TE Vwgh Erkenntnis 2002/4/23 2000/11/0182

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Veröffentlicht am 23.04.2002
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Hans Kaska und Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 35, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 19. Mai 2000, Zl. RU6-St-D-0003/0, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten entzog dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 14. März 2000 die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A, B, C1, C, B + E, C1 + E, C + E, F und G für die Dauer von 28 Monaten (gerechnet ab Zustellung des Bescheides, somit ab 21. März 2000). Unter einem wurde als begleitende Maßnahme die Absolvierung eines Verhaltens- und Einstellungstrainings für alkoholauffällige Kraftfahrer angeordnet und der Beschwerdeführer aufgefordert, bis zum Ende der Entziehungsdauer der Lenkberechtigung ein vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der oben erwähnten Klassen beizubringen. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 29. März 1999 gegen 18.50 Uhr in der Bundesrepublik Deutschland in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw gelenkt. Eine bei ihm am selben Tag um 20.15 Uhr entnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 3,29 %o ergeben, der rückgerechnete Alkoholisierungsgrad habe laut amtsärztlichem Gutachten vom 3. Februar 2000 3,44 %o Blutalkoholgehalt betragen. Schon am 30. April 1995 habe der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug in Großbritannien gelenkt, weshalb ihm die Lenkberechtigung mit Bescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 5. September 1995 auf die Dauer von drei Monaten rechtskräftig entzogen worden war. Auf Grund eines weiteren Alkoholdeliktes, nämlich des Lenkens eines Sattelkraftfahrzeuges am 5. Februar 1997 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, sei dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung mit Bescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 2. Juni 1997 für die Dauer von 18 Monaten rechtskräftig entzogen worden.

Der Landeshauptmann von Niederösterreich gab mit Bescheid vom 19. Mai 2000 der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte gemäß § 66 Abs. 4 AVG den angefochtenen Bescheid. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Niederösterreich nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides und des Berufungsvorbringens sowie der einschlägigen Rechtslage aus, der Beschwerdeführer sei mit Strafbefehl des Amtsgerichtes Passau vom 16. Juni 1999 (am 23. November 1999 in Rechtskraft erwachsen) beschuldigt worden, am 29. März 1999 gegen 18.50 Uhr im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet zu haben, wobei der Beschwerdeführer fahrlässig gehandelt und die Gefahr fahrlässig verursacht habe. Dieses Verhalten sei als fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2, 69, 69a, 69b des deutschen StGB als strafbar erkannt und deshalb eine Freiheitsstrafe von vier Monaten verhängt worden. Gleichzeitig sei dem Beschwerdeführer die Fahrerlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entzogen und ausgesprochen worden, dass ihm für die Dauer von 21 Monaten von einer deutschen Behörde keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden dürfe. Angemerkt werden müsse, dass die beim Beschwerdeführer entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 3,29 %o ergeben habe. Da der Beschwerdeführer weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren die den erwähnten Vorfall betreffenden Feststellungen bestritten habe, könne unzweifelhaft davon ausgegangen werden, dass er eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z 1 FSG gesetzt habe. Diese sei gemäß § 7 Abs. 5 FSG zu werten. Bemerkt werde, dass Alkoholdelikte grundsätzlich sehr verwerflich seien, weil durch das Lenken eines Kraftfahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand die Wahrscheinlichkeit, einen Verkehrsunfall, insbesondere mit Personenschaden, zu verursachen, wesentlich erhöht werde. Hinsichtlich der Bemessung der Entziehungszeit sei vorweg festzuhalten, dass die Verkehrszuverlässigkeit eine Charaktereigenschaft darstelle, welche anhand der von der betreffenden Person begangenen strafbaren Handlungen zu beurteilen sei. Die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer regelmäßig die Verkehrszuverlässigkeit habe aberkannt werden müssen, was mehrmalige Entziehungen der Lenkberechtigungen nach sich gezogen habe (zunächst mit Bescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 28. August 1992 auf die Dauer von vier Wochen, dann mit Bescheid derselben Behörde vom 27. Juni 1995 für drei Monate und schließlich mit Bescheid derselben Behörde vom 2. Juni 1997 auf die Dauer von 18 Monaten, und zwar jeweils im Zusammenhang mit der Begehung so genannter Alkoholdelikte), sei geeignet, ein in kraftfahrrechtlicher Hinsicht eindeutiges Bild von der Persönlichkeit des Beschwerdeführers abzugeben, dies auch deshalb, weil es bei der Beurteilung des voraussichtlichen Zeitpunktes der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit auch von Bedeutung erscheine, welche Auswirkungen bisherige Entziehungen der Lenkberechtigung jeweils auf das spätere Verhalten des Betreffenden ausgeübt hätten. Der Beschwerdeführer habe durch sein bisheriges Verhalten gezeigt, dass er nicht gewillt sei, sich an einschlägige Rechtsvorschriften zu halten. Selbst die dreimalige Entziehung der Lenkberechtigung habe ihn nicht dazu angehalten, seine grundsätzliche Einstellung zur Rechtsordnung zu ändern. Was den vom Beschwerdeführer in der Berufung ins Treffen geführten Umstand des Wohlverhaltens während einer Zeit von fast einem Jahr nach dem 29. März 1999 bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides anlange, könne auch dieses Vorbringen seiner Berufung vor dem Hintergrund seines Verhaltens in der Vergangenheit nicht zum Erfolg führen, abgesehen davon, dass einerseits während dieser Zeit das Verfahren beim Amtsgericht Passau, andererseits das Entziehungsverfahren bei der Erstbehörde anhängig gewesen sei, sodass es von vornherein von geringerer Bedeutung habe sein können. Die mit dem erstinstanzlichen Bescheid ausgesprochene Entziehungsdauer werde aus diesem Grund als angemessen betrachtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Beschwerdefall sind das FSG und die StVO 1960 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/1999 maßgeblich.

