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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §8 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des L in B, vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 4. Februar 2001, Zl. Ib-277- 148/99, betreffend Ausfolgung des Führerscheines, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,69 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem rechtskräftigen (Mandats)Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 15. Juni 1999 wurde dem (im Jahr 1945 geborenen) Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 2 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von vier Monaten entzogen. Gemäß § 26 Abs. 8 FSG wurde ihm die Absolvierung einer Nachschulung und die Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens aufgetragen. Der Bescheid enthält ferner den Ausspruch, dass die Entziehungsdauer nur bei Befolgung dieser Anordnungen und nicht vor der Wiederausfolgung des Führerscheines ende.
Dem Bescheid lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 10. Juni 1999 als Lenker eines Motorfahrrades eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen hat.
Der Beschwerdeführer absolvierte in der Zeit vom 30. August 1999 bis 14. September 1999 die angeordnete Nachschulung. Am 14. September 1999 unterzog er sich einer Untersuchung bei der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in Bregenz. In der darüber erstatteten verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 13. Oktober 1999 wurde zusammenfassend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer auf Grund der unzureichend ausgeprägten kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen in Verbindung mit den ungünstigen Persönlichkeitsbefunden vom Standpunkt verkehrspsychologischer Begutachtung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B nicht geeignet erscheine.
In seinem Gutachten vom 18. Oktober 1999 kam der ärztliche Amtssachverständige der Erstbehörde zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 nicht geeignet sei, weil die psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht nachgewiesen worden sei. Es bestünden ungenügende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeiten und Persönlichkeitsdefizite. Es müsse von mangelnder Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ausgegangen werden.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 1999 wies die Erstbehörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederausfolgung des Führerscheines ab. In der Begründung bezog sie sich auf die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 13. Oktober 1999 und das darauf basierende amtsärztliche Gutachten vom 18. Oktober 1999.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung.
Am 2. Oktober 2000 unterzog sich der Beschwerdeführer einer verkehrspsychologischen Untersuchung bei der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle I. in Feldkirch. In der darüber erstatteten Stellungnahme vom 5. Oktober 2000 wird begründend u.a. ausgeführt:
"Die verkehrspsychologische Untersuchung zeigt bei Herrn L. eine deutlich herabgesetzte Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung (Cognitrone). Die reaktive Belastbarkeit unter komplexen Anforderungsbedingungen muss ebenfalls als unterdurchschnittlich eingestuft werden (Wiener Determinationstest). Die Wahrnehmungsgeschwindigkeit liegt bei einer durchschnittlichen Wahrnehmungsgenauigkeit im unteren Grenzbereich der Norm (Linienverfolgungstest). Die für das Verkehrsverhalten relevanten intellektuellen Voraussetzungen sind gegeben.
Die Untersuchung der Persönlichkeitsstruktur (16-PF) ergibt das Bild einer sehr spontanen und den momentanen Einfällen folgenden Person (deutlich herabgesetzte Selbstkontrolle), welche Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die eigene Person hat (leicht erhöhte Belastbarkeit). Herr L. lässt sich in seinem Verhalten von eigenen Regeln und Standards leiten (deutlich herabgesetzte Normgebundenheit) und verlässt sich in Entscheidungssituationen eher auf andere (leicht erhöhte Soziale Anpassung). Die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erscheint unauffällig (KFP-30). Die nach außen gerichtete Aggressionsbereitschaft ist deutlich herabgesetzt (FAF). In den Ergebnissen der Tests zur Erfassung der Alkoholauffälligkeit (FFT, KFA) finden sich keine Hinweise auf einen missbräuchlichen Alkoholkonsum bzw. eine mögliche Alkoholerkrankung.
Im persönlichen Gespräch und in der Verhaltensbeobachtung entsteht der Eindruck, dass Herr L. keinen Zusammenhang zwischen seinen Schwierigkeiten in Führerscheinangelegenheiten und seinen Alkoholkonsumgewohnheiten herstellt, welche er als harmlos beschreibt. Die in Teilbereichen deutlich herabgesetzte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit muss jedoch - mangels einer anderen Erklärungsmöglichkeit - vor dem Hintergrund zweier Alkoholdelikte interpretiert werden. Eine Selbsttäuschung bezüglich des eigenen Alkoholkonsumverhaltens kann somit nicht ausgeschlossen werden.
In Anbetracht der Gesamtbefundlage ist Herr L. aus verkehrspsychologischer Sicht zum Zeitpunkt der Untersuchung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheinklasse B
derzeit nicht geeignet.
