BOB) Im Menschenrechtsausschuss ist am
Mittwochnachmittag die Entscheidung der Bundesregierung begrüßt worden, gegenwärtig von einer Abschiebung von Personen in die Demokratische Republik (DR) Kongo abzuraten. Es sei zu hoffen, dass die zuständigen Justizbehörden in den Bundesländern sich dieser Haltung anschließen, so die Abgeordneten. Das Auswärtige Amt hatte zuvor mitgeteilt, die Lage in der DR Kongo sei nach der Ermordung von Präsident Laurent Kabila derzeit 'verworren'. Es gebe kaum Neigung, gerade auch bei den beteiligten Nachbarstaaten, das Waffenstillstandsabkommen von Lusaka vom Juli 1999 umzusetzen. Die Lage der Menschenrechte sei 'desolat'. Dies gelte sowohl für die von Regierungstruppen als auch für die von den Rebellen kontrollierten Landesteile. Vor diesem Hintergrund sei das Auswärtige Amt zu seiner Auffassung gelangt, Abschiebungen in die DR Kongo seien derzeit nicht angebracht. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) teile diese Haltung. In einem so genannten Ad-hoc-Lagebericht seien alle Landesinnenministerien und damit auch die zuständigen Ausländerbehörden entsprechend informiert worden.
..."
Mit dem Hinweis auf diese Entwicklung zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides auf. Zwar hatte er den "Abschiebestopp" in Deutschland als solchen im Verwaltungsverfahren (noch) nicht zur Sprache gebracht, in der schon zu Punkt 1. erwähnten Stellungnahme vom 15. Februar 2001 ist aber immerhin davon die Rede, dass "auf Grund der jüngsten Ereignisse eine Einschätzung der weiteren Entwicklung der Menschenrechtslage im Kongo noch nicht möglich" sei. Außerdem war dieser Stellungnahme ein Bericht des (deutschen) Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom Oktober 2000 angeschlossen, demzufolge gemäß der Auskunft zweier Vertreter der Menschenrechtsorganisation "ASADHO" vom 6. Oktober 2000 sich auf dem Gebiet der Demokratischen Republik Kongo so genannte "Mikrostaaten" gebildet hätten und wonach es in allen diesen "Mikrostaaten" zu Verfolgungshandlungen komme, insbesondere wegen verbotener Meinungsäußerungen; generell müsse jeder Rückkehrer mit Verfolgung rechnen.
Mit diesem Bericht hat sich die belangte Behörde nicht beschäftigt; sie hat ihrerseits Auszüge von Berichten aus dem Dezember 1999 und aus dem Juli 2000 sowie eine - einen individuellen Fall betreffende - Auskunft des (deutschen) Auswärtigen Amtes vom 6. Oktober 2000 ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt. (Die letztgenannte Stellungnahme findet sich allerdings nicht vollständig im Verwaltungsakt (es fehlen die Seiten 2 und 4), weshalb darauf gegründete Überlegungen von vornherein einer Kontrolle entzogen sind.)
Unabhängig von diesen verfahrensrechtlichen Aspekten hätte die belangte Behörde die jüngste Entwicklung in der Demokratischen Republik Kongo nicht aus den Augen lassen dürfen. Sie stellte zwar fest, dass der bisherige Präsident Laurent-Desire Kabila am 16. Jänner 2001 einem Mordanschlag zum Opfer gefallen sei, griff jedoch (siehe oben) auf zumindest Monate vor diesem einschneidenden Vorfall zurückliegende Unterlagen zurück, ohne - vor dem Hintergrund des § 57 Abs. 1 FrG - allfällige neue Entwicklungen der Situation in den Blick zu nehmen (zur Verpflichtung, aktuellste Beweismittel heranzuziehen, siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0348). Zwar erfordert nicht jede politische Änderung im Heimatland eines Asylwerbers neue Ermittlungsschritte - der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass dies die Entscheidungsfindung über Gebühr verzögern könnte -, im Fall von für die Asylfrage oder für die Entscheidung nach § 8 AsylG möglicherweise bedeutsamen Ereignissen erweisen sich bisherige Erhebungen aber allenfalls als obsolet und müssen daher neue Erhebungen in die Wege geleitet werden. Dass die Ermordung des Staatspräsidenten ein derartiges Ereignis ist, bedarf im konkreten Fall keiner näheren Erörterung, und zwar im Besonderen angesichts des notorischen Bürgerkrieges in der Demokratischen Republik Kongo und der in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde schon für die Zeit vor der Ermordung des Staatspräsidenten getroffenen Feststellung, wonach die Menschenrechtslage in dem von der Staatsregierung dominierten Landesteil im Allgemeinen als eher ungünstig zu bezeichnen sei. Im Hinblick auf die Replik in der behördlichen Gegenschrift, wonach aktuellere Erkenntnisquellen (betreffend die Behandlung abgeschobener Personen) nicht bestünden, weil die Demokratische Republik Kongo die Durchführung von Abschiebungen in den letzten Monaten nicht zugelassen habe, sei klargestellt, dass es unter dem hier wesentlichen Gesichtspunkt des § 57 Abs. 1 FrG nicht allein um die spezifische Behandlung von abgeschobenen Personen durch die Behörden des Zielstaates, sondern allgemein darum geht, ob die Abschiebung angesichts der dortigen Verhältnisse insgesamt mit Österreichs Verpflichtungen aus Art. 3 EMRK - abgesehen von den außerdem zu berücksichtigenden Fällen einer drohenden Todesstrafe -
vereinbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0443). Dass die Demokratische Republik Kongo die Durchführung von Abschiebungen in den letzten Monaten nicht zugelassen habe, wäre im Übrigen ein weiterer Umstand gewesen, der zu ergänzenden Ermittlungen Anlass geboten hätte. Auch der im bekämpften Bescheid enthaltene Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die allgemein behauptete "unsichere Lage" bzw. die "Bürgerkriegssituation" in einem Land nicht geeignet sei, eine konkrete Gefährdung iS des § 57 Abs. 1 FrG darzutun, vermag zu keiner anderen Beurteilung zu führen. Stets kommt es darauf an, ob konkret eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsposition mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist (vgl. zu einer Bürgerkriegssituation etwa schon das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/21/0294; siehe zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0410).
Nach dem Gesagten leidet der angefochtene Bescheid in seinem Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Demokratische Republik Kongo an einem Ermittlungsmangel. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vornahme der gebotenen weiteren Ermittlungen in diesem Punkt zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, war der Bescheid in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 18. April 2002
Schlagworte
Beweismittel Sachverständigenbeweis rechtswidrig gewonnener BeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001010249.X00Im RIS seit
13.06.2002