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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §914;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice vom 9. Jänner 2001, Zl. 10/13116/108 3730, betreffend Versagung einer Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Antrag vom 23. November 2000 begehrte der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Kamerun, bei der regionalen Geschäftsstelle Handel - Transport - Verkehr - Landwirtschaft Wien des Arbeitsmarktservice die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz. Er wies auf Zeiträume der Beschäftigung vom 22. November 1999 bis zum 21. November 2000 und vom 22. November 2000 bis zum 21. November 2001 bei der "MA 48, W, E-Gasse 2" als Straßenreiniger hin.
Dieser Antrag wurde von der regionalen Geschäftsstelle Handel - Transport - Verkehr - Landwirtschaft Wien des Arbeitsmarktservice gemäß § 14a Abs. 1 AuslBG abgewiesen. Wie eine Überprüfung der bisherigen Dienstverhältnisse des Beschwerdeführers ergeben habe, sei er in den letzten 14 Monaten nur 125 Tage bewilligt beschäftigt gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass die Behörde ihre Begründungspflicht verletzt habe. Der Beschwerdeführer sei sehr wohl in den letzten 14 Monaten 52 Wochen erlaubt beschäftigt gewesen. Es spiele keine Rolle, dass er immer wieder von der Sozialversicherung abgemeldet worden sei, allein aus diesem Grunde habe das Dienstverhältnis nicht geendet. Auch die für ihn erteilte Beschäftigungsbewilligung sei in Folge der Unterbrechungen seiner Arbeitsleistungen nicht gemäß § 7 Abs. 6 Z. 1 AuslBG erloschen.
Diese Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Jänner 2001 gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m.
§ 14a Abs. 1 AuslBG abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Zeiten der Abmeldung des Beschwerdeführers von der Sozialversicherung nicht als Beendigung seines Dienstverhältnisses gewertet worden seien. Eine neuerliche Abfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger habe ergeben, dass der Beschwerdeführer seit dem 1. Dezember 1999 beim Magistrat der Stadt Wien, Abteilung 48 "geringfügig als Tagelöhner tageweise beschäftigt" gewesen sei, auch zum nunmehrigen Zeitpunkt weise der Beschwerdeführer lediglich eine Gesamtbeschäftigungsdauer von 133 Tagen, das seien 19 Wochen, auf.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil der Gemeinde Wien, Magistratsabteilung 48, für den Zeittraum vom 22. November 1999 bis zum 21. November 2000 eine Beschäftigungsbewilligung für die Beschäftigung des Beschwerdeführers als Straßenreiniger, -kehrer erteilt worden sei. Diese Beschäftigungsbewilligung sei für den Zeitraum vom 22. November 2000 bis zum 21. November 2001 verlängert worden. Der Beschwerdeführer sei tatsächlich während dieses gesamten Zeitraumes immer wieder eingesetzt worden und zwar jeweils Montag, Mittwoch und Freitag bis zu fünf Stunden pro Tag. Dafür sei ihm monatlich ein Betrag von S 3.500,-- ausgezahlt worden. In der Begründung des angefochtenen Bescheides liege ein erheblicher Widerspruch, wenn darin einerseits die Aussage enthalten sei, durch die immer wieder erfolgte Abmeldung des Beschwerdeführers sei keine Beendigung seines Dienstverhältnisses angenommen worden, aber tatsächlich nur jeder Tag seiner tatsächlichen Arbeitsleistung gezählt werde. Im angefochtenen Bescheid werde nicht aufgezeigt, weshalb der Beschwerdeführer ein Taglöhner sei. Es sei mit ihm vereinbart worden, dass er ein ganzes Jahr hindurch geringfügig beschäftigt werde, nämlich an drei Tagen für einige Stunden pro Woche. Auf Grund seiner ständigen Dienstbereitschaft habe er davon ausgehen müssen, dass ein durchgehendes Arbeitsverhältnis vorliege. Auch komme es nicht darauf an, an wie vielen Tagen ein Antragsteller tatsächlich gearbeitet habe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Dazu replizierte der Beschwerdeführer.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 78/1998 lauten:
"§ 2. ...
