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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des HH in W, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer und Dr. Alois Autherith, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Utzstraße 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. Februar 2002, Zl. RU6-St-H-0113/0, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Wie sich aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt, entzog die Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya mit Bescheid vom 22. März 2001 dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A, B, C1, C, E, F und G auf die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Zustellung (26. März 2001), und erkannte einer dagegen eingebrachten Berufung die aufschiebende Wirkung ab.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. Februar 2002 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich der Berufung keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Begründend wurde ausgeführt, Anlass für die Entziehung durch die Behörde erster Instanz habe der Vorfall vom 19. Juni 2000 gebildet, bei dem der Beschwerdeführer um 5.43 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Lastkraftwagens (einschließlich eines ebenfalls dem Kennzeichen nach bestimmten Anhängers) im Gemeindegebiet von G. auf der B 37 in Richtung Krems/Donau auf Höhe km 16,150 unter besonders gefährlichen Verhältnissen (nicht einsehbare Linkskurve in Fahrtrichtung) mehrspurige Kraftfahrzeuge auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" (§ 52 lit. a Z. 4a StVO 1960) gekennzeichnet gewesen sei, links überholt habe. Auf Grund der Länge der überholten Kolonne (ca. 5 Pkw) und des benützten Fahrzeuges seien sowohl "in geometrischer Hinsicht" als auch hinsichtlich der Fahrdynamik die Möglichkeiten für den Abbruch des Manövers und des frühzeitigen Wiedereinordnens nicht gegeben gewesen. Der vom Beschwerdeführer während des Überholvorganges benützte Fahrstreifen habe dem bergwärts fahrenden Gegenverkehr als Überholstreifen gedient und sei dementsprechend von Fahrzeugen mit hohen Geschwindigkeiten benutzt worden. Laut Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrstechnik vom 12. Dezember 2000 sei dem untersuchten Überholvorgang ein Verhalten zu Grunde gelegen, das an sich geeignet gewesen sei, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, weil das bestehende und durch eine doppelte Sperrlinie unterstützte Überholverbot bei keinesfalls ausreichenden Sichtverhältnissen und unter weiteren erschwerenden Umständen übertreten worden sei. Nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften führte der Landeshauptmann von Niederösterreich aus, mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya vom 10. Jänner 2001 sei wegen des erwähnten Vorfalles gemäß § 16 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 2.000,-- verhängt worden.
§ 7 Abs. 3 Z. 3 des Führerscheingesetzes (FSG) gleiche im Wesentlichen § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 in der Fassung der 17. KFG-Novelle. Der Verwaltungsgerichtshof habe zu dieser Bestimmung in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass in Anbetracht der Bindungswirkung einer rechtskräftigen Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 die Kraftfahrbehörde jedenfalls auch vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 auszugehen habe. Diese Rechtsprechung komme in gleicher Weise zum Tragen, wenn das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG zu beurteilen sei, weshalb die Einholung eines neuen Gutachtens eines Amtssachverständigen für Verkehrstechnik habe unterbleiben können. Auch im Rahmen der Wertung habe die Erstbehörde davon auszugehen gehabt, dass der Beschwerdeführer die der Bestrafung zu Grunde liegende Übertretung begangen habe. Dazu gehörten auch die Sachverhaltselemente, aus denen die Verwaltungsstrafbehörde die Erfüllung des Tatbestandes nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 abgeleitet habe. Im vorliegenden Fall sei dies insbesondere das Hinwegsetzen über das bestehende und durch eine doppelte Sperrlinie unterstützte Überholverbot bei keineswegs ausreichenden Sichtverhältnissen. Im Hinblick darauf, dass in der Zeit vom 19. Juni 2000 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides das Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt worden und auch das Entziehungsverfahren anhängig gewesen sei und dem Wohlverhalten während der Anhängigkeit dieser Verfahren geringeres Gewicht zukomme als einem Wohlverhalten zu Zeiten, in denen dies nicht der Fall sei, habe das in kraftfahrrechtlicher Hinsicht an den Tag gelegte Wohlverhalten in der genannten Zeit im Zusammenhalt mit der Tatsache, dass dem Beschwerdeführer zuletzt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya vom 11. Mai 1999 wegen eines am 24. April 1999 gesetzten Alkoholdeliktes die Lenkberechtigung auf die Dauer von drei Monaten entzogen worden sei, nicht zum Ergebnis führen können, dass die dem erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde liegende Prognose, der Beschwerdeführer würde seine Verkehrszuverlässigkeit erst am 26. Juni 2001 wieder erlangen, verfehlt wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Im Beschwerdefall sind das FSG sowie die StVO 1960 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/1999 maßgeblich.
Die einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):
"§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
3. Als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, ...; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;
...
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ... .
..."
§ 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 lautete:
"§ 99.
...
(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,
...
c) wer als Lenker eines Fahrzeuges, z.B. beim Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, insbesondere Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen oder Radfahrer, die Radfahrerüberfahrten vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert
..."
Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass der Beschwerdeführer wegen des Überholmanövers am 19. Juni 2000 mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya vom 10. Jänner 2001 gemäß § 16 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 bestraft wurde. Unbestritten bleibt weiters die Feststellung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei zuletzt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya vom 11. Mai 1999 wegen eines am 24. April 1999 begangenen Alkoholdeliktes die Lenkberechtigung die Lenkberechtigung in der Dauer von drei Monaten entzogen worden.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat in Anbetracht der Bindungswirkung einer rechtskräftigen Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 die Kraftfahrbehörde jedenfalls auch vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 99/11/0035, mit weiteren Nachweisen zur Judikatur zu § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 in der Fassung der 17. KFG-Novelle). Auch im Rahmen der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung hatte die belangte Behörde, wie sie zutreffend erkannte, davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die seiner Bestrafung zu Grunde liegende Übertretung begangen hat. Dazu gehören, von der belangten Behörde entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ebenfalls zutreffend erkannt, auch die Sachverhaltselemente, aus denen die Verwaltungsstrafbehörde die Erfüllung des Tatbestandes nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 abgeleitet hat (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999). Im vorliegenden Fall sind dies, wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde selbst hervorhebt, die Länge der überholten Kolonne und des vom Beschwerdeführer benutzten Fahrzeuges (samt Anhänger), und die damit verbundene praktische Unmöglichkeit des Abbruches des Überholmanövers und des vorzeitigen Wiedereinordnens sowie der Umstand, dass der benützte Fahrstreifen dem bergwärts fahrenden Gegenverkehrsüberholstreifen diente und entsprechend von Fahrzeugen mit hoher Geschwindigkeit benützt wurde (die Feststellung der belangten Behörde, das Überholmanöver sei in einer Linkskurve erfolgt, wird vom Beschwerdeführer ebenfalls nicht bestritten).
Vor diesem Hintergrund hegt der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis im Hinblick auf die oben wiedergegebenen, für die Wertung maßgeblichen Umstände keine Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei auf Grund des der Bestrafung zu Grunde liegenden Verhaltens verkehrsunzuverlässig (gewesen). Auf Grund des von der belangten Behörde ausdrücklich herangezogenen Umstandes der Entziehung der Lenkberechtigung auf die Dauer von drei Monaten im Jahr 1999 auf Grund eines etwas mehr als ein Jahr vor dem verfahrensgegenständlichen Vorfall begangenen Alkoholdeliktes kann auch die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bis zum 26. Juni 2001 verkehrsunzuverlässig gewesen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in den von ihm geltend gemachten Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde ohne weiteres
Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 23. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002110063.X00Im RIS seit
01.07.2002