TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/18 99/01/0103

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Veröffentlicht am 18.04.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schimetits, über die Beschwerde des Y H B in W, geboren am 7. März 1966, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Februar 1999, Zl. 204.523/0-XII/37/98, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste am 25. Jänner 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 19. März 1998 Asyl. Befragt zu der bei der Antragstellung von ihm vorgelegten "Taufurkunde" der Syrisch-Orthodoxen Kirche, in der als Tag seiner Taufe der 19. März 1998 angeführt ist, gab der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 31. März 1998 Folgendes an:

"Ich bin der Überzeugung, daß das Christentum die richtige Religion für mich ist, ich studiere seit ca. 10 Jahren die Bibel. Im Islam wird man für diesen Glaubenswechsel umgebracht. Im Islam wird man als Freiwild angesehen, wenn man vom Islam 'austritt' und eine andere Religion annimmt.

F.: Meinen Sie damit, dass Sie in Ägypten als Rechtloser leben müßten und keinerlei staatlichen Schutz bekämen?

A.: Das Zivilrecht basiert auf französischem Recht, aber es steht aber über allem das islamische Recht. Die Trennung von Religion und Staat wird nur teilweise vollzogen. In der Verfassung steht festgeschrieben, daß das Rechtssystem ein Islamisches ist. Ich würde angezeigt und zwangsgeschieden werden. Man würde mich von meiner Frau scheiden, da Mischehen zwischen einer moslemischen Frau und einem christlichen Mann gesetzlich nicht zulässig ist. Meine Frau weiß konkret noch nicht von meinem Glaubenswechsel und meiner Taufe, sie weiß, daß ich mich zum christlichen Glauben hingezogen fühle. Ich möchte meine Frau und die Kinder nachkommen lassen, ich möchte vor allem die Kinder retten. Ich habe diesen Schritt mit meiner Frau noch nicht richtig ausdiskutiert, ich weiß aber, daß wir uns wegen meines Interesses am Christentum voneinander entfernt haben. Man würde mir meine Kinder aus diesem Grund wegnehmen, ob meine Frau in Folge bei mir bleibt oder nicht wird sich dann zeigen. Meine Frau wird sicher darauf achten, daß die Familie zusammenbleibt, denn unsere Kinder sind noch klein. Das Familienrecht in Ägypten ist islamisches Recht.

F.: Wie haben Sie zehn Jahre lang die Bibel studiert?

A.: Ich möchte zuvor noch angeben, was mir geschehen würde.

Zuerst würde ich bei AZHAR angezeigt werden, es handelt sich dabei um die theologische Institution des Staates. Man würde mich zweimal auffordern, wieder zum Islam zurückzukehren, und anschließend würde bei einem Strafgerichtshof das Todesurteil über mich gefällt. Das Todesurteil wird in diesem Fall sicher ausgeführt. Es würde aber keine offizielle Hinrichtung sondern es würde mir ein Unfall passieren.

Ich denke sehr viel nach, ich habe den Koran studiert und später auch die Bibel. Ich war das erste mal in einer Kirche im Jahr 1982 und zwar in der Stephanskirche in Wien. Auf Grund meines Aufenthaltes in Österreich habe ich über das Christentum sehr viel nachgedacht und habe nach meiner Rückkehr den Koran intensiver studiert. Das warf sehr viele Fragen bei mir auf.

Im Jahr 1986 oder 87 lernte ich einen Kopten kennen, mit dem ich über Religionen diskutierte, er sagt mir Dinge die mich anzogen, so beschloss ich mir die Bibel zu besorgen.

Nachdem ich die Bibel im Selbststudium gelesen hatte, besuchte ich seit 1991 die anglikanische Kirche. Nach mehreren Gottesdienstbesuchen wurde der Priester dort aufmerksam auf mich. Er ersuchte mich, nachdem er erfuhr dass ich Moslem bin, nicht mehr zur Messe zu kommen, sondern wenn ich wollte zu einer Diskussionsrunde über religiöse Themen kommen. Ich ging ca. vier Mal dorthin. Das letzte Mal war ich im Jahr 1992 dort, ich wurde aufgefordert nicht mehr zu kommen, da mich andere moslemische Leute sehen konnten. Dann würde nicht nur ich zu Schaden kommen sondern auch die anderen Teilnehmer.

F.: Ihr Asylantrag wurde am 19.3.1998 eingebracht, es ist dies zugleich das Ausstellungsdatum der vorgelegten Taufurkunde. Ist dies ein Zufall?

