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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AHG 1949 §11 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über den Antrag des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21. Dezember 2001, Zl. 33 Cg 6/99 s, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 8. August 1995, Zl. 300.757/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (weitere Parteien des Verfahrens gemäß § 64 VwGG: 1. D, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Gudrunstraße 143; 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19), zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 67 VwGG wird festgestellt, dass der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. August 1995, Zl. 300.757/2- III/11/95, rechtswidrig war.
Begründung
I.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2001 hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gemäß § 11 Abs. 1 des Amtshaftungsgesetzes (AHG) und §§ 64 f VwGG den Antrag gestellt, die Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 8. August 1995, Zl. 300.757/2-III/11/95, festzustellen. Mit diesem Bescheid wurde der Antrag der als weitere Partei gemäß § 64 VwGG Erstangeführten (kurz: Klägerin) vom 1. Dezember 1994 auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.
Dem Antrag des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien liegt eine auf das AHG gestützte Klage der Klägerin gegen die Republik Österreich zu Grunde. Sie macht damit die Kosten für die Erhebung der Berufung gegen den dem genannten Bescheid zu Grunde liegenden erstinstanzlichen Bescheid, sowie die Kosten für die Erhebung der Beschwerden gegen den vorgenannten Ministerialbescheid an den Verfassungsgerichtshof und an den Verwaltungsgerichtshof (in der Höhe von insgesamt S 66.335,40) geltend. Diese Kosten seien dadurch entstanden, dass der erstinstanzliche Bescheid und auch der Bescheid des Bundesministers für Inneres wegen unvertretbarer wesentlicher Verfahrensfehler und unvertretbarer rechtlicher Beurteilung sowohl die Berufung als auch die Beschwerdeführungen verursacht hätten.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien begründet seinen Antrag damit, dass es den besagten Bescheid des Bundesministers für Inneres für rechtswidrig erachte, weil dieser der Klägerin vor Erlassung des Berufungsbescheides kein Gehör eingeräumt habe, und gemäß § 27 des Ehegesetzes nicht vor dem Vorliegen eines Urteils von der Nichtigkeit einer Ehe (vom Vorliegen einer Scheinehe) hätte ausgehen dürfen. Weiters hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien wegen seines Antrags das zivilgerichtliche Verfahren unterbrochen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Begründung des genannten Bescheides des Bundesministers für Inneres lautet wie folgt:
"Begründung
Sie haben am 01.12.1994 an die oben genannte Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt.
Die genannte Behörde hat diesen Antrag mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft in Österreich gemäß § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen.
Gegen diese Beurteilung haben Sie im Wesentlichen eingewendet, dass sich die Anzahl der polizeilich gemeldeten Bewohner nicht mehr auf 14 Personen, sondern seit 01.02.1995 auf 8 Personen belaufen würde.
Unbeschadet dieses Vorbringens ist für die Beurteilung Ihres Antrages wesentlich, dass § 5 des Aufenthaltsgesetzes die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließt, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z 4 dieses Gesetzes liegt ein solcher insbesondere dann vor, wenn der Aufenthalt eines Fremden die öffentliche Ordnung gefährdet. Eine Scheinehe stellt zum Zweck der Erlangung des Aufenthaltsrechts eine solche Gefährdung dar.
Dazu hat die Berufungsbehörde folgendes erwogen:
Da die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AufG von Amts wegen den Verlust einer Bewilligung mit Bescheid verfügen kann, wenn falsche Angaben über das Bestehen einer Ehegemeinschaft gemacht wurden, so ist die Berufungsbehörde der Meinung, dass - wenn im gegenständlichen Fall ein Verfahren im Hinblick auf die Nichtigkeit der Ehe anhängig ist - ein ausreichender Tatbestand für das Vorliegen einer Scheinehe gegeben ist, sodaß ein Sichtvermerksversagungsgrund vorliegt, weil der Antragsteller durch eine derartige Handlungsweise, vor allem in Bezug auf die Beispielswirkung auf andere Fremde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet.
Es ist somit aus Sicht der Berufungsbehörde, deren Aufgabe es auch ist, eine derartige Beispielswirkung hintanzuhalten, in diesem Fall, nicht erforderlich, ein rechtskräftiges Urteil des Bezirksgerichtes in Bezug auf Nichtigerklärung der Ehe abzuwarten, zumal es ausreicht, dass der Antragsteller falsche Angaben über das Bestehen einer Ehegemeinschaft gemacht hat, wie aus der Aktenlage und aus der Mitteilung durch die Staatsanwaltschaft Wien (vom 23.01.1995) eindeutig hervorgeht. Damit liegt ein Sichtvermerksversagungsgrund vor.
Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen hat die Berufungsbehörde festgestellt, dass unter Abwägung Ihrer persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK, die öffentlichen Interessen überwiegen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
2. § 5 Abs. 1 AufG lautete (auszugsweise):
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. gefährden. Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenz ist allerdings die eindeutige und - was für die vorliegende Beschwerdesache von Bedeutung ist - mängelfreie Feststellung, dass die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, dadurch die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 2001, Zl. 99/19/0140, mwH.).
Der Bundesminister für Inneres hat in seinem Bescheid vom 8. August 1995 das Vorliegen einer Scheinehe der Klägerin lediglich daraus abgeleitet hat, dass "im gegenständlichen Fall ein Verfahren im Hinblick auf die Nichtigkeit der Ehe anhängig ist", und "aus der Aktenlage und aus der Mitteilung durch die Staatsanwaltschaft Wien (vom 23.01.1995) eindeutig" hervorgehe, "dass (die Klägerin) falsche Angaben über das Bestehen einer Ehegemeinschaft gemacht" habe. Auf dem Boden eines bloßen Hinweises auf den Umstand der Anhängigkeit eines Nichtigerklärungsverfahrens sowie auf die "Aktenlage" bzw. eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft, aus der sich wiederum nichts anderes ergibt als die vorerwähnte Tatsache der Verfahrensanhängigkeit, kann aber in keiner Weise nachvollzogen werden, dass in dem vom genannten Bundesminister entschiedenen Fall die Ehe tatsächlich in der Absicht geschlossen worden sei, um die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern, bzw. dass "falsche Angaben über das Bestehen einer Ehegemeinschaft" gemacht wurden.
3. Da nach der hg. Rechtsprechung eine Feststellung nach § 11 Abs. 1 AHG trotz des Umstands, dass der vom vorliegenden Antrag erfasste Ministerialbescheid bereits durch eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung nachträglich beseitigt wurde, noch Bedeutung haben kann (vgl. das schon zitierte hg. Erkenntnis Zl. 99/19/0140), war - ohne dass die Durchführung einer Verhandlung erforderlich gewesen wäre (§ 66 VwGG) - gemäß § 67 VwGG iVm § 11 Abs. 1 AHG die Rechtswidrigkeit des im Spruch näher bezeichneten Bescheides des Bundesministers für Inneres festzustellen.
4. Gemäß § 68 VwGG sind die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Kosten solche des Rechtsstreites vor dem antragstellenden Gericht.
Wien, am 24. April 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002180011.X00Im RIS seit
22.07.2002