TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/23 2001/11/0321

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Veröffentlicht am 23.04.2002
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §8 Abs1;
FSG-GV 1997 §2 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. September 2001, Zl. MA 65 - 8/205/2001, betreffend Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/11/0287, hingewiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 21. September 2000, mit dem der Beschwerdeführer aufgefordert worden war, binnen vier Monaten ab Zustellung des Bescheides ein "amtsärztliches Endgutachten" gemäß § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 8 FSG beizubringen und gemäß § 3 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV die hiezu erforderlich erachtete verkehrspsychologische Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vorzulegen, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Maßgebend dafür war, dass der Beschwerdeführer der mit Bescheid der Erstbehörde vom 23. Juni 1999 an ihn ergangenen Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens einschließlich der Vorlage der Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle nachgekommen war und im Verfahren über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung sich einer weiteren verkehrspsychologischen Untersuchung (am 3. November 1999), einer nervenfachärztlichen Untersuchung (am 13. Dezember 1999), bei der auch seine kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit geprüft wurde, und einer weiteren amtsärztlichen Untersuchung (am 18. Jänner 2000) unterzogen hat. Die diese Untersuchungen betreffenden Befunde bzw. Gutachten wurden der Behörde vorgelegt, insbesondere auch das amtsärztliche Gutachten vom 8. Februar 2000, in dem der Beschwerdeführer als "befristet geeignet" unter der Bedingung näher umschriebener Kontrolluntersuchungen bezeichnet worden war. Es habe daher kein Grund bestanden, dem Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 5 FSG mit Bescheid die Vorlage eines "amtsärztlichen Endgutachtens" aufzutragen. Nach Vorlage des amtsärztlichen Gutachtens habe die Behörde zu beurteilen, ob der Besitzer der Lenkberechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet sei. Halte die Behörde das ihr vorliegende amtsärztliche Gutachten für unvollständig oder unschlüssig, habe sie den Amtsarzt zur Ergänzung der Begründung oder Aufklärung von Widersprüchen, nicht aber den Besitzer der Lenkberechtigung zur Vorlage eines amtsärztlichen "Endgutachtens" aufzufordern.

Mit dem angefochtenen Bescheid forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 5 FSG auf, binnen vier Monaten ab Zustellung des Bescheides ein amtsärztliches Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 8 FSG beizubringen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, da das amtsärztliche Gutachten vom 8. Februar 2000 infolge Zeitablaufes gemäß § 2 Abs. 4 FSG-GV nicht mehr berücksichtigt werden dürfe und andere aktuelle Gutachten oder Befunde der Behörde nicht vorlägen, ergebe sich in Befolgung der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung über die Ermittlungspflicht der Behörde zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung die Notwendigkeit der Beibringung aktueller Befunde und Stellungnahmen. Die Notwendigkeit neuer Gutachten habe sich im Hinblick auf die vom Gesetzgeber gewollte Aktualität des Ermittlungsstandes ergeben, sodass die seinerzeitige Mitwirkung des Beschwerdeführers ihn nicht für die restliche Verfahrensdauer von jeder Mitwirkungspflicht befreien könne. Aus dem vom Beschwerdeführer genannten, zum Ausländerbeschäftigungsgesetz ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1999, Slg. Nr. 15.504, sei für den Beschwerdefall nichts zu gewinnen, weil es dort nicht um die aktuelle Beurteilung der gesundheitlichen Eignung gegangen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG lauten wie folgt:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

...

(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

...

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. ...

(5) Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen."

Für den Beschwerdefall ist außerdem folgende Bestimmung der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV von Bedeutung:

"Allgemeines

§ 2. ...

(4) Bei der Erstellung des ärztlichen Gutachtens darf keine fachärztliche oder verkehrspsychologische Stellungnahme miteinbezogen werden, die älter als sechs Monate ist. Aktenkundige Vorbefunde sind jedoch heranzuziehen, um einen etwaigen Krankheitsverlauf beurteilen zu können. Zu diesem Zweck hat die Behörde dem Sachverständigen bei Nachuntersuchungen in diese Vorbefunde Einsicht zu gewähren."

Voraussetzung für die Entziehung der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist zufolge § 24 Abs. 4 FSG ein amtsärztliches Gutachten, das in schlüssiger Weise begründet, warum der Besitzer der Lenkberechtigung nicht mehr gesundheitlich geeignet ist, Kraftfahrzeuge einer bestimmter Klasse zu lenken. Dieses Gutachten darf gemäß § 8 Abs. 1 FSG im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2000, Zl. 2000/11/0165, mwN). Mit dieser zeitlichen Beschränkung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, dass nur ein aktuelles ärztliches Gutachten der Entscheidung der Behörde betreffend die Erteilung oder Entziehung der Lenkberechtigung zugrunde gelegt wird. Einem ähnlichen Ziel dient § 2 Abs. 4 FSG-GV in Bezug auf die in das ärztliche Gutachten miteinzubeziehenden Stellungnahmen.

Die belangte Behörde räumte in ihrer Gegenschrift ein, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Unrecht § 2 Abs. 4 FSG-GV als maßgebende Bestimmung genannt worden sei, sie weist aber zutreffend darauf hin, dass sich aus dem im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten § 8 FSG die zeitliche Beschränkung der Verwertbarkeit von ärztlichen Gutachten ergibt. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides stand der belangten Behörde kein amtsärztliches Gutachten zur Verfügung, das sie im Hinblick auf die zeitliche Schranke des § 8 Abs. 1 leg. cit. ihrer Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid wegen Fehlens der gesundheitlichen Eignung hätte zugrunde legen können. Der angefochtene Bescheid ist daher aus diesem Grund nicht rechtswidrig.

An diesem Ergebnis vermag der Beschwerdeführer mit seinem Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1999, Slg. Nr. 15.504, nichts zu ändern. Die dort maßgebliche Rechtsfrage, ob Zeiten, in denen ein Ausländer durch ein rechtswidriges Verhalten einer Behörde an einer erlaubten Beschäftigung im Bundesgebiet gehindert war, gemäß § 14a Abs. 1 und § 14e Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz zu berücksichtigen sind, ist mit der für den Beschwerdefall entscheidenden Frage, ob der Besitzer einer Lenkberechtigung aktuell zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist, nicht vergleichbar. Auch wenn es der belangten Behörde nach Vorliegen des amtsärztlichen Gutachtens vom 8. Februar 2000 (allenfalls nach dessen Ergänzung durch den amtsärztlichen Sachverständigen) möglich gewesen sein musste, innerhalb des auf die Erstattung des Gutachtens folgenden Jahres über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid zu entscheiden, die Behörde dies aber in rechtswidriger Weise verabsäumt hat und dem Beschwerdeführer dadurch Vermögensnachteile (auf Grund der Kosten für neue Befunde und Untersuchungen) entstehen, ist für ihn daraus für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Aufforderungsbescheides nichts zu gewinnen, weil seine aktuelle gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 24 und § 8 Abs. 1 und 2 FSG beurteilt werden kann, das zufolge § 8 Abs. 1 FSG im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein darf.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 23. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001110321.X00

Im RIS seit

01.07.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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