A.: Nachdem ich in diesem Jahr wieder nach Österreich gekommen bin, hatte sich Österreich sehr verändert. Ich wollte zuerst eine dauerhafte Bleibe finden, um die Taufe und ihre Vorbereitung ganz bewusst und in Ruhe erleben zu können. Nachdem ich aber keinen dauerhaften Aufenthaltsort finden konnte mußte ich warten, um Ruhe zu finden.

Es ist kein Zufall. Ich habe zwischen den christlichen Glaubensrichtungen keine Unterschiede gemacht, ich habe es zuerst bei der ägyptisch-koptischen Gemeinde versucht, sie haben mich aber nicht aufnehmen wollen, sie wollten nicht, daß der Eindruck entsteht, daß sie im Ausland um ägyptische Moslems werben. Sie haben mich aber an die Syrisch-orthodoxe Gemeinde verwiesen. Ich wurde von der Syrisch-orthodoxen Gemeinde 14 Tage lang geprüft, es gab Betreuer, viele Termine und Gespräche, ehe ich am 19.3.1998 getauft wurde. Ich habe mir anschließend überlegt, daß ich mich in einem christlichen Land weiter aufhalten und um Asyl ansuchen muß um meine neue Religion ausüben zu können.

Ich habe mich entschieden in Österreich zu bleiben, es ist für mich der einzige Weg, denn nach Ägypten kann ich nicht mehr als Christ zurückkehren.

Vorh.: Sie hatten keine andere Wahl, als in Österreich zu bleiben, da sie ja bereits ohne Papiere illegal nach Österreich eingereist sind und eine Weiterreise somit von vornherein nicht möglich war. Außerdem kann dieser Entscheidungsprozess nicht lange gedauert haben, da sie am gleichen Tag ihrer Taufe ha. persönlich einen Asylantrag eingebracht haben. Was sagen sie dazu?

A.: Ich habe mir schon beim Verlassen von Ägypten überlegt wie mein weiterer Lebensweg aussehen soll. Da ich schnelle Entscheidungen treffen kann, wusste ich nach der Taufe was ich machen soll.

Es ist richtig, daß ich keine Alternative hatte als hier zu bleiben, trotzdem wollte ich zuerst mein erstes Ziel, nämlich die Taufe erreichen, und mich erst dann um meinen Asylantrag kümmern.

Ich glaube, daß mein Weg von Gott vorgeschrieben ist, wie es auch in der Bibel steht, und das Gott es möglich gemacht hat, daß ich hier in Österreich getauft wurde. ...

Ich habe Ägypten nicht aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, es ging mir gut, sondern es ging mir nur um meinen Glauben.

F.: Hatten Sie vor Ihrer Ausreise irgendwelche Probleme mit den Sicherheitsbehörden?

A.: Nein, ich hatte keinerlei Probleme mit den Sicherheitsbehörden. Auch wurde ich sonst von niemanden verfolgt oder bedroht. Wenn ich aber meinen christlichen Glauben dort leben möchte, hätte ich mit allerhand Problemen bis hin zum Tod zu rechnen, und daher bitte ich um Schutz in Österreich. ...

F.: Was haben Sie konkret bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?

A.: Ich habe den sicheren Tod zu erwarten. Man würde mir zur Wahl stellen, mich hinzurichten oder die Rückkehr zum Islam zu wählen. Man würde mich auch foltern um zu erreichen, daß ich zum Islam zurückkehre. Man würde mich nicht offiziell hinrichten, sondern man würde mich durch einen Unfall umbringen lassen, da die ganze Sache mehr politisch als religiös ist. Die ägyptische Regierung würde nie offiziell aus solch einem Grund die Todesstrafe vollstrecken, da sie die Kritik der westlichen - bzw. christlichen Länder befürchtet. Davon bin nicht nur ich betroffen, das geht meine Familie genauso an, man würde zum Beispiel jetzt meinen Kindern die Ausreise verweigern wenn die Regierung erfährt, daß ich zum Christentum übergetreten bin."

