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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arzt wegen verbotener WerbungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Niederösterreich. Auf einer Werbetafel und in einem Zeitungsinserat verwendete der Beschwerdeführer eine Graphik, die seinen Namen bildlich mit einem Knochen in Verbindung bringt; diese war bereits mit Bescheid des Disziplinarsenates der österreichischen Ärztekammer beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 30.9.1996 als marktschreierisch qualifiziert worden. Durch den im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid des Disziplinarsenates der Ärztekammer beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales wurde der Beschwerdeführer wegen der neuerlichen Verwendung der fraglichen Graphik wegen Verstoßes gegen das Verbot der marktschreierischen Werbung gemäß §95 Abs1 ÄrzteG 1984 i.V.m. §3 lite der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer bestraft und über ihn eine Geldstrafe von öS 15.000,-- verhängt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. In ihr rügt der Beschwerdeführer mit im wesentlichen gleichlautender Begründung, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, Unverletzlichkeit des Eigentums und Freiheit der Erwerbsausübung verletzt worden zu sein. Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides und in eventu ihre Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof.
II. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift aber verzichtet.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. §25 Abs1 und 4 ÄrzteG 1984 lauten:
"§25. (1) Der Arzt hat sich jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten.
...
(4) Die Österreichische Ärztekammer kann nähere Vorschriften über die Art und Form der im Abs1 genannten Informationen erlassen."
Artikel 3 der in Ausführung dieser Verordnungsermächtigung ergangenen u als Verordnung zu qualifizierenden u "Richtlinie Arzt und Öffentlichkeit" bestimmt in der im Entscheidungszeitpunkt relevanten Fassung der Kundmachung in der "Ärzte-Info" Nr. 9605 der Ärztekammer für Niederösterreich mit dem Stand vom 15.7.1996:
"Das Standesansehen beeinträchtigend ist eine Information, wenn sie Ehre und Anstand der Ärzteschaft gegenüber der Gemeinschaft der Patienten oder den Kollegen herabsetzt. Eine standeswidrige Information liegt insbesondere vor bei:
(...)
e) Selbstanpreisung der eigenen Person oder Darstellung der eigenen ärztlichen Tätigkeit durch reklamehaftes Herausstellen in aufdringlicher, marktschreierischer Weise."
2. Unter dem Gesichtspunkt des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde Willkür vor. Die belangte Behörde mißachte eine zu dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, in der dieser ein Inserat eines Eisenbahnerambulatoriums als nicht marktschreierisch bewertet habe und ignoriere zu unrecht die höchstgerichtliche Rechtsprechung.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:
Mag es auch in dem vom Beschwerdeführer zitierten Fall um die - grundsätzlich vergleichbare u Qualifikation der Werbung eines Ambulatoriums gegangen sein, so verfolgen doch das Ärztegesetz und die Richtlinie über das Auftreten der Ärzte in der Öffentlichkeit deutlich andere, vor allem standespolitisch geprägte Zielsetzungen als das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb. Der belangten Behörde, die sich mit dem vom Beschwerdeführer angesprochenen Urteil des OGH ausdrücklich auseinandersetzt, kann also nicht der Vorwurf der Willkür gemacht werden, wenn sie den Begriff der marktschreierischen Information nach der genannten Richtlinie im Ergebnis auch nach der Form der Werbung und nicht wie der OGH in Anwendung des UWG bloß nach ihrem Inhalt beurteilt.
3. Im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsausübung bringt die Beschwerde nichts anderes vor. Sie bestreitet weder das öffentliche Interesse an der Wahrung des Standesansehens durch das Verbot marktschreierischer Werbung noch die Verhältnismäßigkeit der gegen den Beschwerdeführer wegen der Verletzung dieses Verbotes verhängten Strafe, sondern beschränkt sich darauf, der belangten Behörde die Kompetenz abzusprechen, die inkriminierte Graphik unter dem Blickwinkel der Richtlinie zu beurteilen.
Der Verfassungsgerichtshof hegt keinen Zweifel daran, daß es im öffentlichen Interesse gerechtfertigt ist, die Werbung bestimmter Berufsgruppen zur Wahrung der Standesinteressen bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen. So ist das Verbot der marktschreierischen Werbung angesichts des besonderen Vertrauensverhältnisses, das zwischen Ärzten und Patienten herrschen soll, jedenfalls als im öffentlichen Interesse liegend zu qualifizieren. Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die Verhängung einer Disziplinarstrafe in Höhe von öS 15.000,-- wegen Verstoßes gegen dieses Verbot als unverhältnismäßig zu bezeichnen wäre. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist der belangten Behörde auch nicht entgegenzutreten, wenn sie die inkriminierte Graphik als marktschreierisch im Sinne der genannten Richtlinie qualifiziert.
4. Vor diesem Hintergrund hat der Verfassungsgerichtshof auch keinen Zweifel, daß der angefochtene Bescheid mit dem u in der Beschwerde nicht relevierten u Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art10 EMRK im Einklang steht: Die Rechtsprechung des EGMR hat deutlich gemacht, daß kommerzielle Werbung zwar vom Schutzbereich des Art10 Abs1 EMRK erfaßt wird, daß sie aber nach Art10 Abs2 EMRK strengeren Beschränkungen unterworfen werden darf als andere Formen der Mitteilung von Meinungen, Ideen und Informationen (vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., 1996, Rz 9, 27 zu Art10 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Der angefochtene Bescheid greift somit zwar in das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung ein. Der Verfassungsgerichtshof hält diesen Eingriff im Lichte der zitierten Rechtsprechung aber für verhältnismäßig und vom Gesetzesvorbehalt des Art10 Abs2 EMRK gedeckt.
5. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich schließlich aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles auch nicht veranlaßt, in eine amtswegige Prüfung der Richtlinie über "Arzt und Öffentlichkeit" einzutreten. Die Beschwerde vermag beim Verfassungsgerichtshof keinen Zweifel an der Gesetzmäßigkeit dieser Richtlinie zu wecken. Auch einen Verstoß gegen - in der Beschwerde nicht näher bezeichnete u "Regelungen und Normen der europäischen Gemeinschaft und (die) Rechtsprechung des EuGH" vermag der Verfassungsgerichtshof weder in der genannten Richtlinie noch im Vorgehen der belangten Behörde zu erkennen.
6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
7. Der Disziplinarsenat der Österreichischen Ärztekammer beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist eine den Vorschriften des Art133 Z4 B-VG entsprechende Behörde. Ein Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht eröffnet. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war daher abzuweisen.
8. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Ärzte, Disziplinarrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, WerbungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B1953.1998Dokumentnummer
JFT_10009393_98B01953_2_00