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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer & Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stock im Eisen-Platz 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Februar 2000, Zl. MA 65-8/366/99, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. Mai 1999 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, mit seinem nach Marke und Kennzeichen näher bezeichneten Pkw am 13. Mai 1999 um 0.30 Uhr im 21. Wiener Gemeindebezirk auf der A 22 (Höhe Floridsdorfer Brücke) in der Fahrtrichtung stadtauswärts die durch Vorschriftszeichen gemäß § 52 Z. 10a StVO 1960 verordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erheblich überschritten zu haben, und zwar (wie aus einer handschriftlich vorgenommenen Ergänzung der Strafverfügung im Verwaltungsakt, Aktenseite 4, ersichtlich ist) unter besonders gefährlichen Verhältnissen, nämlich Nachtzeit sowie Regen und regennasser Fahrbahn mit Wasserstand und Spurrillen. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 52 Z. 10a und § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 ("2 lit. c" handschriftlich hinzugefügt) eine Geldstrafe von S 3.000,--
verhängt. Aus der im Verwaltungsakt erliegenden Kopie der Strafverfügung geht hervor, dass sie vom Beschwerdeführer am 13. Mai 1999 übernommen wurde.
Der Führerschein war dem Beschwerdeführer aus Anlass des zur Bestrafung führenden Vorfalls gemäß § 39 Abs. 1 des Führerscheingesetzes (FSG) vorläufig abgenommen worden.
Die Bundespolizeidirektion Wien entzog dem Beschwerdeführer daraufhin mit Bescheid vom 14. Juni 1999 gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG die für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung, und zwar gemäß § 25 Abs. 3 FSG für die Zeit von drei Monaten, gerechnet ab Abnahme des Führerscheines, somit bis einschließlich 13. August 1999. Einer eventuellen Berufung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 7. Februar 2000 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend führte der Landeshauptmann von Wien nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften aus, wie die Behörde erster Instanz angeführt habe, sei der Beschwerdeführer mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. Mai 1999 wegen eines Deliktes nach § 52 Z. 10a in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960, begangen am 13. Mai 1999, rechtskräftig bestraft worden. Da diese Bestrafung in Rechtskraft erwachsen sei, sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die der Bestrafung zu Grunde liegende Tathandlung begangen habe. Diese Tathandlung bilde aber eine Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG. Der ebenfalls rechtskräftig gewordene Vorwurf, die Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen zu haben, bilde ein Tatbestandselement einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960, weshalb auch diesbezüglich Bindungswirkung bestehe. Zusätzlich sei bemerkt, dass im gegenständlichen Falle vom Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse auszugehen gewesen sei, befänden sich doch auf der A 22 ab Floridsdorfer Brücke stadtauswärts bis zur Schwarzlackenau keine Tunnels, weshalb die Annahme des Vorliegens von Regen bzw. einer nassen Fahrbahn "nicht von vornherein" unschlüssig sei. Gemäß § 25 Abs. 3 erster Satz FSG sei die Entziehungsdauer mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 26 FSG mit mindestens drei Monaten festzusetzen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Beschwerdefall ist das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/1999 maßgeblich.
Die einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):
"§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
...
3. Als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, ...; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen;
4. die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h ... überschritten hat und diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde;
...
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ... .
§ 26.
...
(3) Im Falle der erstmaligen Begehung einer im § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung - sofern die Übertretung nicht geeignet war, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen wurde (§ 7 Abs. 3 Z 3) oder auch eine Übertretung gemäß Abs. 1, 2 oder 4 vorliegt - hat die Entziehungsdauer zwei Wochen, bei der zweiten Begehung einer derartigen Übertretung innerhalb von zwei Jahren ab der ersten Begehung sechs Wochen zu betragen.
..."
§ 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 134/1999) lautete:
"§ 99.
...
(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,
...
c) wer als Lenker eines Fahrzeuges, z.B. beim Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, insbesondere Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen oder Radfahrer, die Radfahrerüberfahrten vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert
..."
Der Beschwerdeführer bestreitet zwar nicht, mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 13. Mai 1999 rechtskräftig bestraft worden zu sein, er bestreitet aber die Feststellung, dass die Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 erfolgt sei. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg. Wie sich aus der oben wieder gegebenen Gestaltung der Strafverfügung zweifelsfrei ergibt, wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 52 Z. 10a gemäß § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 bestraft. Diese Bestrafung ist in Rechtskraft erwachsen. Ob die erwähnte Strafverfügung ihrerseits in allen Punkten § 44a VStG entspricht, ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Entziehungsbescheides nicht von Belang.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat in Anbetracht der Bindungswirkung einer rechtskräftigen Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 die Kraftfahrbehörde jedenfalls auch vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zl. 99/11/0035, mit weiteren Nachweisen zur Judikatur zu § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 in der Fassung der 17. KFG-Novelle). Auch im Rahmen der gemäß § 7 Abs. 5 vorzunehmenden Wertung hatte die belangte Behörde davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die seiner Bestrafung zu Grunde liegende Übertretung begangen hat. Dazu gehören auch die Sachverhaltselemente, aus denen die Verwaltungsstrafbehörde die Erfüllung des Tatbestandes nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 abgeleitet hat (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999). Im vorliegenden Fall sind dies die Tatbegehung zur Nachtzeit sowie bei Regen und regennasser Fahrbahn mit Wasserstand und Spurrillen.
Eine ausdrückliche Wertung der Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG ist dem angefochtenen Bescheid zwar nicht zu entnehmen, der Verwaltungsgerichtshof hegt aber im Ergebnis im Hinblick auf die oben wieder gegebenen, für die Wertung maßgeblichen Umstände keine Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei auf Grund des der Bestrafung zu Grunde liegenden Verhaltens verkehrsunzuverlässig (gewesen). Auch durch die Entziehung der Lenkberechtigung für die in § 25 Abs. 3 FSG vorgesehene Mindestentziehungszeit wurde der Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzt. Die Anwendung der für den Beschwerdeführer günstigeren Bestimmung des § 26 Abs. 3 FSG schied, wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, aus, weil die Geschwindigkeitsübertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen erfolgte und damit die in § 26 Abs. 3 FSG enthaltene Ausnahme (§ 7 Abs. 3 Z. 3 FSG) zum Tragen kam.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 23. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000110091.X00Im RIS seit
01.08.2002