Auf Grund einer Anfrage des Bundesasylamtes über die aktuelle Bedrohungssituation in Ägypten von vom Islam zum Christentum Konvertierter teilte die österreichische Botschaft in Kairo in einem Schreiben vom 4. Mai 1998 mit, dass die Konvertierung eines Moslems zum Christentum im Islam als Apotheose und somit als Verbrechen angesehen werde. In Ägypten gebe es eine starke christliche Minderheit; die Verfassung gewähre Glaubensfreiheit und die freie Ausübung religiöser Riten. Ein Konvertit werden seitens des Staates nicht verfolgt. Allerdings gebe es in der moslemischen Gesellschaft starke Vorbehalte gegen den Abfall vom Islam und es könne auch vorkommen, dass lokale Behörden einem Konvertiten die Annahme eines neuen christlichen Namens in den offiziellen Dokumenten verweigerten. Es sei schwer vorstellbar, dass der Beschwerdeführer allein auf Grund seines Religionswechsels nicht mehr nach Ägypten zurückkehren dürfe, zumal sich die Frage stelle, wie ein Grenzbeamter den Religionswechsel feststellen könne. Allerdings könnte der Beschwerdeführer in seinem Heimatort (vor allem, wenn es sich um eine ländliche Gemeinde handle) Anfeindungen ausgesetzt werden, wenn seine Konversion bekannt würde.

Mit Bescheid vom 29. Juni 1998 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellt gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ägypten fest. Zur Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr nach Ägypten verwies das Bundesasylamt auf die Mitteilung der österreichischen Botschaft vom 4. Mai 1998, aus der das Bundesasylamt schloss, dass eine staatliche Verfolgung von Konvertiten in Ägypten ausgeschlossen sei. Das Oberhaupt der koptischen Kirche - so das Bundesasylamt weiter - habe anlässlich einer im Frühjahr 1998 in der ägyptischen Presse "hochgespielten Diskussion über die Gleichberechtigung der Kopten in Ägypten" darauf hingewiesen, dass Kopten in Ägypten Bürger mit sämtlichen Rechten und Pflichten wären. Im April 1998 habe das Oberhaupt der Koptischen Kirche bei einem Besuch in Österreich festgestellt, dass seine Glaubensgemeinschaft in Ägypten keine verfolgte Minderheit sei. Somit sei es nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Ägypten Verfolgung drohe.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die Feststellungen zu seiner Bedrohungssituation könnten angesichts der vielen bei Anschlägen fundamentalistischer Moslems getöteten koptischen Christen nur als grobe Verharmlosung der tatsächlichen Zustände in Ägypten bezeichnet werden und entbehrten jeglicher Grundlage. Angesichts der Bedrohung koptischer Christen würde sich deren Oberhaupt im Ausland nicht öffentlich gegen den ägyptischen Staat stellen. In einem Bericht von "ai-Bonn" heiße es: "... Konvertiten sind gefährdet, wegen ihres Übertritts vom Islam zum Christentum durch die ägyptischen Behörden verfolgt, inhaftiert und angeklagt zu werden. ..." In zahlreichen Berichten fänden sich Informationen über den mangelnden Schutz von Konvertiten bzw. deren staatliche Verfolgung. Der Berufung legte der Beschwerdeführer die in ihr angeführten Berichte bei.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 1998 übermittelte das Bundesasylamt der belangten Behörde eine am selben Tag mit der seit Juli 1998 in Österreich aufhältigen Ehefrau des Beschwerdeführers aufgenommene Niederschrift, in der es unter anderem heißt:

"Im April 1998 bat ich meinen Mann nochmals zurückzukommen, da ich den Eindruck hatte, dass er mit seiner Abwesenheit eher das Leben von mir und den Kindern zerstören würde. Inzwischen hat er mir zwar gesagt, dass er in Österreich ist, sagte wieder nicht zurückkehren zu können, gab mir aber dafür keine Gründe an. Ich wandte mich nun an seinen Bruder Mustafa, der beim Flughafen arbeitet und bat diesen zu intervenieren. Er gab mir die Auskunft, dass mein Mann am Flughafen auf der Fahndungsliste stehen würde. Dies nach mehrmaligen Ersuchen meinerseits, das Mustafa versuchen möge, seinen Bruder zu beeinflussen. Anfänglich schlug Mustafa meine Bedenken in den Wind, sagte mir ich sei verrückt, und mein Mann würde Geschäften nachgehen. Zirka Ende April klopfte es eines Tages als ich an der Tür fragte wer da sei, sagte man mir Staatssicherheitspolizei. Ich sah durch den Spion und sah zwei Männer draußen stehen, lief zum Telefon und rief Mustafa an. Dieser beruhigte mich und meinte ich hätte nichts zu befürchten oder zu verstecken.

