TE Vfgh Erkenntnis 1999/6/7 B1549/98

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Veröffentlicht am 07.06.1999
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
StGG Art13
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EMRK Art10
ÄrzteG §95 Abs1
ÄrzteG §98 Abs4

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arzt wegen verbotener Werbung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Beschwerdeführer ist praktischer Arzt und Gemeindearzt in Oberösterreich. Daneben ist er Gesellschafter der "Impuls Gesundheitsberatung Dr. G A KEG". Unstrittig ist, daß durch mehrere Anzeigen und Artikel in lokalen Zeitungen über diese als "Institut" bezeichnete Einrichtung informiert und für sie Werbung gemacht wurde. Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß alle Behandlungen nur "unter ärztlichem Beirat" stattfinden. Die Anzeigen und Artikel enthalten weiters Hinweise auf "Diagnosen" und "Therapien". Des weiteren waren in den Räumen des Institutes Broschüren aufgelegt, in denen die Methoden und Erfolge der dort angebotenen "Diagnosen" und "Therapien" werbend erläutert werden.

2. Der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Oberösterreich und Salzburg sah durch die genannten Inserate und Artikel und die erwähnten Broschüren den Tatbestand des §95 Abs1 Z1 und 2 ÄrzteG 1984 erfüllt und verhängte über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von öS 20.000,--.

3.1. Die dagegen an den Disziplinarsenat der Österreichischen Ärztekammer beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales gerichtete Berufung des Beschwerdeführers hatte nur insoweit Erfolg, als dem Beschwerdeführer auf Grundlage des ergänzten Beweisverfahrens nun nicht mehr auch die Versendung der erwähnten Broschüren vorgeworfen wurde. Ansonsten bestätigte der Disziplinarsenat den Bescheid der Disziplinarkommission.

3.2.1. Der Disziplinarsenat hielt es für erwiesen, daß den Beschwerdeführer wesentliche Verantwortung für die inkriminierten Artikel und Anzeigen treffe, weil dieser von den Veröffentlichungen und ihrem Inhalt Kenntnis gehabt habe und bei einzelnen Terminen mit Vertretern der veröffentlichenden Zeitungen sogar, wenn auch nur vorübergehend, anwesend gewesen sei. Einen der Artikel habe der Beschwerdeführer selbst aus medizinischer Sicht kontrolliert und freigegeben. Im Hinblick darauf, daß Art6 der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer den Ärzten aufträgt, in zumutbarer Weise dafür Sorge zu tragen, daß auch von dritter Seite keine standeswidrige Werbung für sie betrieben wird und unter Würdigung der Tatsache, daß in den inkriminierten Einschaltungen der Beschwerdeführer namentlich aufschien, sah der Disziplinarsenat den Tatbestand der Verbreitung von das Standesansehen beeinträchtigenden Informationen als erfüllt an.

3.2.2. Der Disziplinarsenat würdigte es als Indiz für das Vorliegen einer unzulässigen Werbung im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers, daß sein Institut über einen gemeinsamen Eingang mit seiner Ordination verfüge, daß der Beschwerdeführer selbst das Einführungs- und das Schlußgespräch mit den "Klienten" seines Institutes führe, sowie daß bei Klienten der Eindruck entstehen könne bzw. entstanden sei, es handle sich bei den im Institut angebotenen Behandlungen um ärztliche Therapien. In den inkriminierten Einschaltungen seien u.a. die Behandlung von Schmerzen, Entzündungen und Allergien sowie von Pilzbefall in Aussicht gestellt worden, was klar auf eine Werbung hinweise, die im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers stehe. Auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Absicht, lediglich vorbeugend zu wirken, gehe ins Leere, weil auch die Vorbeugung von Erkrankungen gemäß §1 Abs2 Z5 ÄrzteG 1984 zu den ärztlichen Tätigkeiten zähle. Desgleichen würden auch von Ärzten Behandlungsmaßnahmen gesetzt, die diesem Berufsstand nicht ausschließlich vorbehalten seien. Es erscheine auch irrelevant, ob durch die fraglichen Einschaltungen für das Institut oder für den Beschwerdeführer selbst geworben worden sei, weil auch dem Institut standeswidrige Werbung untersagt und der Beschwerdeführer in beiden Fällen verantwortlich sei.

3.2.3. Abschließend wertete der Disziplinarsenat die Werbung des Beschwerdeführers in einigen - näher dargetanen und mit Zitaten belegten u Punkten als marktschreierisch, in anderen als unsachlich. Den Vorwurf der Versendung eines Flugblattes hielt die belangte Behörde nicht für erwiesen, da das fragliche Flugblatt lediglich in den Institutsräumen aufgelegt worden sei.