Die Feststellung möglicherweise verbesserter Eignungsvoraussetzungen sollte frühestens nach Ablauf eines Jahres stattfinden."
In der Darstellung der Befunde betreffend die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen werden die einzelnen Erhebungsparameter nach der "statistischen Norm" zum Teil als durchschnittlich und zum Teil als unterdurchschnittlich beurteilt. Die Wahrnehmungsgeschwindigkeit nach dem Linienverfolgungstest wird als "im unteren Normbereich" bezeichnet. Zum Parameter "Intelligenz, Erinnerungsvermögen, optische Merkfähigkeit, visuellräumliche Merkfähigkeit" wird unter Bezug auf den "Corsi-Block-Tapping-Test (Corsi)" ausgeführt, dass sich keine Hinweise auf Defizite im Bereich der visuell-räumlichen Merkspanne ergeben hätten.
Die ärztliche Amtssachverständige der belangten Behörde erstattete das Gutachten vom 11. Oktober 2000, in dem nach Wiedergabe des wesentlichen Verwaltungsgeschehens Folgendes ausgeführt wird:
"Die verkehrspsychologische Untersuchung wurde nunmehr nach Ablauf einer 12-Monatsfrist wiederholt und erbrachte wiederum deutliche Mängel im Bereich des Reaktionsverhaltens sowie der Konzentration und Aufmerksamkeit. Bei den Persönlichkeitsbefunden waren insbesondere die Normgebundenheit und Selbstkontrolle deutlich herabgesetzt, die soziale Anpassung leicht erhöht. Insgesamt gesehen befand die Verkehrspsychologin den Untersuchten derzeit für nicht geeignet, ein Kraftfahrzeug zu lenken.
Da zum sicheren Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht nur ein ausreichender körperlicher Befund erforderlich ist, sondern insbesonders auch die psychische Leistungsfähigkeit sowie die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung wesentliche Voraussetzungen hiefür sind, schließt sich die medizinische Amtssachverständige den Untersuchungsbefunden des Kuratoriums für Verkehrssicherheit wie auch der INFAR in Feldkirch an, da ärztlicherseits keine andere Möglichkeit besteht, die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen und die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zu überprüfen. Hier muss auch noch angemerkt werden, dass bereits das zweite Alkoholvergehen des Führerscheinwerbers vorliegt. Eine positive ärztliche Stellungnahme kann erst erfolgen, wenn ein positiver verkehrspsychologischer Befund vorliegt. Vor Wiedererteilung der Lenkberechtigung ist auch eine neuerliche amtsärztliche Untersuchung durchzuführen.
Laut verkehrspsychologischem Untersuchungsbefund ist eine Wiederholung der verkehrspsychologischen Untersuchung frühestens nach Ablauf eines Jahres sinnvoll.
Gutachten:
Herr L. ist gemäß § 8 Führerscheingesetz 1997 zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B derzeit nicht geeignet."
Die belangte Behörde übersandte dem Beschwerdeführer die verkehrspsychologische Stellungnahme vom 5. Oktober 2000 und das Gutachten der amtsärztlichen Sachverständigen vom 11. Oktober 2000.
In seiner Stellungnahme vom 24. Oktober 2000 führte der Beschwerdeführer u.a. aus, von den Erhebungsparametern seien nur zwei als unterdurchschnittlich bezeichnet worden. Die von der Verkehrspsychologin "mangels einer anderen Erklärungsmöglichkeit vor dem Hintergrund zweier Alkoholdelikte" interpretierten Testwerte seien darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer die ganze Woche vorher schlecht geschlafen und in der Nacht vor dem Test keinen Schlaf gefunden habe, weil er Angst vor diesem modernen Testverfahren habe. Er sei unausgeschlafen und hypernervös zur zweiten verkehrspsychologischen Untersuchung angetreten. Dadurch seien die zum Teil unterdurchschnittlich ausgefallenen Testergebnisse zu erklären. Er lasse sich auch nicht, wie behauptet, "von eigenen Regeln und Standards leiten" (deutlich herabgesetzte Normgebundenheit), sondern habe z.B. alle Aufträge der Behörde befolgt.