Ich öffnete dann die Tür es waren drei Männer die eintraten und zwei fingen an alles zu durchsuchen. Sie beschlagnahmten Bücher meines Mannes, alle Geschäftskorrespondenz (Faxe), und alle Computerdisketten. Es waren auch sie, die mir zum ersten Mal sagten, dass mein Mann in Österreich um Asyl angesucht habe. Befragt woher diese das gewusst hätten, gebe ich an, dies nicht zu wissen.

Ich musste mit den Beamten mitgehen, und wurde in die Zentrale des Staatssicherheitsdienstes in "la Zuoghli" in Kairo gebracht, dort hielt man mich zwei Tage fest, verhörte mich und wollte wissen, waru mein Mann um Asyl angesucht hat, wer seine Kontakte und Freunde sind. Ich konnte keine Angaben dazu machen, da ich davon nichts wußte. Während dieser 2 Tage wurde ich geschlagen, das Kopftuch wurde mir heruntergerissen und letztendlich vergewaltigt. Nächsten Tag konnte ich heimgehen, erlitt einen Nervenzusammenbruch und bat Mustafa, mir unbedingt zu helfen, weil ich unter diesen Umständen nicht mehr in Kairo leben konnte. ... Ich hatte mir vor meiner Ausreise die Telefonnummer meines Mannes in Wien geben lassen, und rief ich vom Flughafen Wien Schwechat an. Da er nichts von unserer Reise wußte, überraschte ihn dieser Anruf sehr. Auch wußte er nichts von den Problemen die ich wegen seiner Asylantragstellung zu Hause hatte. ...

Es ist für meinen Mann unmöglich nach Ägypten zu gehen, da er dort entweder umgebracht wird oder eine lebenslange Haftstrafe zu verbüßen hätte."

Im Anschluss an ihre Einvernahme stellte die Ehefrau des Beschwerdeführers für sich und ihre drei mitgereisten Kinder einen Asylerstreckungsantrag.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten zulässig sei.

In der Begründung erklärte die belangte Behörde das im erstinstanzlichen Bescheid "richtig und vollständig wiedergegebene" Vorbringen auch zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Nach Wiedergabe des wesentlichen Berufungsvorbringens sowie des Inhaltes der Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers kam die belangte Behörde im Gefolge von rechtlichen Überlegungen zu dem Schluss, dass auf der Grundlage der Behauptungen des Beschwerdeführers - unter Berücksichtigung der Aussage seiner Ehefrau - keine Verfolgungssituation habe glaubhaft gemacht werden können. Allein die Zugehörigkeit zur christlichen Minderheit in Ägypten sei selbst unter Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Übergriffe gegen Angehörige dieser Minderheit bzw. gegen zu ihr Übergetretene nicht geeignet, eine allgemeine, die Lebensgrundlage bedrohende bzw. den Aufenthalt unerträglich machende Verfolgung von Angehörigen des christlichen Glaubens darzutun. Eine konkrete Verfolgung habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Die Übergriffe islamischer Fundamentalisten seien nicht dem Staat zurechenbar, der seit 1992 mit aller Härte gegen militante Islamisten vorgehe. Aus den mit der Berufung vorgelegten Berichten ließe sich die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungssituation von Christen in Ägypten nicht ableiten. Dem von der Ehefrau des Beschwerdeführers geschilderten Übergriff ägyptischer Sicherheitskräfte im April 1998 schenkte die belangte Behörde deshalb keinen Glauben, weil der Beschwerdeführer schon im März 1998 bei seiner Einvernahme gemeint habe, seine Frau und seine Kinder nachkommen lassen zu wollen. Auch sei nicht erklärbar - so die belangte Behörde weiter -, woher die ägyptischen Beamten ihr Wissen über den vom Beschwerdeführer gestellten Asylantrag gehabt hätten. Selbst wenn man den von der Ehefrau des Beschwerdeführers geschilderten Vorfall vom April 1998 als wahr erachte, habe sie bis zu ihrer Ausreise Ende Juli 1998 unbehelligt in Ägypten gelebt, was gegen eine Verfolgung spreche. Den Sachverhalt sah die belangte Behörde als aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Berufungsvorbringen geklärt an und nahm deshalb von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt in seiner Beschwerde, dass die belangte Behörde ohne Erörterung der Aussage seiner Ehefrau im Rahmen einer mündlichen Verhandlung von einem geklärten Sachverhalt ausgegangen sei. Schon mit diesem Argument zeigt der Beschwerdeführer einen Verfahrensfehler der belangten Behörde auf, weil sie sich mit der ihr vom Bundesasylamt übermittelten Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers beweiswürdigend auseinander gesetzt hat, ohne eine mündliche Verhandlung, in der der Beschwerdeführer mit diesem Ermittlungsergebnis konfrontiert worden wäre, durchgeführt zu haben (vgl. das Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0475).

