TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/18 2000/01/0510

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Veröffentlicht am 18.04.2002
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des P N in G, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Oktober 2000, Zl. 2-11.N/167-99/14, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2000 wies die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen Angolas, auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und auf Erstreckung der Verleihung auf seine Gattin und auf die drei gemeinsamen Kinder "gemäß §§ 10 Abs. 1, 11, 16, 17 Abs. 1 Z 1 und 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 i.d.g.F. in Verbindung mit § 39" leg. cit. ab.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 29. Juni 1989 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt. Mit Eingabe vom 24. Juni 1999 habe er um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft unter gleichzeitiger Erstreckung auf seine Ehegattin und die gemeinsamen Kinder angesucht. Die zehnjährige Wohnsitzdauer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG sei somit erfüllt.

Das Arbeitsmarktservice habe in seiner Stellungnahme mitgeteilt, dass aus der Sicht des Arbeitsmarktes das Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht befürwortet bzw. die Qualifikation der Ehegattin als Hilfsarbeiterin am heimischen Arbeitsmarkt nicht gesucht würde. Darüber hinaus stünden dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht nur inländische, sondern auch ausländische Hilfskräfte in großer Zahl arbeitslos zur Verfügung und erhielten Leistungen aus öffentlichen Mitteln.

Im Verwaltungsstrafregister der Bundespolizeidirektion Graz scheine er mit nachstehend angeführter Verwaltungsübertretung auf:

"1997 § 1 LGBl. Nr. 158/75, 2. Fall

ATS 700,--"

Zur Stellungnahme aufgefordert habe der Beschwerdeführer bestätigt, dass er mehrere Male seinen Dienstgeber gewechselt hätte. Als Ausländer mit afrikanischer Herkunft hätte er es am Arbeitsmarkt schwer gehabt und wäre gezwungen gewesen, schlecht bezahlte Arbeitsstellen anzunehmen. Teilweise hätte er nur vertretungsweise eine Arbeitsstelle bekommen bzw. wäre er als freier Mitarbeiter eingestellt worden. Darüber hinaus litte er seit Februar 1994 an Diabetes und wäre in seiner Berufswahl zusätzlich eingeschränkt. In einem Fall hätte er selbst gekündigt, weil sein Arbeitgeber einen geringeren Lohn als vereinbart bezahlt hätte. In einem anderen Fall wäre der Beschwerdeführer gekündigt worden, weil es zwischen ihm und seinem Chef zu einem Streit gekommen wäre. Ein anderes Mal hätte er wiederum selbst gekündigt, weil die Arbeit für ihn nicht erfüllend gewesen und zu gering bezahlt worden wäre.

Wie aus einer vom Beschwerdeführer vorgelegten Versicherungszeitenbestätigung hervorgehe, sei er bereits seit Februar 1990 in Österreich berufstätig. Weiters sei festgestellt worden, dass er in einem Zeitraum von Februar 1990 bis März 1998 insgesamt 13 verschiedene Arbeitgeber gehabt habe und im selben Zeitraum 3 Jahre und 4 Monate keiner Beschäftigung nachgegangen sei bzw. Arbeitslosengeld bezogen habe. Die Tatsache, dass er seit Februar 1994 an Diabetes leide, rechtfertige nicht, dass er in einem Zeitraum von acht Jahren weit mehr als drei Jahre keiner Beschäftigung nachgegangen sei. Wie er in seiner Stellungnahme ausführe, wäre beispielsweise ein Dienstverhältnis von vornherein befristet abgeschlossen gewesen. Der Beschwerdeführer hätte sich somit rechtzeitig um eine neue Beschäftigung bemühen können. Stattdessen sei er anschließend mehr als acht Monate ohne Beschäftigung gewesen und habe Arbeitslosengeld bezogen. In einem anderen Fall habe er ausgeführt, dass er das Dienstverhältnis selbst beendet hätte, weil die Arbeit für ihn nicht erfüllend gewesen und zu gering bezahlt worden wäre. Auch vor seiner Erkrankung an Diabetes im Februar 1994 habe er häufig die Arbeitgeber gewechselt, sodass eine berufliche Integration bzw. ein Bemühen um eine solche Integration nicht zu erkennen gewesen sei. Bei der Ermessensausübung gemäß § 11 StbG dürfe die Behörde nicht nur Sachverhalte heranziehen, in denen ein strafbares Verhalten des Beschwerdeführers gelegen sei, sondern darüber hinaus alle Vorfälle mit berücksichtigen, aus denen Anhaltspunkte für die Beurteilung der Persönlichkeit gewonnen werden könnten.

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer anerkannter Flüchtling sei und während seines elfjährigen Aufenthaltes sonst nicht negativ in Erscheinung getreten bzw. straffällig geworden sei, werde bei der Beurteilung seines Gesamtverhaltens zu seinen Gunsten miteinbezogen.

