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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art138 Abs1 litbLeitsatz
Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktes bei Ablehnung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof und Zurückweisung der Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof mangels eines Rechtsschutzinteresses; Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen eine Ausweisung auch nach erfolgter Ausreise; Verweis auf VfSlg 14769/1997Spruch
I. Dem Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe wird stattgegeben.
II. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Entscheidung über die Beschwerde der L A gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Oktober 1994, Zl. SD 620/94, zuständig.
Der entgegenstehende Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1997, Zl. 95/18/1208, wird aufgehoben.
Der Bund (Verwaltungsgerichtshof) hat der Antragstellerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Oktober 1994 wurde der Berufung gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, mit dem die Beschwerdeführerin gemäß §17 Abs1 Fremdengesetz, BGBl. 838/1992, ausgewiesen worden war, keine Folge gegeben und es wurde der angefochtene Bescheid bestätigt.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Einschreiterin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 13. Juni 1995 die Behandlung der zu B2651/94 protokollierten Beschwerde gemäß Art144 Abs2 B-VG ablehnte. Zugleich trat er diese Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof iSd Art144 Abs3 B-VG zur Entscheidung darüber ab, ob die Beschwerdeführerin durch den bekämpften Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurde.
3. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Beschluß vom 13. November 1997, Zl. 95/18/1208-8, zurück; er begründete dies damit, daß die Beschwerdeführerin nach Erlassung des angefochtenen Bescheides, aber noch vor Einbringung der Beschwerde aus dem Bundesgebiet ausgereist sei und somit der Entscheidung über die Beschwerde bereits im Zeitpunkt ihrer Einbringung nur mehr abstrakt-theoretische Bedeutung zukäme. Mangels Rechtschutzinteresses sei die Beschwerde daher zurückzuweisen.
4. Mit ihrer nunmehrigen Eingabe stellt die Einschreiterin beim Verfassungsgerichtshof einen auf Art138 Abs1 litb B-VG (§46 Abs1 VerfGG 1953) gestützten Antrag auf Entscheidung eines (verneinenden) Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und dem Verfassungsgerichtshof andererseits.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Akten vorgelegt und eine schriftliche Äußerung erstattet, in welcher er mit näherer Begründung ausführt, daß der von der Antragstellerin geltend gemachte negative Kompetenzkonflikt nicht vorliege, weshalb der Antrag zurückzuweisen wäre.
II. Die Voraussetzungen für die
Gewährung der Verfahrenshilfe liegen vor; sie war deshalb zu gewähren.
III. Der Verfassungsgerichtshof
hat über den Antrag auf Entscheidung des behaupteten negativen Kompetenzkonfliktes erwogen:
1.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Äußerung den Standpunkt vertreten, daß er seine Zuständigkeit im vorliegenden Fall nicht abgelehnt habe. Die Zurückweisung der Beschwerde sei mangels Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde gemäß §34 Abs1 VwGG erfolgt. Werde die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit verneint und die Beschwerde aus diesem Grunde zurückgewiesen, habe der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung im Rahmen seiner Zuständigkeit getroffen, also seine Zuständigkeit eben nicht abgelehnt.
Ein negativer Kompetenzkonflikt liege jedoch nur dann vor, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gemäß §34 Abs1 VwGG wegen offenbarer Unzuständigkeit zurückweise, nicht aber, wenn die Zurückweisung aus einem anderen in dieser Bestimmung angeführten Grund erfolge. Ob durch den angefochtenen Bescheid eine Rechtsverletzungsmöglichkeit bestand, habe der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art131 Abs1 Z1 B-VG in jedem Fall - im Rahmen seiner Zuständigkeit - zu prüfen. Eine solche Prüfung setze aber bereits die Bejahung der Zuständigkeit voraus.
1.2. Die hier zu lösenden Rechtsfragen sind dieselben, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27.2.1997, KI-3/96, VfSlg. 14769/1997, zugrundelagen. Es genügt somit hier, auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses - eine Ausfertigung desselben ist angeschlossen - zu verweisen, aus welchem sich auch für den vorliegenden Fall ergibt, daß ein negativer Kompetenzkonflikt tatsächlich vorliegt und weiters, daß der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes, die Beschwerde zurückzuweisen, nicht dem Gesetz entsprach.
2. Es war daher einerseits auszusprechen, daß die Entscheidung über die Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Oktober 1994, Zl. SD 620/94, in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fällt; andererseits war dessen entgegenstehender Beschluß aufzuheben.
3. Der Kostenausspruch gründet sich auf §52 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von
S 3.000,-- enthalten.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, Fremdenrecht, Verwaltungsgerichtshof, Zuständigkeit Verwaltungsgerichtshof, RechtsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:KI24.1997Dokumentnummer
JFT_10009393_97K0I024_00