Abgesehen davon hält der die Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers betreffende Teil der Beweiswürdigung der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht stand. Der von der belangten Behörde zunächst aus der zeitlichen Abfolge der Ereignisse - die Ankündigung des Beschwerdeführers, seine Familie nach Österreich nachkommen lassen zu wollen, erfolgte im März 1998 und damit vor dem von seiner Ehefrau geschilderten Vorfall (April 1998) - gezogene Schluss auf die Unglaubwürdigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers ist nämlich weder zwingend noch nahe liegend. Auch ist durchaus vorstellbar, dass die ägyptische "Staatssicherheitspolizei" vom Asylantrag des Beschwerdeführers Kenntnis erlangt hat, zumal die österreichische Botschaft in Kairo - wie eine im Anschluss an die Aktenvorlage nachgereichte Auskunft des ägyptischen Außenministeriums, wonach der Beschwerdeführer und seine Ehefrau nicht gesucht würden und weder angeklagt noch inhaftiert gewesen seien, zeigt - offenbar unter Missachtung des § 21 Abs. 2 2. HS AsylG mit den ägyptischen Behörden in Kontakt getreten ist. Stützt die belangte Behörde ihre die Zeugin belastende Beweiswürdigung in diesem Punkt auf die mangelnde Erklärbarkeit der Herkunft dieses Wissens, ist auch damit aber noch nichts über die Glaubwürdigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers gesagt. Mit diesen Argumenten gelang es der belangten Behörde daher nicht, die Unglaubwürdigkeit der Zeugin nachvollziehbar und somit schlüssig zu begründen.

Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind auch relevant, weil wegen der - soweit sich den Mitteilungen der ägyptischen "Staatssicherheitspolzei" entnehmen lässt - zumindest "offiziell" als Folge der Stellung des Asylantrages durch den Beschwerdeführer in Österreich gegen seine Ehefrau gerichteten Verfolgungshandlungen in Ägypten nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch der Beschwerdeführer selbst Verfolgung zu befürchten hätte, zumal nach der in Frage stehenden Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers dieser bereits auf einer Fahndungsliste aufgeschienen sein soll.

Abschließend ist darauf zu verweisen, dass die in dem von der belangten Behörde zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes herangezogenen Erkenntnis vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0052, dargestellten Rechtssätze auf den vorliegenden Fall wegen der hier in Frage stehenden konkreten staatlichen Verfolgung des Beschwerdeführers nicht übertragbar sind. In dem genannten, ebenfalls einen in Österreich zum christlichen Glauben übergetretenen Ägypter betreffenden Erkenntnis, begründete der Verwaltungsgerichtshof das Fehlen asylrelevanter Verfolgung von Konvertiten in Ägypten damit, dass schon wegen des hohen Anteils von Christen an der Gesamtbevölkerung (damals rund 12%) die vom dortigen Beschwerdeführer ins Treffen geführten Übergriffe gegen Angehörige dieser Minderheit bzw. gegen zu ihr Übergetretene nicht geeignet seien, eine allgemeine, die Lebensgrundlagen bedrohende bzw. den Aufenthalt unerträglich machende Verfolgung von Angehörigen des christlichen Glaubens in Ägypten darzutun. Wie ausgeführt unterscheidet sich dieser Fall vom vorliegenden - abgesehen von seit damals möglicher Weise eingetretenen Änderungen im Sachverhalt - dadurch, dass der Beschwerdeführer dort keine konkrete individuelle Verfolgung wegen seines Glaubenswechsels behauptet hat, während im Beschwerdefall nach dem Gesagten auf Grund der gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers gerichteten Maßnahmen eine Verfolgung des Beschwerdeführers selbst aus asylrelevanten Gründen nicht ausgeschlossen werden kann.

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass der belangten Behörde Verfahrensfehler unterlaufen sind, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 18. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999010103.X00

Im RIS seit

08.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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