Zu seinen Lasten müsse jedoch berücksichtigt werden, dass auf Grund der überaus häufigen Arbeitsplatzwechsel und der zahlreichen, lang andauernden Unterbrechungen zwischen den einzelnen Dienstverhältnissen zu erkennen sei, dass die berufliche Integration noch nicht in ausreichendem Maß gegeben bzw. abgeschlossen sei. Von Februar 1990 bis Juni 1998 sei er 60,5 Monate bei zwölf verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt gewesen. Dies entspreche einer durchschnittlichen Beschäftigungsdauer von fünf Monaten. Erst seit Juni 1998 sei er bei ein und demselben (dreizehnten) Dienstgeber beschäftigt. Dies sei umso mehr zu berücksichtigen, als dem Beschwerdeführer als Konventionsflüchtling ein wesentlich leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt möglich sei. Die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme angeführte Erkrankung an Diabetes sei von der belangten Behörde berücksichtigt worden, rechtfertige jedoch nicht den Wechsel von zwölf verschiedenen Arbeitgebern mit einer überaus kurzen Beschäftigungsdauer. Wie er in seiner Stellungnahme anführe, sei die Diabetes-Erkrankung lediglich zweimal für einen Arbeitsplatzwechsel ausschlaggebend gewesen. Eine ausreichende Integration des Beschwerdeführers in den österreichischen Arbeitsprozess sei noch nicht zu erkennen.

Angesichts dieser Umstände erscheine das Gesamtbild des Beschwerdeführers nicht so einwandfrei, dass die Wahrung des öffentlichen Wohles und der öffentlichen Interessen gewährleistet erscheine. Somit könne die Ermessensentscheidung nicht zu seinen Gunsten getroffen werden.

Der Antrag auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft sei gemäß § 18 StbG ebenfalls abzuweisen gewesen, weil die Erstreckung der Verleihung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden dürfe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides nur auf die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG ausdrücklich Bezug genommen. Sie erachtete diese im Hinblick auf die (durchgehende) Meldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 29. Juni 1989 als erfüllt. Sie ging erkennbar davon aus, dass auch die Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 leg. cit. gegeben seien. Sie vertrat jedoch die Auffassung, dass sie das ihr - bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen eingeräumte - Ermessen im Grund des § 11 StbG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers üben könne.

§ 11 StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lautet:

"§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten der Fremden bei der Ausübung des ihr im § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."

Hiezu führen die ErläutRV 1283 BlgNR 20. GP 9 aus:

"Die Änderung soll verdeutlichen, dass die Behörde vor allem die Integration des Fremden und deren Ausmaß zu beachten hat. Es ist daher nicht erforderlich, auf das 'Gesamtverhalten der Partei' abzustellen, da dieses einerseits unter dem Aspekt der Rücksichten auf das öffentliche Wohl und der öffentlichen Interessen zu sehen ist und andererseits für die Beurteilung des Ausmaßes der Integration in Betracht kommt. ..."

Die belangte Behörde hat ihre Ermessensentscheidung abschließend damit begründet, dass angesichts der Zahl und der Dauer der Beschäftigungsverhältnisse des Beschwerdeführers sein "Gesamtbild" nicht so einwandfrei sei, dass die Wahrung des öffentlichen Wohles und der öffentlichen Interessen gewährleistet erscheine. Welches "Gesamtbild" die belangte Behörde dabei im Auge hatte ist für den Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht erkennbar. Soweit die belangte Behörde eine ausreichende Integration im Sinn des § 11 StbG deshalb für ausgeschlossen erachtete, weil sie dem Beschwerdeführer für die Zeit von Februar 1990 bis Juni 1998 den Wechsel von zwölf verschiedenen Arbeitgebern mit einer überaus kurzen Beschäftigungsdauer anlastete, übersieht sie, dass es bei der Beurteilung nach § 11 StbG auf den Stand des Integrationsprozesses im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ankommt; eine Betrachtungsweise dergestalt, die Beschäftigungszeiten eines Fremden seiner Gesamtaufenthaltsdauer im Inland gegenüber zu stellen, erweist sich als verfehlt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0258). Die belangte Behörde hätte daher zur Beurteilung des Ermessensgesichtspunktes der Integration des Beschwerdeführers vielmehr den aktuellen Umstand zu berücksichtigen gehabt, dass der Beschwerdeführer seit Juni 1998 in einem ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnis steht; in Anbetracht der kontinuierlichen Dauer dieses Beschäftigungsverhältnisses, das eine berufliche Integration indiziert, traten häufig wechselnde Beschäftigungsverhältnisse jeweils kurzer Dauer und Zeiten von Arbeitslosigkeit in früheren Jahren in den Hintergrund. Schließlich wird die belangte Behörde auch die persönliche Integration des Beschwerdeführers in ihre Ermessenentscheidung einzubeziehen haben.

Auch der Hinweis auf die Vormerkung des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafregister der Bundespolizeidirektion Graz ist nicht geeignet, eine Ermessensübung im Grund des § 11 StbG zu tragen, weil hiezu nachvollziehbare Feststellungen über das der Verwaltungsstrafe zu Grunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers notwendig wären.

Nach dem Gesagten vermögen die behördlichen Feststellungen eine auf mangelnde Integration des Beschwerdeführers gegründete Ermessensübung zu dessen Lasten nicht zu rechtfertigen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 18. April 2002

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000010510.X00

Im RIS seit

08.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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