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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FSG 1997 §25;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. Georg Uitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. September 2001, Zl. MA 65 - 8/392/2001, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen B, C, D und E für die Dauer von zwei Jahren, gerechnet ab der am 20. September 2000 erfolgten Zustellung des Mandatsbescheides und ohne Einrechnung von Haftzeiten, entzogen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. April 2001 wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall in Verbindung mit § 87 Abs. 1 StGB und der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z. 1 und 4 Waffengesetz schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden. Er sei für schuldig erkannt worden, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter in der Zeit vom 6. bis etwa 13. August 2000 S.D. dadurch, dass sie diese in ihrer Wohnung einsperrten und bewachten, widerrechtlich gefangen gehalten zu haben, und als Einzeltäter S.D. in der Zeit von ca. 1992 bis zum 24. August 1999 in wiederholten Angriffen und am 23. Juli 2000 durch näher umschriebene Handlungen am Körper verletzt zu haben. Am 23. Juli 2000 habe er zudem S.D. mit Gewalt, nämlich durch Faustschläge und durch die gefährliche Drohung, ihr mit einem Bartschneidegerät die Haare abzuschneiden, zum Zugeständnis ihres sexuellen Verhältnisses mit J.D. genötigt. Schließlich habe er während eines nicht mehr genau feststellbaren Zeitraumes bis 16. August 2000, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt genehmigungspflichtige Schusswaffen und Kriegsmaterial besessen.
Auf Grund der Begehung der Straftaten nach § 83 und § 87 StGB liege eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 4 Z. 1 (richtig: Z. 3) FSG vor. Im Rahmen der Wertung komme unter dem Gesichtspunkt der Verwerflichkeit der strafbaren Handlung der wiederholten Begehung über einen längeren Zeitraum besonderes Gewicht zu. Die Tathandlungen zeigten eine zu wiederholten Aggressionen gegen Personen neigende Sinnesart des Beschwerdeführers. Auch die Nötigung und die Freiheitsentziehung seien mit besonderer Brutalität gegen das Opfer erfolgt. Seit den strafbaren Handlungen sei noch keine so lange Zeit verstrichen, dass mit Sicherheit auf eine Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers geschlossen werden könne. Der Beschwerdeführer müsse weiterhin als verkehrsunzuverlässig angesehen werden. Die Überwindung der vom Beschwerdeführer gezeigten Sinnesart könne erst nach einem Wohlverhalten während der von der Erstbehörde festgesetzten Zeit von zwei Jahren erwartet werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG von Bedeutung:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.
...
(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand
...
3. eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat,
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung."
Vorauszuschicken ist, dass die Zuordnung der in § 7 Abs. 4 Z. 3 FSG genannten strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben zu jenen bestimmten Tatsachen, auf Grund welcher gemäß § 7 Abs. 2 leg. cit. auf eine Sinnesart des Betreffenden geschlossen werden kann, deretwegen er sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden, offensichtlich verfehlt ist. Die Begehung der in § 7 Abs. 4 Z. 3 FSG genannten strafbaren Handlungen weist vielmehr auf eine Sinnesart hin, auf Grund der anzunehmen ist, dass der Betreffende im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden werde, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit. Die belangte Behörde hat daher zutreffend den Standpunkt vertreten, dass von Kraftfahrzeuglenkern wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktsituationen eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart verlangt werden müsse (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2001/11/0379, mwN).
Im Rahmen der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung, die auch hinsichtlich der in § 7 Abs. 4 leg. cit. genannten strafbaren Handlungen auf Grund der in § 7 Abs. 5 leg. cit. genannten Wertungskriterien vorzunehmen ist (siehe auch dazu das zitierte Erkenntnis vom 26. Februar 2002, mwN), hat die belangte Behörde unter dem Gesichtspunkt der Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen mit Recht zum Nachteil des Beschwerdeführers berücksichtigt, dass er die gegen S.D. gerichteten Tathandlungen, durch die das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB verwirklicht wurde, wiederholt und während eines langen Zeitraumes begangen hat. Die belangte Behörde hat auch mit Recht darauf hingewiesen, dass die Vergehen der Freiheitsentziehung und der Nötigung mit besonderer Brutalität gegen S.D. begangen wurden, und dies im Rahmen der Wertung zum Nachteil des Beschwerdeführers berücksichtigt. Die belangte Behörde hat es unterlassen, zur schwersten dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftat, nämlich zum Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall und § 87 Abs. 1 StGB, auf der Grundlage der ihr vorliegenden gekürzten Urteilsausfertigung konkrete Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Nach der Urteilsausfertigung hat der Beschwerdeführer am 14. August 2000 vier namentlich genannte Personen durch die Aufforderung, J.D. absichtlich schwer am Körper zu verletzen, dazu bestimmt, dass diese J.D. am 14. August 2000 durch Schläge mit einer ca. 60 cm langen Schlagrute aus Metall und mit Holzknüppeln (Baseballschlägern) näher umschriebene schwere Verletzungen zugefügt haben. Auch dieses Verhalten zeigt eine Neigung des Beschwerdeführers, Konflikte durch brutale Gewalt auszutragen.
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, der Beschwerdeführer sei zur Zeit der Erlassung des Mandatsbescheides als verkehrsunzuverlässig anzusehen gewesen und habe die Verkehrsunzuverlässigkeit auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht wiedererlangt. Die der Festsetzung der Entziehungsdauer gemäß § 25 FSG zugrunde liegende Prognose - für die ebenfalls die in § 7 Abs. 5 FSG genannten Wertungskriterien maßgebend sind -, der Beschwerdeführer werde die Verkehrszuverlässigkeit erst nach Ablauf einer Zeit von zwei Jahren ab 20. September 2000, unter Nichteinrechnung von Haftzeiten, also voraussichtlich erst im März 2003 wiedererlangen, erweist sich hingegen als verfehlt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer weder Vorstrafen noch in der Vergangenheit erfolgte Entziehungen der Lenkberechtigung angelastet hat. Es handelt sich nach der Aktenlage um die erste Entziehung der Lenkberechtigung. Im Hinblick auf diesen Umstand erweist sich die festgesetzte Entziehungsdauer als zu lang. Nach der Lage des Beschwerdefalles ist mit der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers in einer erheblich kürzeren Frist (die nicht das Erlöschen der Lenkberechtigung gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 FSG zur Folge hat) zu rechnen.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001110346.X00Im RIS seit
25.07.2002