4. Gegen diesen Bescheid des Disziplinarsenates wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Entscheidung durch ein Tribunal i.S.d. Art6 EMRK, auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Meinungs- und Werbefreiheit nach Art10 EMRK und Art13 StGG sowie auf Freiheit der Erwerbsausübung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

II. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer behauptet, im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein. Er untermauert dies mit der Behauptung, §98 Abs4 ÄrzteG 1984 erlaube die Mitwirkung eines bereits in den Ruhestand getretenen Richters und verstoße damit gegen Art133 Z4 B-VG, weshalb der Disziplinarsenat als Kollegialbehörde in unrichtiger Zusammensetzung entschieden habe.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag die Bedenken des Beschwerdeführers nicht zu teilen. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei der in VfSlg. 11933/1988 getroffenen Feststellung, wonach ein Richter im Ruhestand kein Richter im Sinne des Art133 Z4 B-VG ist. Demgemäß schließt es die Verwendung des Begriffs "Richter" im Zusammenhang mit der Anordnung, daß dieser den Vorsitz im Disziplinarsenat zu führen habe, in §98 Abs4 ÄrzteG 1984 bei verfassungskonformer Interpretation aus, daß ein nicht mehr dem aktiven Dienststand angehörender Richter zum richterlichen Mitglied des Disziplinarsenates bestellt wird. Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch keine Veranlassung, von seiner in VfSlg. 11933/1988 dargelegten Rechtsauffassung abzugehen, wonach keine Verfassungsvorschrift den einfachen Gesetzgeber dazu verpflichtet, festzulegen, daß ein richterliches Mitglied einer nach Art133 Z4 B-VG eingerichteten Behörde, wenn es als Richter in den Ruhestand tritt, auch sein Amt als Mitglied dieser Behörde verliert oder davon zu entheben ist. Der Beschwerdeführer ist daher weder durch die Mitwirkung eines als Richter bereits in den Ruhestand getretenen Mitgliedes in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter noch durch Anwendung eines im Hinblick auf Art133 Z4 B-VG verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

2.1. Der Beschwerdeführer behauptet u gestützt auf die jüngere Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte wie auch des VfGH u eine Verletzung in seinem durch Art6 EMRK gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor einem unparteiischen Gericht. Der Beschwerdeführer leitet allein aus dem Umstand, daß das richterliche Mitglied des Disziplinarsenates als Richter bereits in den Ruhestand getreten sei, den "äußeren Anschein" der fehlenden Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ab.

2.2. Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Allein aus der Ruhestandsversetzung eines richterlichen Mitgliedes einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag folgt für den äußeren Anschein der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nichts.

3.1.1. Zu den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Freiheit der Erwerbsausübung führt der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, die inkriminierten Anzeigen und Artikel seien weder von ihm in seiner Eigenschaft als Arzt geschaltet worden, noch hätten sie ihn in dieser Eigenschaft betroffen. Vielmehr habe es sich bei den genannten Einschaltungen um Werbung für die "Impuls Gesundheitsberatung Dr. G A KEG" gehandelt, deren Gesellschafter er zwar sei, in deren Rahmen und Auftrag er aber keinerlei ärztliche Tätigkeit erbringe.

Indem die belangte Behörde somit ein Verhalten bestraft habe, das in keinem Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit stehe, habe sie zum einen ihren Wirkungsbereich überschritten und eine Zuständigkeit wahrgenommen, die ihr nach dem Gesetz nicht zustehe, wodurch sie den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art83 Abs2 B-VG verletzt habe.

3.1.2. Zum anderen habe die belangte Behörde dem Gesetz einen verfassungswidrigen, weil gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt:

Während nämlich andere gewerblich tätige Gesundheitsinstitute unbeschränkt kommerzieller Werbung nachgehen könnten, sei er als Gesellschafter der genannten KEG schlechter gestellt, weil er, da er gleichzeitig Arzt sei, ständig disziplinarrechtliche Maßnahmen befürchten müsse. Andere gewerbliche Gesundheitsinstitute, die ohne Beteiligung eines Arztes geführt würden, seien dieser Gefahr nicht ausgesetzt und damit in unsachlicher Weise bessergestellt.

Schließlich verletze der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung, indem er ihn der Gefahr aussetze, jedesmal bestraft zu werden, wenn sein Institut durch Einschaltungen am freien Wettbewerb teilnehme. Als Gesellschafter des Institutes sei er dadurch an der freien Entfaltung seiner Erwerbstätigkeit gehindert.