(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung
a)
in einem Arbeitsverhältnis,
b)
in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,
c) in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5,
d)
nach den Bestimmungen des § 18 oder
e)
überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.
...
(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. ...
...
§ 7. ...
...
(6) Die Beschäftigungsbewilligung erlischt
1. mit Beendigung der Beschäftigung des Ausländers;
...
§ 14a. (1) Einem Ausländer ist auf Antrag eine Arbeitserlaubnis auszustellen, wenn der Ausländer in den letzten 14 Monaten insgesamt 52 Wochen im Bundesgebiet im Sinne des § 2 Abs. 2 mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war. Zeiten einer Beschäftigung
1.
gemäß § 3 Abs. 5 oder
2.
gemäß § 18 oder
3.
auf Grund einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 9 des Fremdengesetzes 1997 oder
4. auf Grund einer Beschäftigungsbewilligung, welcher eine Beschäftigung als Grenzgänger gemäß § 1 Abs. 11 des Fremdengesetzes 1997 zu Grunde liegt oder
5. auf Grund einer Beschäftigungsbewilligung für Künstler gemäß § 4a, werden nicht berücksichtigt."
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ausländer im Sinne des § 14a Abs. 1 erster Satz AuslBG während des in dieser Bestimmung angeführten Zeitraumes "erlaubt beschäftigt war", kommt es nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung auf eine Beschäftigung "im Sinne des § 2 Abs. 2" leg. cit. an, wobei allerdings Zeiten in den in den Z. 1 bis Z. 5 des § 14a Abs. 1 zweiter Satz AuslBG angeführten vorübergehenden oder atypischen Beschäftigungsformen nicht zu berücksichtigen sind, nämlich Zeiten der Beschäftigung als Volontär, Ferial- oder Berufspraktikant, als vom Ausland betriebsentsandte Arbeitskraft, als Saisonarbeitskraft nach § 9 des Fremdengesetzes 1997, als Grenzgänger gemäß § 1 Abs. 11 des Fremdengesetzes 1997 und als Künstler gemäß § 4a AuslBG (Beschäftigungsbewilligung auch ohne Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 bis 3 AuslBG).
Da es sich bei der vom Beschwerdeführer zurückgelegten Beschäftigung bei der Gemeinde Wien nicht - dies wird auch von den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht in Zweifel gezogen - um eine Beschäftigung in den in den Z. 1 bis Z. 5 des § 14a Abs. 1 zweiter Satz AuslBG angeführten vorübergehenden oder atypischen Beschäftigungsformen gehandelt hat, wäre im Beschwerdefall daher die Dauer der Beschäftigung des Beschwerdeführers zu prüfen gewesen.
In seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/09/0076, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 23. April 1992, Zl. 92/09/0020, dargelegt, dass die Wirkung des § 7 Abs. 6 AuslBG nicht schon dann eintritt, wenn bei gleichzeitiger Unterbrechung der Entgeltzahlung bloß die Erbringung der vereinbarten Arbeitsleistung für eine verhältnismäßig kurze Dauer unterbleibt und der Wille beider Vertragsteile auf die fortdauernde Rechtswirksamkeit des Beschäftigungsverhältnisses gerichtet ist. Er hat in beiden Erkenntnissen hervorgehoben, dass eine gegenüber dem zuständigen Sozialversicherungsträger abgegebene Abmeldungserklärung keinen dem Arbeitnehmer gegenüber wirksamen Rechtsgrund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses darstellt, wie dies etwa bei Entlassungs- oder Kündigungserklärungen oder beim Ablauf befristeter Arbeitsverträge der Fall wäre. Vielmehr stehe es den Vertragspartnern des Arbeitsvertrages grundsätzlich (innerhalb bestimmter Grenzen) frei, bei Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses etwa eine bloße Karenzierung der beiderseitigen Hauptpflichten oder aber dessen Beendigung und eine "spätere Fortsetzung" (das heißt eine "echte Unterbrechung") zu vereinbaren. Bei der Lösung der entscheidenden Frage, ob eine Unterbrechung (im Sinne von - wenn auch kurzfristiger - Beendigung) des Arbeitsverhältnisses oder eine bloße Karenzierung vorliegt, komme es auf den Inhalt der zwischen den Arbeitsvertragspartnern abgeschlossenen Vereinbarung an, die nach den Regeln des § 914 ABGB auszulegen sei (vgl. dazu etwa auch die hg. Erkenntnisse vom 29. März 2000, Zl. 98/08/0164, und vom 26. Januar 2000, Zl. 95/08/0153). Hiebei sei nicht so sehr auf die Wortwahl der Parteien, etwa auf den Gebrauch bestimmter Wendungen, wie z.B. die Verwendung des Wortes "Unterbrechung" (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 1985, Zl. 85/08/0067), sondern auf die von ihnen bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen abzustellen, wobei - in erster Linie - die Absicht der Parteien zu erforschen sei (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2000, Zl. 96/08/0262). Solle etwa der Arbeitnehmer auf Grund der Absprache nur vorübergehend mit der Arbeit aussetzen, sodass der Arbeitgeber zu einem späteren (schon fixierten) Zeitpunkt auf ihn wieder zurückgreifen kann und der Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt in gleicher Weise weiterarbeitet, so sei im Allgemeinen eine Aussetzung im eigentlichen Sinn, also eine Karenzierung anzunehmen.
Ähnliches wäre auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen gewesen. Nach dem in den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens einliegenden, den Beschwerdeführer betreffenden Auszug aus der zentralen Datenspeicherung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger war der Beschwerdeführer während eines gesamten Jahres im Beurteilungszeitraum weitgehend derart geringfügig beschäftigt gemeldet, dass zwischen den einzelnen Tagen einer Beschäftigung jeweils zumeist nur ein oder zwei Tage ohne Arbeitsleistung lagen; dies hätte nicht ohne weiteres als Beendigung der jeweils vorangehenden Beschäftigung gewertet werden dürfen. Auf Grund von Anträgen der Gemeinde Wien waren dem von der belangten Behörde unbestrittenen Beschwerdevorbringen zufolge dieser für den Beschwerdeführer auch jeweils für die Dauer eines gesamten Jahres gültige Beschäftigungsbewilligungen erteilt.
Bei dieser Sachlage wäre es daher - vor dem Hintergrund der gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise - nahe liegend gewesen, dass die Absicht der Vertragspartner der zwischen dem Beschwerdeführer und der Gemeinde Wien bestehenden vertraglichen Beziehungen - wie der Beschwerdeführer vorbringt - tatsächlich nicht auf die mehr als hundert Mal wiederholten Abschlüsse von isolierten Dienstverhältnissen als Tagelöhner für die Dauer von jeweils nur einigen Stunden, sondern auf das Bestehen eines längerfristigeren Verhältnisses gerichtet war, bei dem jeweils nur die konkreten Zeiten der Arbeitsleistung gesondert vereinbart wurden. Nur bei Vorliegen von außergewöhnlichen, nach der Aktenlage nicht ersichtlichen Umständen wäre dies zu verneinen gewesen.
Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, indem sie es unterließ, Feststellungen in dieser Hinsicht zu treffen. Sie hat daher ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weil der Beschwerdeführer bei Hinzurechnung auch jener Tage im Beurteilungszeitraum, die jeweils zwischen den einzelnen Tagen seiner Arbeitsleistungen lagen, einen für den Erwerb einer Arbeitserlaubnis gemäß § 14a AuslBG ausreichenden Zeitraum an Beschäftigung zurückgelegt hätte. Daher war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 18. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001090022.X00Im RIS seit
08.07.2002Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008