Mit Schreiben vom 16. November 2000 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, seine Behauptung, vor dem Test schlecht geschlafen zu haben, sei eine mögliche Erklärung für das Ergebnis des Tests. Die Wiederholung der verkehrspsychologischen Untersuchung sei aber nach den Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung erst nach Ablauf von zwölf Monaten zulässig. Es bestehe aber die Möglichkeit, mit einem Kostenaufwand von ca. S 11.000,-- einen verkehrspsychologischen "Oberbefund" beim Kuratorium für Verkehrssicherheit in Innsbruck einzuholen.
Der Beschwerdeführer antwortete mit Schreiben vom 5. Dezember 2000. Er wies darauf hin, er habe den Test nun schon zwei Mal absolviert, wobei die Werte jeweils überwiegend durchschnittlich ausgefallen seien. Es hätten sich keinerlei Hinweise auf einen missbräuchlichen Alkoholkonsum bzw. eine Alkoholkrankheit ergeben. In der verkehrspsychologischen Stellungnahme werde mit Mutmaßungen und Unterstellungen zu seinen Ungunsten gearbeitet. Die Amtsärztin habe das in ihrem Gutachten kritiklos übernommen, ohne ihn jemals gesehen zu haben. Er sehe keinen Sinn, sich neuerlich einem verkehrspsychologischen Test zu unterziehen, weil sich an seiner Nervosität nichts ändern werde. Im Erlass des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 18. Dezember 1989 werde ausdrücklich auf die Problematik von verkehrspsychologischen Untersuchungen bei älteren Kraftfahrern hingewiesen und die Auffassung vertreten, es sei zweckmäßig, wenn in diesen Fällen nur eine Beobachtungsfahrt auf einem Schulfahrzeug durchgeführt werde bzw. bei Kombination von verkehrspsychologischer Untersuchung und Beobachtungsfahrt sei auf Letztere größerer Wert zu legen. Er sei ca. 600.000 km unfallfrei gefahren und bestehe auf einer Beobachtungsfahrt. Er begehre daher die Wiederausfolgung des Führerscheines oder die Erlassung eines begründeten Bescheides.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Erstbehörde vom 21. Oktober 1999 keine Folge und bestätigte diesen Bescheid.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Amtsärztin habe in ihrem Gutachten unter Berücksichtigung der Ergebnisse der verkehrspsychologischen Untersuchung schlüssig (die Testwerte seien eindeutig) dargelegt, dass der Beschwerdeführer nicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfüge. Verkehrspsychologische Tests seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine taugliche Grundlage für die Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei "hypernervös" und unausgeschlafen gewesen, sei zu entgegnen, dass es an ihm gelegen wäre, sich zu einem von ihm selbst zu bestimmenden Zeitpunkt, zu dem er seine tatsächlichen Fähigkeiten zu beweisen in der Lage gewesen wäre, untersuchen zu lassen und diesen Befund der Behörde vorzulegen. Von der Möglichkeit, einen verkehrspsychologischen Oberbefund vorzulegen, habe er keinen Gebrauch gemacht. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass nur bei zwei Erhebungsparametern das Testergebnis als unterdurchschnittlich beurteilt worden sei, sei zu erwidern, dass bereits die Unterdurchschnittlichkeit des Reaktionsverhaltens (Geschwindigkeit, Sicherheit und Belastbarkeit) und der Konzentration (Aufmerksamkeit) ausreichten, um das Vorliegen der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit zu verneinen. Bei der Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer in der Lage sei, ein Kraftfahrzeug sicher zu beherrschen, komme es maßgebend auf sein Reaktionsverhalten und seine Konzentration an. Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Ausführungen der Verkehrspsychologin hinsichtlich der Ursache der herabgesetzten kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit sei daher nicht weiter einzugehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG lauten (auszugsweise):
"Gesundheitliche Eignung
§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.
(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.
...
Ablauf der Entziehungsdauer
§ 28. (1) Der Führerschein ist nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn die gemäß Abs. 2 angeordneten Nachweise erbracht wurden, keine Gründe für eine Entziehung mehr gegeben sind und die Entziehungsdauer kürzer als 18 Monate war.
(2) Die Behörde hat, entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit und unter Berücksichtigung der Gründe, die für die Entziehung maßgebend waren, vor der Wiederausfolgung des Führerscheines vom Lenker einen oder mehrere der folgenden Nachweise zu verlangen:
...
2. ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung (§ 8), wenn Zweifel an der gesundheitlichen Eignung bestehen,
..."