3.2.1. Auch mit diesen Vorwürfen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:

3.2.2. Der Verfassungsgerichtshof kann der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie unter Hinweis auf zahlreiche Fakten davon ausgeht, daß ein Zusammenhang zwischen der Werbetätigkeit für das Institut des Beschwerdeführers und seiner ärztlichen Tätigkeit besteht: Alle inkriminierten Artikel und Anzeigen enthalten Hinweise auf den "ärztlichen Beirat", unter dem sämtliche angebotenen Behandlungen erfolgen würden; in allen Einschaltungen wird der Beschwerdeführer namentlich und unter Angabe seines akademischen Grades genannt. Die im angefochtenen Bescheid in extenso gewürdigten Indizien sprechen allesamt dafür, daß die belangte Behörde zurecht von einem Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes durch den Beschwerdeführer ausging. Eine Bestrafung der "Impuls Gesundheitsberatung Dr. G A KEG" erfolgt durch den angefochtenen Bescheid ebensowenig, wie eine Bestrafung des Beschwerdeführers für Handlungen, die in keinem Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit stehen und daher außerhalb des Wirkungsbereiches des Disziplinarsenates der Österreichischen Ärztekammer lägen.

3.2.3. Aus denselben Gründen ist auch eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz nicht gegeben: Das Verbot marktschreierischer oder unsachlicher Werbung, die sich des Hinweises auf die ärztliche Qualifikation eines Gesellschafters oder Mitarbeiters bedient, gilt auch für nichtärztliche Gesellschafter oder Mitarbeiter solcher Institute. Überdies geht ein Vergleich mit gewerblichen Instituten, die über keinen ärztlichen Gesellschafter oder Mitarbeiter verfügen, insoweit ins Leere, als der angefochtene Bescheid ohnehin nur jene Passagen der inkriminierten Einschaltungen aufgreift, die mit der drztlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in Zusammenhang gebracht werden können.

3.2.4. Als Arzt und Gesellschafter einer KEG unterliegt der Beschwerdeführer somit keinen anderen Beschränkungen als andere Ärzte, die zugleich gewerblich tätig sind. Das Verbot unsachlicher oder marktschreierischer Werbung für ärztliche Leistungen liegt unbestrittenermaßen im öffentlichen Interesse. An der Verfassungsmäßigkeit, insbesondere der Verhältnismäßigkeit der bezughabenden Vorschriften des Ärztegesetzes hegt der Verfassungsgerichtshof keinen Zweifel. Daß die im vorliegenden Beschwerdefall konkret ausgesprochene Strafe unverhältnismäßig gewesen sei, wird vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Soweit der Beschwerdeführer durch seine Ausführungen auch für die "Impuls Gesundheitsberatung Dr. G A KEG" einen Eingriff in deren Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung geltend machen zu wollen scheint, ist er darauf zu verweisen, daß die genannte KEG nicht Adressatin des angefochtenen Bescheides ist.

4. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers hält der Verfassungsgerichtshof auch den Spruch des angefochtenen Bescheides für ausreichend konkretisiert, weshalb ein eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter oder auf Gleichheit vor dem Gesetz begründender Vollzugsfehler nicht vorliegt.

5.1. Schließlich erblickt der Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid eine Verletzung des Art10 EMRK und des Art13 StGG, ohne allerdings dies näher zu begründen. Soweit der Beschwerdeführer die "Impuls Gesundheitsberatung Dr. G A KEG" in ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung für verletzt erachtet, ist ihm wiederum entgegenzuhalten, daß diese KEG nicht Adressatin des angefochtenen Bescheides ist.

5.2. Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch keinen Zweifel, daß der angefochtene Bescheid mit dem Grundrecht des Beschwerdeführers auf Freiheit seiner Meinungsäußerung nach Art10 EMRK im Einklang steht: Die Rechtsprechung des EGMR hat deutlich gemacht, daß kommerzielle Werbung zwar vom Schutzbereich des Art10 Abs1 EMRK erfaßt wird, daß sie aber nach Art10 Abs2 EMRK strengeren Beschränkungen unterworfen werden darf, als andere Formen der Mitteilung von Meinungen, Ideen und Informationen (vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., 1996, Rz 9, 27 zu Art10 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Der angefochtene Bescheid greift somit zwar in das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung ein; der Verfassungsgerichtshof hält diesen Eingriff im Lichte der zitierten Rechtsprechung aber für verhältnismäßig und vom Gesetzesvorbehalt des Art10 Abs2 EMRK gedeckt.

6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

7. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

8. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Ärzte, Disziplinarrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, Erwerbsausübungsfreiheit, Werbung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B1549.1998

Dokumentnummer

JFT_10009393_98B01549_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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