Die einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz-SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

(8) Handelt es sich bei den in Abs. 3 angeführten Tatbeständen um Verkehrsverstöße, die im Ausland begangen und bestraft wurden, so sind diese nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen.

...

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen. ...

...

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ... .

...

§ 26.

...

(2) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.

...

(8) Bei einer Entziehung nach ... Abs. 2 hat die Behörde begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8.

..."

§ 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 lautet (auszugsweise):

"§ 99. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht ...

a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr ... beträgt,

..."

Der Beschwerdeführer bestreitet weder die Feststellungen der belangten Behörde über den die nunmehrige Entziehung auslösenden Vorfall vom 29. März 1999 noch diejenigen über die bisherigen Entziehungen seiner Lenkberechtigung. Vor diesem Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid nicht als rechtswidrig.

Im Hinblick auf die, wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, außerordentliche Alkoholisierung des Beschwerdeführers am 29. März 1999 in der BRD, welche nach Maßgabe des § 7 Abs. 8 FSG als Übertretung nach § 99 Abs. 1 (lit. a) StVO 1960 zu werten war, ist die belangte Behörde zutreffend von der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers, und zwar sowohl im Zeitpunkt der Erlassung des erstbehördlichen Bescheides als auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgegangen.

Was die Bemessung der Entziehungszeit anlangt, so ist zunächst festzuhalten, dass, wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten zweifelsfrei ergibt, die Vorentziehungen jeweils auf Grund von Alkoholdelikten erfolgten. Die belangte Behörde durfte diese vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Vorentzüge in ihre Überlegungen zur Bemessung der Entziehungszeit einbeziehen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zählen, wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, Alkoholdelikte zu den schwersten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften. Die besondere Verwerflichkeit der Wiederholung solcher Delikte fällt daher im Rahmen der Bemessung der Entziehungszeit besonders ins Gewicht. Zieht man in Betracht, dass dem Beschwerdeführer seit 1992, somit innerhalb der letzten neun Jahre vor Begehung des letzten Alkoholdelikts, die Lenkberechtigung bereits dreimal entzogen worden war, der Beschwerdeführer im Zeitraum der letzten vier Jahre vor Begehung des letzten Alkoholdeliktes über insgesamt 21 Monate nicht im Besitz der Lenkberechtigung war und ca. 7 1/2 Monate nach dem Ende der letzten Entziehungsdauer (nach der Aktenlage 5. August 1998) neuerlich ein schweres Alkoholdelikt begangen hat, bestehen auf Grund der Häufung der Alkoholdelikte gegen die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer werde seine Verkehrszuverlässigkeit insgesamt erst ca. 40 Monate (drei Jahre und vier Monate) nach Begehung der strafbaren Handlung wieder erlangen, keine Bedenken (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Mai 1990, Zl. 89/11/0217, sowie vom 30. Mai 2001, Zl. 2001/11/0081, zur Bemessung der Entziehungszeit bei wiederholten Alkoholdelikten und mehreren Vorentzügen).

Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen als Berufskraftfahrer viele Kilometer unfallfrei zurückgelegt hat, lässt sich wegen der erkannten Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers vorliegendenfalls für seinen Standpunkt nichts gewinnen.

Auch mit seinem Vorbringen, er habe (mittlerweile) sein Alkoholproblem unter Kontrolle bekommen, vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil die belangte Behörde ihren Bescheid zu Recht auf die mangelnde Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers, nicht aber auf mangelnde gesundheitliche Eignung, gestützt hat.

Schließlich entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass private und berufliche Umstände bei der Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses, ua. verkehrsunzuverlässige Lenker von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, außer Betracht zu bleiben haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0166, sowie das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001).

Gegen die Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides durch die belangte Behörde, soweit sie die Anordnung der Absolvierung eines Verhaltens- und Einstellungstrainings für alkoholauffällige Kraftfahrer und die Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers anlangt, bestehen keine Bedenken. Auch der Beschwerdeführer kommt in seiner Beschwerde nicht mehr darauf zurück.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

Wien, am 23. April 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000110182.X00

Im RIS seit

01.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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