§ 18 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV
lautet (auszugsweise):
"Verkehrspsychologische Untersuchung
§ 18. (1) Die Überprüfung der einzelnen Merkmale ist nach dem jeweiligen Stand der verkehrspsychologischen Wissenschaft mit entsprechenden Verfahren vorzunehmen. Die Relevanz dieser Verfahren für das Verkehrsverhalten muss durch Validierungsstudien wissenschaftlich nachgewiesen werden.
(2) Für die Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit sind insbesondere folgende Fähigkeiten zu überprüfen:
1.
Beobachtungsfähigkeit sowie Überblicksgewinnung,
2.
Reaktionsverhalten, insbesondere die Geschwindigkeit und Sicherheit der Entscheidung und Reaktion sowie die Belastbarkeit des Reaktionsverhaltens,
3.
Konzentrationsvermögen,
4.
Sensomotorik und
5.
Intelligenz und Erinnerungsvermögen.
..."
Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers nicht deshalb verneint, weil sie eine Krankheit im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 4 FSG-GV annimmt. Sie hat auch nicht den Mangel der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung angenommen, sondern sich ausschließlich darauf gestützt, dass das Reaktionsverhalten des Beschwerdeführers (Geschwindigkeit, Sicherheit und Belastbarkeit) und die Konzentration (Aufmerksamkeit) "unterdurchschnittlich" seien und dies allein ausreiche, um den Mangel der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit anzunehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach betont, dass im Einzelfall nachvollziehbar sein muss, warum Testergebnisse außerhalb der Norm liegen. Um aus Testergebnissen das Fehlen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit ableiten zu können, bedarf es der Angabe der der Beurteilung zugrunde gelegten, nach den Erkenntnissen der Verkehrspsychologie maßgebenden Grenzwerte (siehe dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 20. März 2001, Zl. 99/11/0101, und vom 20. September 2001, Zl. 99/11/0162, mwN).
Diesen Anforderungen entsprechen die Begründung des angefochtenen Bescheides, das diesem zugrunde liegende amtsärztliche Gutachten vom 11. Oktober 2000 und die diesem Gutachten zugrunde liegende verkehrspsychologische Stellungnahme des I. Institutes vom 5. Oktober 2000 nicht. Die in der verkehrspsychologischen Stellungnahme enthaltene Beurteilung des Reaktionsverhaltens und der Konzentration als "unterdurchschnittlich" gibt keinen Aufschluss betreffend das Erreichen oder das Verfehlen bzw. das Ausmaß des Verfehlens von Grenzwerten. Es bedarf zudem einer konkreten Begründung, warum das Verfehlen von Durchschnittswerten in Teilbereichen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit bereits die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließt. Im vorliegenden Fall wäre zudem zu begründen, wie die als "durchschnittlich" beurteilte Entscheidungs- und Reaktionssicherheit bei optischen und akustischen Reizen mit der Beurteilung des Reaktionsverhaltens als unterdurchschnittlich in Einklang gebracht wird. Die in der verkehrspsychologischen Stellungnahme enthaltene Begründung, die in Teilbereichen deutlich herabgesetzte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit müsse - mangels einer anderen Erklärungsmöglichkeit - "vor dem Hintergrund zweier Alkoholdelikte interpretiert werden", eine Selbsttäuschung bezüglich des eigenen Alkoholkonsumverhaltens könne somit nicht ausgeschlossen werden, ist nicht schlüssig, weil damit - obwohl ausdrücklich erklärt wird, dass sich in den Testergebnissen keine Hinweise auf einen missbräuchlichen Alkoholkonsum bzw. eine mögliche Alkoholerkrankung finden - lediglich eine Andeutung über die möglichen Ursachen von Leistungsdefiziten gemacht, jedoch nicht dargetan wird, welche Grenzwerte maßgebend sind und ob der Beschwerdeführer diese erreicht oder nicht.
Die belangte Behörde hat in ihrem Schreiben vom 16. November 2000 dem Beschwerdeführer gegenüber eingeräumt, dass seine Behauptungen betreffend Unausgeschlafenheit und Nervosität eine mögliche Erklärung für die Testergebnisse darstellen, hat es aber unterlassen, eine Stellungnahme der ärztlichen Amtssachverständigen und jener Verkehrspsychologin, die die verkehrspsychologische Untersuchung am 2. Oktober 2000 durchgeführt hat, darüber einzuholen, ob die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffen und welche Auswirkungen die behaupteten Umstände auf die Testergebnisse gehabt haben.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen im Einzelnen eingegangen zu werden brauchte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001110102.X00Im RIS seit
25.07.2002